Akademik

Shaftesbury
Shaftesbury
 
['ʃɑːftsbərɪ],
 
 1) Anthony Ashley Cooper ['æʃlɪ 'kuːpə], 1. Earl of (seit 1672), englischer Politiker, * Wimborne Saint Giles (County Dorset) 22. 7. 1621, ✝ Amsterdam 21. 1. 1683, Großvater von 2); diente zunächst O. Cromwell, dann Karl II. Seit 1661 Baron Ashley, wurde er 1667 Mitglied des Cabalministeriums. 1672-73 Lordkanzler, dann Führer der Parlamentsopposition; 1677-78 und 1681 in Haft. 1679 setzte er die Habeas-Corpus-Akte durch; floh 1682 nach Holland.
 
 2) Anthony Ashley Cooper ['æʃlɪ 'kuːpə], 3. Earl of (seit 1699), englischer Philosoph, * London 26. 2. 1671, ✝ Neapel 4. 2. 1713, Enkel von 1); einer der bedeutendsten Vertreter der englischen Aufklärung. Nach Reisen in Europa 1686-89 kehrte er nach England zurück und war 1695-98 Mitglied des Parlaments, ab 1699 Mitglied des Oberhauses. Ab 1711 lebte er in Italien. Shaftesburys Philosophie steht unter dem Einfluss J. Lockes und des Cambridger Platonismus (Cambridger Schule), später auch P. Bayles. Ein zentrales Problem seines Denkens ist die Begründung der Sittlichkeit im »moral sense« (»moralischer Sinn«). Die gesuchte Autonomie des moralischen Bewusstseins gründet auf der Trennung von Religiosität und Moralität, deren »natürlichen« Ursprung Shaftesbury gegen Locke betont. Die Überzeugung, dass die Sittlichkeit ebenso wie die ästhetische Erfahrung zur naturgegebenen Ausstattung des Menschen gehöre und unabhängig von den Ansprüchen einer Offenbarungsreligion begründet werden könne, führt zu der These, dass Religion Sittlichkeit bereits voraussetzt. Sittlichkeit besteht dabei für Shaftesbury in der harmonischen Entfaltung der natürlichen Anlagen des Menschen und hat als letztes Ziel die Erhaltung des zweckvoll geordneten kosmischen Ganzen, von dem das Individuum ein Teil ist. Tugend erweist sich als »Liebe zur Ordnung und Schönheit im Gesellschaftlichen«; Religiosität erhält eine deistische Grundlage (Deismus). Die Auszeichnung des Gefühls und die Verbindung von ästhetischen mit moralischen Kategorien im »moral sense« machen den bedeutenden Einfluss verständlich, den die Philosophie Shaftesburys besonders auf A. Pope, J. G. Herder, Schiller, Goethe, Voltaire und J.-J. Rousseau hatte. Die Vorstellung des aus »Enthusiasmus« schaffenden Genies wurde zur Kernidee des Sturm und Drang.
 
Werke: An inquiry concerning virtue in two discourses (1699; deutsch Untersuchung über die Tugend); A letter concerning enthusiasm (1708; deutsch Ein Brief über den Enthusiasmus); The moralists, a philosophical rhapsody (1709; deutsch Die Moralisten); Soliloquy. Or advice to an author (1710, 1711 unter dem Titel Characteristicks of men, manners, opinions, times, 3 Bände; deutsch Charakteristicks, oder Schilderungen von Menschen, Sitten, Meynungen und Zeiten).
 
Ausgaben: Standard-Edition. Sämtliche Werke, ausgewählte Briefe und nachgelassene Schriften, herausgegeben von G. Hemmerich und W. Benda, auf mehrere Bände berechnet (1981 folgende); Der gesellige Enthusiast. Philosophische Essays, herausgegeben von K.-H. Schwabe (1990).
 
Literatur:
 
E. Wolff: S. u. seine Bedeutung für die engl. Lit. des 18. Jh. (1960);
 S. Grean: S.'s philosophy of religion and ethics (Athens, Oh., 1967);
 C. F. Weiser: S. u. das dt. Geistesleben (21969);
 W. H. Schrader: Ethik u. Anthropologie in der engl. Aufklärung. Der Wandel der moral-sense-Theorie von S. bis Hume (1984);
 R. Voitle: The third Earl of S., 1671-1713 (Baton Rouge, La., 1984);
 T. Fries: Dialog der Aufklärung. S., Rousseau, Solger (1993).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Shaftesbury: Über das Schöne und Gute
 

Universal-Lexikon. 2012.