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Grünen, Die
I
Grünen, Die
 
Vor allem aus den Bürgerinitiativen der Umweltschutzbewegung entstanden bereits gegen Ende der 70er-Jahre in verschiedenen Teilen der Bundesrepublik »grüne Listen«, die sich an Kommunal- und Landtagswahlen beteiligten. Durch Zusammenschluss dieser regionalen Vereinigungen mit der »Grünen Aktion Zukunft« sowie unter Beteiligung von Gruppen der Frauen- und der alternativen Bewegung entstand Anfang 1980 auf Bundesebene die Partei »Die Grünen«, die sich zu den Grundwerten »ökologisch - sozial - basisdemokratisch - gewaltfrei« bekannte.
 
Es gelang den Grünen, die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen des Menschen zu einem der vorrangigen Themen der politischen Diskussion zu machen. Dabei haben die Grünen früher und nachhaltiger als andere politische Kräfte die bis dahin allgemein akzeptierte These infrage gestellt, dass nur ein stetiges Wirtschaftswachstum den Bestand von Gesellschaft und Demokratie in der Bundesrepublik sichern könne. Die pazifistische Grundorientierung der Grünen führte zu ihrer aktiven Mitarbeit in der Friedensbewegung. Sie lehnten die Militärblöcke ab und plädierten für den Austritt der Bundesrepublik Deutschland aus der NATO.
 
Nachdem sie bei der Bundestagswahl von 1980 nur 1,5 % der Stimmen gewonnen hatten, konnten die Grünen 1983 mit 5,6 % der Stimmen die Fünfprozentklausel überwinden. 1987 erreichten sie in der Bundestagswahl sogar 8,3 % der Stimmen, scheiterten aber bei der ersten gesamtdeutschen Wahl im Dezember 1990 an der Fünfprozenthürde. Lediglich die in den neuen Bundesländern unter Sonderbedingungen angetretene Kombination Bündnis 90/Die Grünen zog mit 8 Abgeordneten in den neuen Bundestag ein.
 
Die jahrelangen erbitterten Flügelkämpfe innerhalb der Partei zwischen den Fundamentalisten (»Fundis«), die jede Teilnahme an der Regierungsverantwortung strikt ablehnten, und den Realpolitikern (»Realos«), die die Beteiligung an der Macht in Koalitionen vorwiegend mit der SPD anstrebten, brachten die Grünen wiederholt an den Rand der Spaltung und lähmten die Parteiarbeit. In einer Phase allmählicher Konsolidierung gelang den Grünen der Einzug in Landtage und der Eintritt in mehrere Koalitionsregierungen: so erstmals in Hessen 1983, wo die Koalition mit der SPD allerdings 1987 wieder zerbrach. Inzwischen sind die Grünen, die sich 1993 mit dem für die Volkskammerwahl im März 1990 gebildeten Bündnis 90 zu einer Partei vereint haben, eine »etablierte« Partei geworden, die in den 90er-Jahren in einigen Landesregierungen vertreten war und ist: so von 1990 bis 1994 in Niedersachsen und Brandenburg, von 1991 bis 1995 in Bremen, seit 1994 in Sachsen-Anhalt, seit 1995 in Nordrhein-Westfalen und seit 1996 in Schleswig-Holstein. Aus den Bundestagswahlen vom 16. Oktober 1994 gingen Bündnis 90/Die Grünen als drittstärkste Partei mit 7,3 % der Stimmen hervor.
II
Grünen, Die,
 
1) Grüne, 1980-93 bestehende politische Partei, hervorgegangen aus verschiedenen regionalen Gruppen; bekannte sich nach dem Saarbrücker Grundsatzprogramm (1980) zu den Grundwerten »ökologisch - sozial - basisdemokratisch - gewaltfrei«, wurde stärkste Gruppe der ökologischen Bewegung (grüne Parteien) im politischen Raum und war 1983-90 im Deutschen Bundestag vertreten.
 
Programmatik:
 
In Abhebung von den »etablierten« politischen Kräften zählte sich die Partei in ihrem Ursprung zu den neuen sozialen Bewegungen. Im Kontrast zur repräsentativen Demokratie vertrat sie den Gedanken der Basisdemokratie. Lange Zeit stark von Ideen der außerparlamentarischen Opposition und der neuen Linken der 60er-Jahre bestimmt, sollte die bundesdeutsche Wirtschafts- und Sozialordnung auf neue Grundlagen gestellt werden. Das stärker linksradikal-ökologische Saarbrücker Grundsatzprogramm wurde in späteren Programmen zum reformorientierten Umbau von Staat und Gesellschaft (»Umbauprogramm«, 1986; Erklärung von Neumünster, 1991) zum Teil revidiert; inzwischen waren Teile der ökologischen Programmatik von den anderen politischen Parteien übernommen worden.
 
Außenpolitisch forderten Die Grünen eine »aktive Friedenspolitik« der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen einer Politik der »Blockunabhängigkeit« (mit dem Fernziel einer allseitigen Abrüstung). In der Deutschlandspolitik vertraten sie in der Mehrheit bis 1989 entspannungspolitische Forderungen nach umfassender Anerkennung der DDR (einschließlich einer DDR-Staatsbürgerschaft). Eine Minderheit um Petra Kelly befürwortete einen blockfreien deutschen »Sonderweg«; sie unterstützte aber konsequent die oppositionelle Friedens- und Bürgerbewegung in der DDR.
 
Organisatorisch
 
gab es ein starkes Gewicht der weitgehend autonomen Landes- und Kreisverbände. Eine Bundesversammlung traf die Sach- und Personalentscheidungen der Bundespartei, die in der Öffentlichkeit von drei Sprechern vertreten wurde. Der 1991 gebildete Länderrat erlangte große Befugnisse. Lange Zeit galt das Rotationsprinzip bei der Amtsvergabe.
 
Geschichte:
 
Auf der Gründungsversammlung am 12./13. 1. 1980 in Karlsruhe versuchten politisch sehr unterschiedliche Kräfte, die vom konservativen bis zum kommunistischen Ideenspektrum reichten, Einfluss auf die neue Partei auszuüben. Unter den beteiligten Organisationen, wurzelnd auch in der sich ab um 1975 formierenden »Bürgeriniativ-Bewegung« (Juni 1972 war der BBU gegründet worden) und alternativer Protestkultur, befanden sich v. a. die »grünen Listen« sowie die »Grüne Aktion Zukunft« (GAZ; H. Gruhl). Auf dem Programmparteitag von Saarbrücken (21.-23. 3. 1980) erlangten »basisdemokratische« Vorstellungen und sozialistisch bestimmte Fernziele beherrschenden Einfluss; in der Folge schieden wertkonservative Richtungen aus der Partei aus beziehungsweise fusionierten nicht mit dieser (v. a. GAZ).
 
Bei den Bundestagswahlen 1980 noch an der 5 %-Klausel gescheitert, konnten Die Grünen 1983 erstmals mit 5,6 % der Zweitstimmen 27 Abgeordnete, 1987 mit 8,3 % 42 Abgeordnete in den Deutschen Bundestag entsenden; sie errangen Mandate in zahlreichen bundesdeutschen Länderparlamenten und (seit 1984) im Europäischen Parlament. Erste Regierungskoalitionen mit der SPD in Hessen (1985-87) und in Berlin (West) 1989-90 (über die der Partei verbundene Alternative Liste [AL]) scheiterten jedoch. Es entwickelte sich ein ständiger innenparteilicher Konflikt zwischen Realpolitikern (z. B. J. Fischer, O. Schily, A. Vollmer) und Fundamentalpolitikern (v. a. Jutta Ditfurth [* 1951]). Neben den ökologischen Anliegen und alternativen energiepolitischen Initiativen vertraten Die Grünen in den Parlamenten und bei außerparlamentarischen Aktionen besonders auch ihre außenpolitischen Anliegen, z. B. im Kampf gegen den NATO-Doppelbeschluss (u. a. Petra Kelly, G. Bastian und A. Mechtersheimer). - Im Zuge der gewaltfreien Revolution 1989/90 entstand auch in der DDR am 24. 11. 1989 eine Grüne Partei (Bürgerbewegung), die sich nach der Volkskammerwahl vom 18. 3. 1990 mit dem Bündnis der Bürgerbewegungen zu Bündnis 90/Grüne zusammenschloss (organisatorisch ab August 1990) und in dieser Verbindung nach den ersten gesamtdeutschen Bundestagswahlen (2. 12. 1990 aufgrund der gesonderten Geltung der Fünfprozentklausel für das Wahlgebiet der DDR in den ersten gesamtdeutschen Bundestag einzog (6,0 % der Stimmen; zusammen 8 Abgeordnete).
 
Da die (westdeutsch) Grünen bei dieser Wahl mit 4,8 % der Stimmen an der Fünfprozentklausel des Bundeswahlgesetzes scheiterten, verschärften sich die innenparteilichen Gegensätze. Im Mai 1991 spaltete sich eine fundamentalistische Gruppe um J. Ditfurth ab.
 
1990/91 schlossen sich ostdeutsche Landesverbände den Grünen an. Nach dem »Assoziierungsvertrag« vom November 1992 erfolgte im Mai 1993 der Zusammenschluss von Bündnis 90 und Grünen zu einer neuen politischen Partei (Bündnis 90/Die Grünen).
 
Literatur:
 
H. Kleinert: Aufstieg u. Fall der Grünen. Analyse einer alternativen Partei (1992).
 
 2) seit 1994 bestehende politische Partei in Österrreich; hervorgegangen aus den Grünen Alternativen (gegründet 1986; grüne Parteien).

Universal-Lexikon. 2012.