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Pariser Verträge
Pariser Verträge,
 
ein internationales Vertragswerk, unterzeichnet in Paris am 23. 10. 1954 (Pariser Konferenzen 6), in Kraft getreten am 5. 5. 1955, verband völkerrechtlich die Aufhebung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland mit deren Verteidigungsbeitrag im Rahmen der Westeuropäischen Union (WEU) und der NATO. Bis zum In-Kraft-Treten des Zwei-plus-Vier-Vertrages (15. 3. 1991 bildeten die Pariser Verträge die völkerrechtliche Grundlage der Bundesrepublik Deutschland in ihren äußeren Beziehungen.
 
Vorgeschichte:
 
Nachdem die Verknüpfung des Deutschland-Vertrages (26. 5. 1952, der das Besatzungsregime der westlichen Siegermächte in Deutschland beenden sollte, mit dem Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG, 27. 5. 1952) infolge der Ablehnung der EVG durch die französische Nationalversammlung (30. 8. 1954 gescheitert war, beschloss die Londoner Neunmächtekonferenz (28. 9.-3. 10. 1954) in der Londoner Akte, die Aufhebung des Besatzungsstatuts in der Bundesrepublik Deutschland mit deren Aufnahme in den Brüsseler Pakt und die NATO zu verbinden.
 
Inhalt:
 
Das Vertragswerk besteht aus verschiedenen Protokollen, die in die Abschnitte A, B, C und D gegliedert sind. - Das Protokoll A, 3 wandelt den Brüsseler Pakt, der ursprünglich der Abwehr eines deutschen Angriffs dienen sollte, im Rahmen der Integration Europas in das Verteidigungsbündnis der WEU um, in das die Bundesrepublik Deutschland einbezogen wurde. Neben einem Protokoll über die Streitkräfte der WEU (A, 4) enthält der Abschnitt A ein Protokoll über zusätzliche Rüstungsbeschränkungen der Bundesrepublik Deutschland (A, 5); dieser Vertragsteil sollte französischen Sicherheitsbedürfnissen entgegenkommen. - Das Protokoll im Abschnitt B enthält die Aufnahme der Bundesrepublik Deutschland in die NATO. - Das Protokoll C, 2 enthält unter Modifizierung des Deutschland-Vertrages den Vertrag über die Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland. Unbeschadet der Tatsache, dass die Bundesrepublik Deutschland »die volle Macht eines souveränen Staates über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten erhält«, behalten sich die drei früheren Besatzungsmächte »die bisher von ihnen ausgeübten oder innegehabten Rechte und Verantwortlichkeiten in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung« vor. Unter Anpassung an die durch das Vertragswerk neu geschaffenen militärischen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland nimmt dieses Protokoll den Vertrag über die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder und den Finanzvertrag wieder auf. - Der Abschnitt D enthält das deutsch-französische Abkommen über das Saargebiet: das »Europäische Saarstatut«, das jedoch schon bald vom deutsch-französischen Saarvertrag vom 27. 10. 1956 abgelöst wurde.
 
Die Vorbehaltsrechte der früheren westlichen Besatzungsmächte im Interesse der Sicherheit ihrer in der Bundesrepublik Deutschland stationierten Streitkräfte erloschen mit dem In-Kraft-Treten der Notstandsnovelle zum GG vom 24. 6. 1968 (Notstandsverfassung); die alliierten Vorbehaltsrechte in Bezug auf Berlin und Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung traten mit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag außer Kraft.
 
Literatur:
 
H. Brandweiner: Die P. V. (1956);
 
Die dt. Frage 1952-1956, Notenwechsel u. Konferenzdokumente der vier Mächte, hg. v. E. Jäckel (1957);
 
Verträge der Bundesrepublik Dtl., hg. vom Auswärtigen Amt, Serie A, Bd. 7 (1957);
 
Deutschlandvertrag, westl. Bündnis u. Wiedervereinigung. Mit Beitrr. v. K. Doehring u. a. (1985);
 
Westintegration, Sicherheit u. dt. Frage. Quellen zur Außenpolitik in der Ära Adenauer 1949-1963, hg. v. Klaus A. Maier u. B. Thoss (1994).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Europa: Integration als Antwort auf die östliche Herausforderung
 

Universal-Lexikon. 2012.