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La Fontaine
La Fontaine
 
[lafɔ̃'tɛn],
 
 1) Henri Marie, belgischer Jurist und Politiker, * Brüssel 22. 4. 1854, ✝ ebenda 14. 5. 1943; lehrte 1893-1940 in Brüssel Völkerrecht; war als Sozialist Mitglied (1895-98, 1900-32, 1935-36) und zeitweise Vizepräsident des belgischen Senats; wurde 1889 Generalsekretär der Société belge de l'Arbitrage et de la Paix, 1907 Präsident des von ihm mitgegründeten Bureau International Permanent de la Paix und erhielt 1913 den Friedensnobelpreis. 1919 war er Mitglied der belgischen Delegation auf der Pariser Friedenskonferenz, 1920-21 Delegierter beim Völkerbund.
 
 2) Jean de, französischer Dichter, * Château-Thierry 8. 7. 1621, ✝ Paris 13. 4. 1695; studierte in Reims Theologie und Jurisprudenz, wurde 1647 Forstmeister in Château-Thierry und lebte seit 1658 in Paris, wo er u. a. von N. Fouquet, Marguerite de la Sablière und Anne Marie Louise d'Orléans (* 1627, ✝ 1693) gefördert wurde und u. a. mit J. Racine, Molière und N. Boileau-Despréaux befreundet war. 1684 wurde er Mitglied der Académie française.
 
Schon in der u. a. an Ovid orientierten Idylle »Adonis« (1656, letzte Fassung 1671) zeigt sich seine subtile Verskunst. Seine frivol-galanten »Contes et nouvelles en vers« (5 Teile, 1665-86; deutsch »Schwänke und Märchen«) beziehen ihre Motive aus antiken Vorbildern (Anakreon, Petronius, Apuleius) sowie aus der italienischen (Boccaccio, Ariosto u. a.) und französischen Literatur (Margarete von Navarra, F. Rabelais u. a.), verfahren jedoch relativ frei mit den jeweiligen Vorlagen und zeigen - bei skeptisch-libertinistischer Grundhaltung - durch Abwandlung und Ausschmückung der Themen den Geist des 17. Jahrhunderts. Durch seine »Fables« (12 Bücher, 1668-78/79 und 1694; deutsch »Fabeln«), die seinen literarischen Ruhm begründeten, wurde er zum Erneuerer dieser Gattung. Ursprünglich als Übertragung und Imitation antiker Muster (Aisopos, Phaedrus, Avianus, Horaz, Ovid) und der gerade in Europa bekannt gewordenen orientalischen Märchen angelegt, entwickelten sich die Fabeln vor dem Hintergrund der Naturbeschreibung zu einer subtilen und psychologisch vertieften Darstellung menschlichen Zusammenlebens, zum Teil können sie auch als Satire auf die Gesellschaft des 17. Jahrhunderts gelesen werden. Die Vermittlung praktischer Lebens- und Menschenkenntnis tritt dabei in den Hintergrund; oft wird die moralische Bewertung dem Leser überlassen, zum Teil fehlt das belehrende Moment ganz. Insgesamt lassen die Fabeln eine epikureisch-pessimistische Weltsicht erkennen. Der bildhaft knappen Aussage entspricht eine anschaulich-pointierte Sprache, die die unterschiedlichsten Stilelemente verbindet, umgangssprachliche Elemente, Provinzialismen, Neologismen und Archaismen einbezieht und im Versbau durch zum Teil freien Umgang mit der klassischen Metrik gekennzeichnet ist.
 
Weitere Werke: Lyrik: Élégie aux nymphes de Vaux (1661).
 
Roman: Les amours de Psyché et de Cupidon (1669; deutsch Amor und Psyche).
 
Ausgaben: Œuvres, herausgegeben von H. Regnier, 11 Bände und 1 Album (Neuausgabe 1883-97); Œuvres complètes, herausgegeben von R. Groos und anderen, 2 Bände (Neuausgabe 1978-79).
 
Fabeln, übersetzt von M. Remané (Neuausgabe 1984).
 
Literatur:
 
K. Vossler: La F. u. sein Fabelwerk (1919);
 R. Jasinski: La F. et le premier recueil des »Fables«, 2 Bde. (Paris 1965-66);
 J. P. Collinet: Le monde littéraire de La F. (ebd. 1970);
 J. Grimm: La F.s Fabeln (1976);
 J. Orieux: La F., ou la vie est un conte (Paris 1976);
 P. Clarac: La F. (Neuausg. ebd. 1981);
 R. Duchêne: La F. (ebd. 1990).

Universal-Lexikon. 2012.