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Zwangsvollstreckung
Zwạngs|voll|stre|ckung 〈f. 20Vollstreckung im Konkursverfahren; Sy 〈schweiz.〉 Schuldbetreibung

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Zwạngs|voll|stre|ckung, die (Rechtsspr.):
Verfahren, bei dem mit staatlichem Zwang die Ansprüche einer Privatperson durchgesetzt werden.

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Zwangsvollstreckung,
 
Exekution, Zwangsbeitreibung, die Verwirklichung vollstreckbarer Ansprüche durch staatliche Zwangsmaßnahmen in das Vermögen des Schuldners (§§ 704-945 ZPO, §§ 249-346 AO, Bundesverwaltungsvollstreckungsgesetz vom 27. 4. 1953 und entsprechende Gesetze der Länder).
 
Ziel
 
jeder Zwangsvollstreckung ist die Befriedigung des Gläubigers durch Erfüllung seines Anspruchs. Die ZPO unterscheidet nach dem Inhalt des zu verwirklichenden Anspruchs zwischen der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen (Geldvollstreckung) und wegen sonstiger Ansprüche, nämlich solchen auf Herausgabe von Sachen, auf Vornahme von Handlungen und auf Unterlassung (Individualvollstreckung). Nach dieser Einteilung bestimmen sich die Zuständigkeit der Vollstreckungsorgane und die Zulässigkeit der jeweiligen Zwangsmittel. Innerhalb der Geldvollstreckung wird nochmals nach dem Vollstreckungsgegenstand des Schuldners unterschieden: Möglich ist eine Zwangsvollstreckung in das bewegliche Vermögen (körperliche Sachen; Forderungen und sonstige Rechte) und in das unbewegliche Vermögen.
 
Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen:
 
Jede Zwangsvollstreckung setzt einen Antrag des Gläubigers voraus, durch den er v. a. bei der Geldvollstreckung die konkrete Vollstreckungsart bestimmt. Erforderlich ist ferner ein Vollstreckungstitel (kurz: Titel), der einen Anspruch auf Leistung oder Haftung des Schuldners zum Gegenstand haben muss, z. B. ein rechtskräftiges oder für vorläufig vollstreckbar erklärtes Endurteil (vorläufige Vollstreckbarkeit) oder ein Vollstreckungsbescheid (Mahnverfahren). Der Titel muss in einer mit der Vollstreckungsklausel versehenen (»vollstreckbaren«) Ausfertigung vorgelegt werden. Die Vollstreckungsklausel (kurz: Klausel) ist die amtliche, vom Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des Prozessgerichts erteilte Bescheinigung der Vollstreckbarkeit eines Titels. Sie wird auf eine Ausfertigung des Titels gesetzt, die damit zur vollstreckbaren Ausfertigung wird (§§ 724 f. ZPO). Das Vollstreckungsorgan (Gerichtsvollzieher, Vollstreckungsgericht) hat nicht zu prüfen, ob die Klausel zu Recht erteilt ist. Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Klauselerteilung sind beim Prozessgericht geltend zu machen (Erinnerung nach § 732, Klage nach § 768 ZPO). Der Beginn der Zwangsvollstreckung setzt schließlich eine Zustellung des Titels voraus.
 
Vollstreckungsorgane
 
sind der Gerichtsvollzieher und das Vollstreckungsgericht, für die Zwangsvollstreckung zur Erzwingung von Handlungen und Unterlassungen (§§ 887, 888, 890 ZPO) das Prozessgericht, für die Eintragung einer Zwangshypothek das Grundbuchamt. Für die Vollstreckung in Wohnungen zur Nachtzeit sowie an Sonn- und Feiertagen, ferner für die Durchsuchung der Wohnung des Schuldners bedarf der Gerichtsvollzieher einer besonderen richterlichen Anordnung. Im Übrigen ist er befugt, gegebenenfalls mit Gewalt und unter Zuziehung polizeilicher Hilfe etwaigen Widerstand zu brechen. Zur Zwangsvollstreckung in Abwesenheit des Schuldners und seiner Familie oder bei Widerstand hat er einen Gemeinde- oder Polizeibeamten oder zwei Zeugen zuzuziehen. Er hat über die Zwangsvollstreckungshandlungen ein Protokoll aufzunehmen, empfangene Leistungen zu quittieren und nach erfolgreichem Abschluss der Zwangsvollstreckung dem Schuldner die vollstreckbare Ausfertigung zu übergeben. Die Kosten der Zwangsvollstreckung fallen dem Schuldner zur Last und sind (zugleich) mit dem vollstreckbaren Anspruch beizutreiben.
 
Umfang der Zwangsvollstreckung:
 
Der Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen unterliegt das gesamte für den vollstreckbaren Anspruch haftende Vermögen, soweit es pfändbar ist. Auf Rechte Dritter kann nur im Rahmen der Gläubigeranfechtung zugegriffen werden. Die Zwangsvollstreckung wegen Geldforderungen in das bewegliche Vermögen erfolgt durch Pfändung und Verwertung. Die Verwertung bewirkt der Gerichtsvollzieher regelmäßig durch öffentliche Versteigerung. Forderungen des Schuldners u. a. Vermögensrechte pfändet das Vollstreckungsgericht (Rechtspfleger) durch einen Pfändungsbeschluss, der regelmäßig mit dem der Verwertung dienenden Überweisungsbeschluss verbunden wird. Dieser ermächtigt den Gläubiger, die Forderung bei dem Drittschuldner einzuziehen. Die Zwangsvollstreckung in das unbewegliche Vermögen (Grundstücke, grundstücksgleiche Rechte, Schiffe und Luftfahrzeuge) erfolgt durch Zwangsversteigerung, Zwangsverwaltung oder Eintragung einer Zwangshypothek.
 
Richtet sich der Anspruch auf die Herausgabe einer beweglichen Sache, so nimmt sie der Gerichtsvollzieher dem Schuldner weg und übergibt sie dem Gläubiger. Wird sie nicht vorgefunden, hat der Schuldner auf Antrag des Gläubigers an Eides statt zu versichern, dass er die Sache nicht besitze und auch nicht wisse, wo sie sich befinde. Sind unbewegliche Sachen (auch Wohnungen) herauszugeben oder zu räumen, so hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner »aus dem Besitz zu setzen« und den Gläubiger in diesen »einzuweisen«. Für die Räumung von Wohnraum kann das Gericht dem Schuldner auf Antrag oder von Amts wegen eine den Umständen nach angemessene Frist gewähren. Soweit herauszugebende Sachen in fremdem Gewahrsam sind und der Dritte nicht bereit ist, sie herauszugeben, ist dem Gläubiger der Herausgabeanspruch des Schuldners zu übertragen. Titel, die auf andere vertretbare Handlungen lauten, werden dadurch vollstreckt, dass der Gläubiger auf Antrag vom Prozessgericht erster Instanz ermächtigt wird, die Handlung auf Kosten des Schuldners vornehmen zu lassen. Kann die Handlung aber nur vom Schuldner persönlich vorgenommen werden (unvertretbare Handlung), so ist er von dem genannten Gericht durch Zwangsgeld oder Zwangshaft zu der Handlung anzuhalten. Auf Urteile zur Herstellung des ehelichen Lebens und zur Leistung von Diensten findet dies keine Anwendung.
 
Handelt der Schuldner einer Verpflichtung zuwider, eine Handlung zu dulden oder zu unterlassen, so ist er nach entsprechender Androhung wegen jeder Zuwiderhandlung auf Antrag des Gläubigers zu einem Ordnungsgeld oder zu Ordnungshaft (Ordnungsmittel) zu verurteilen. Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gilt diese mit der Rechtskraft des Urteils als abgegeben.
 
Gegen unzulässige Vollstreckungsmaßnahmen können sich die Beteiligten mit der Erinnerung wehren (im Steuerrecht gibt es gegen Verwaltungsakte der Zwangsvollstreckung den Einspruch). War eine Zwangsvollstreckungsmaßnahme unzulässig, so ist sie aufzuheben. Die im Zwangsvollstreckungsverfahren ergehenden Entscheidungen unterliegen der sofortigen Beschwerde. Einwendungen gegen den Anspruch, wegen dessen vollstreckt wird, kann der Schuldner nur beim Prozessgericht mit Rechtsmitteln oder mit der Vollstreckungsgegenklage geltend machen. Ein Dritter, in dessen Rechte mit der Vollstreckung eingegriffen wird, kann Drittwiderspruchsklage oder Klage auf vorzugsweise Befriedigung (Vorzugsklage) erheben.
 
Die Zwangsvollstreckung findet ihre Grenzen an schutzwürdigen Belangen des Schuldners. Dem Pfändungsschutz dienen die Bestimmungen über die Unpfändbarkeit beweglicher Sachen und über die Lohnpfändung, die dem Schuldner das Existenzminimum und einen Verdienstanreiz belassen sollen; ferner die Befugnis des Gerichts, die Verwertung gepfändeter Sachen unter Anordnung von Zahlungsfristen längstens für ein Jahr auszusetzen. Zum besonderen Vollstreckungsschutz bei der Grundstücksversteigerung Zwangsversteigerung. Bei für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteilen sowie im eigentlichen Zwangsvollstreckungsverfahren besteht nach Maßgabe der §§ 712 und 765 a ZPO ein generalklauselartig installierter Vollstreckungsschutz.
 
Die am 1. 1. 1999 in Kraft getretenen Änderungen der 2. Zwangsvollstreckungsnovelle enthalten wichtige Neuregelungen. Insbesondere wird das gesamte Offenbarungsverfahren, dessen Voraussetzungen erweitert werden, auf den Gerichtsvollzieher übertragen, ebenso die Verwertung gepfändeter Sachen auch in anderer Weise als durch Versteigerung sowie eine erweiterte Befugnis zur Gewährung von Ratenzahlungen. Vollstreckbare notarielle Urkunden können künftig über alle disponiblen Ansprüche errichtet werden, sofern sie nicht auf Abgabe einer Willenserklärung gerichtet sind oder den Bestand eines Mietverhältnisses über Wohnraum betreffen. Im Übrigen sollen zahlreiche Einzeländerungen eine Straffung der Verfahrensabläufe bewirken, um das Vollstreckungsverfahren zu vereinfachen und zu beschleunigen.
 
Die Rechtsgrundlage für die Zwangsvollstreckung von Zivilurteilen ist in Österreich die Exekutionsordnung (EO) vom 27. 5. 1896. Über den Exekutionsantrag entscheidet das Bewilligungsgericht; die Zwangsvollstreckung selbst wird vom Exekutionsgericht (Vollzugsgericht), das stets ein Bezirksgericht ist, durchgeführt. Anders als der deutsche Gerichtsvollzieher ist der Vollstrecker kein eigenes Organ, sondern wird im Auftrag des Exekutionsgerichts tätig. Dem Verpflichteten steht die Oppositionsklage zur Verfügung (§ 35 EO), wenn er den zu vollstreckenden Anspruch bekämpfen will, und die Impugnationsklage (§ 36 EO), um die Vollstreckbarkeit zu bestreiten. Von der Zwangsvollstreckung betroffene Dritte können sich v. a. mit der Exzindierungsklage (§ 37 EO) wehren. Die verwaltungsrechtliche Exekution ist v. a. im Verwaltungsvollstreckungsgesetz geregelt; zuständig sind die Bezirksverwaltungs- beziehungsweise Bundespolizeibehörden.
 
In der Schweiz ist die Zwangsvollstreckung für Geldforderungen im Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. 4. 1889 (SchKG) geregelt. Für die Vollstreckung anderer Ansprüche gelten die kantonalen Prozessordnungen. Die Einleitung einer Betreibung kann ohne Vollstreckungstitel erfolgen (Mahnverfahren). Je nach den Umständen muss sich jedoch der Gläubiger im Verlauf des Zwangsvollstreckungsverfahrens einen Vollstreckungstitel verschaffen (Rechtsvorschlag, Rechtsöffnung). Je nach der Person des Schuldners wird die Zwangsvollstreckung auf dem Wege der Pfändung oder des Konkurses durchgeführt. Die am 1. 1. 1997 in Kraft getretene Teilrevision des SchKG hat an den Grundzügen des Systems nichts geändert. Neben der Neuregelung von zahlreichen Einzelfragen in Anlehnung an die reichhaltige Rechtsprechung des Bundesgerichts wurde aber besonders der Gläubigerschutz ausgebaut, die Stellung des Arrestschuldners verstärkt sowie der so genannte »Ausländerarrest« erschwert (Art. 271 ff. SchKG) und das Nachlassverfahren (Vergleichsverfahren) als eigentliches Sanierungsverfahren konzipiert.
 
Literatur:
 
R. Stürner: Z.-, Konkurs- u. Vergleichsrecht, 2 Bde. (121990-95);
 R. Holzhammer: Österr. Z.-Recht (Wien 41993);
 P. Angst u. a.: Die Exekutionsordnung (Wien 131995);
 W. Grunsky: Grundzüge des Z.- u. Insolvenzrechts (51996);
 K. Stöber: Forderungspfändung (111996);
 
Z.-Recht, begr. v. L. Rosenberg, fortgef. v. H. F. Gaul u. E. Schilken (111997).

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Zwạngs|voll|stre|ckung, die (Rechtsspr.): Verfahren zur Durchsetzung von Ansprüchen durch staatlichen Zwang im Auftrag des Berechtigten.

Universal-Lexikon. 2012.