Punk|rock 〈[pʌ̣ŋk-] m.; -s; unz.; Mus.〉 sehr laute Rockmusik mit schnellen, hämmernden Rhythmen; Sy 〈kurz〉 Punk (I.2)
* * *
hektisch-aggressive, musikalisch einfache Stilart der Rockmusik.
* * *
Punkrock
[englisch, 'pʌnkrɔk; von englisch punk = »Abfall, Müll«], soziale und musikalische Erscheinungsform der Rockmusik, die in der zweiten Hälfte der Siebzigerjahre in Großbritannien massiv aus dem von Jugendarbeitslosigkeit und sozialer Perspektivlosigkeit geprägten Milieu der Kneipen (Pub-Rock) vor allem Londons hervorbrach und für die weitere Entwicklung des Rock tief greifende Konsequenzen hatte. Die Bezeichnung steht für ein ganzes Programm, das diese Musik dann kennzeichnete. Ausgelöst worden war diese Entwicklung mit dem im Januar 1977 erschienenen »Anarchy in the UK« der Sex Pistols, das einem sich bis dahin unterschwellig und abseits vom Rockgeschäft herausgebildeten Missmut britischer Jugendlicher aus den sozialen Unterschichten angesichts der wachsenden Distanz zwischen ihren sozialen Erfahrungen und den kunstvollen Experimenten des Artrock der Mittsiebzigerjahre Luft verschaffte. Immer deutlicher zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt ab, dass die Rockmusik zu einer Angelegenheit anonymer Geschäftsleute in den Chefetagen der Schallplattenfirmen geworden war, ihre ursprüngliche rebellische Kraft längst verloren und sich mit dem ästhetischen und technischen Hochleistungsperfektionismus der »Supergruppen« von ihrer Basis weit entfernt hatte. Die Reaktion darauf fiel mit der radikalen Ablehnung der bis dahin für die Rockmusik gültigen klanglichen und technischen Standards, mit einem Kult des Dilettantismus, der rituellen Stilisierung des Hässlichen, einer bewusst abstoßenden Gossenpoesie und einem aberwitzigen Lärm anstelle der studiotechnischen Klangexperimente von vordem entsprechend extrem aus. Die Sex Pistols, die das als Konzept öffentlich machten, einem kompromisslosen Nihilismus in der Rockmusik Bahn brachen, zogen eine ganze Welle von jungen Gruppen nach sich. Mit Clash, Damned, Buzzcocks, Slaughter ' The Dogs, Jam, Stranglers, Vibrators, Siouxsie ' The Banshees, um nur die prominentesten zu nennen, trat eine neue Generation von Musikern mit einer geradezu verzweifelten Destruktivität an die britische Öffentlichkeit und sorgte mit ihrem Aufzug aus dem von Sicherheitsnadeln zusammengehaltenen Wohlstandsmüll, der ausgesuchten Hässlichkeit ihrer Erscheinung und der provozierenden Unflätigkeiten ihres Auftretens für Schlagzeilen.
Gemeinsam war den britischen Punk Bands der Hass auf die Musikindustrie und auf die Elite der Superstars mit ihrer bornierten Gleichgültigkeit gegenüber dem Publikum und ihrer überzüchteten und inhaltsleeren Virtuosität. Die Rebellion gegen die Musikindustrie stand zugleich für die Revolte gegen ein krisengeschütteltes und von wachsenden sozialen Spannungen gezeichnetes Gesellschaftssystem, deren Teil sie war und das sich in einem Gefühl des »No Future« Ausdruck verschaffte. Den Punk Bands wurde die Bühne zum Podium, um Abscheu, Frustration, das tötende Gefühl der Langeweile und ihr eigene soziale und menschliche Deformation auszustellen. Verbunden war das mit einer Neubewertung des Rock 'n' Roll, der Anfänge der Rockmusikentwicklung, auf die musikalisch nicht nur bewusst zurückgegriffen wurde, sondern die mit dem Flair des Musik-zum-Selbermachen, der betonten Unprofessionalität, dem Rock auch seine soziale Sprengkraft zurückgeben sollte. Der rebellische Widerstand gegen jeden und alles überzog diesen Rückgriff auf die musikalischen Ausgangspunkte aber mit einer intoleranten Ästhetik der Wildheit, die mit ohrenbetäubenden und schmerzhaften Feedbacks, schrillen Gitarren, lärmenden Verzerrungen und einem wahnsinnigen Tempo zum eigentlichen Ausdrucksmittel des Punk wurde.
Auch wenn es damals schien, als sei der britische Punkrock die hemmungslose Negation der Rockgeschichte, so etwas wie die Stunde Null des Rock, so hatte doch auch er seine musikalischen Vorläufer und bezog sich auf seine Weise auf die bisherige Entwicklung des Rock. Der Begriff Punk, im Rockjournalismus als abschätzige Charakterisierung ästhetischer Unbedarftheit und musikalischen Dilettantismus eingeführt, kennzeichnete in den USA schon seit Mitte der Sechzigerjahre eine Spielart des Rock, die sich die Verweigerung der von den Medien zelebrierten Rock-Ästhetik zum Programm gemacht hatte. Statt des prätentiösen Rock-Kults, wie er sich mit dem Psychedelic Rock damals anbahnte, blieben die vor allem aus Texas und Kalifornien stammenden Bands bei einer Musik voller Energie und Aggressivität, nach dem Vorbild der frühen Kinks, Rolling Stones und Who. Das brachte sie zwangsläufig ins Abseits des Rockgeschäfts; eine Position, die sie selbstbewusst behaupteten und mit der herausfordernden Ablehnung der herkömmlichen kulturellen Bewertungsstandards verbanden. Ihr Wirkungsfeld reduzierte sich auf einen engen lokalen Anhängerkreis in kleinen Klubs, ihr Probendomizil waren zumeist Garagen, was ihnen auch die Bezeichnung Garage-Bands eingebrachte. Sie nannten sich Barbarians, Shadow of Knight, Seeds, Elevators, Sonics, sofern ihre Namen trotz allem irgendwo einmal auf Schallplatte auftauchten. Es war die Musik Tausender kurzlebiger Schülerbands, die es auf eine Teilhabe am Rockgeschäft mit Plattenproduktionen, Promotion und Management gar nicht abgesehen hatten. Anfang der Siebzigerjahre fand ihre grobe, ungeschliffene Musikalität dann allerdings professionelle Nachahmer in dem damals von Transvestitentum, Skurrilität und grotesken Absurditäten beherrschten New Yorker Rock-Underground, dessen Credo eine kunstvoll stilisierte Dekadenz war. Als Konzept wurde das durch eine Tournee der New York Dolls nach Großbritannien gebracht — einer Gruppe, die mit ihren bewußt simplifizierten Rock-'n'-Roll-Klischees für viele britische Punk Bands der ersten Stunde dann einen wichtigen musikalischen Bezugspunkt abgab. Doch in Großbritannien wurde aus dem, der abseitigen Fantasie gelangweilter Rockparvenues entsprungenen, unverbindlichen Bühnenspektakel sozialer Ernst, aus dem dekadenten Spiel mit einer minimalistischen Zwei-Akkorde-Ästhetik der bittere Zynismus des britischen Punkrock.
Trotz aller Destruktivität und der im Grunde völlig nihilistischen »No Future«-Attitüde gab er der Rockmusik doch damit eine soziale Dimension zurück, die im Prozess ihrer klangtechnischen und ästhetischen Vervollkommnung auf der Strecke geblieben war, holte sie aus den Aufnahmestudios auf die Straße zurück und versuchte, sie der Kontrolle durch die Musikindustrie wieder zu entreißen. Letzteres blieb eine Fiktion, auch wenn im Gefolge des Punkrock zumindest eine Dezentralisierung der Musikindustrie bewirkt wurde. Es waren kleine, unabhängige und oft erst auf Initiative von Musikern oder kleinen Schallplattenläden entstandene Labels wie Rough Trade, Stiff, Chiswick, Small Wonder oder Stepp Forward, auf denen die Verbreitung dieser Musik erfolgte, bis sich dann auch die Großen des Musikgeschäfts wie EMI, CBS oder PolyGram entsprechende Optionen an dem sehr bald schon als kommerziell vielversprechend eingeschätzten neuen Trend sicherten. Die kompromisslose Destruktivität, mit der die ersten Punk Bands angetreten waren, ließ sich auch vor dem sozialen Hintergrund in Großbritannien naturgemäß nicht lange aufrechterhalten. Sie geriet schnell an eine Grenze, wo das Musizieren selbst im Chaos versank und Rockmusik damit überhaupt infrage gestellt wurde. Die Sex Pistols, Initialgruppe der Bewegung, lösten sich so 1978 nach einer chaotischen USA-Tournee auf. Was folgte, war einerseits ein musikalisch bewusster Rückgriff auf die Rocktradition mit entscheidenden Bezugspunkten im frühen Mersey-Beat (Beat) bei Gruppen wie den Pretenders, den Only Ones oder den Skids, andererseits die Verdichtung sozialer Grunderfahrungen in einem Konzept der musikalischen Verfremdung, wie es Gruppen wie The Fall, Joy Division, Swell Maps, Gang of Four und The Pop Group entwickelten. Inhaltlich wurde der zynische Nihilismus der Anfänge durch Gruppen wie die Tom Robinson Band, Jam und vor allem The Clash von einem stärker politisch akzentuierten, sozialen Engagement abgelöst, das dann in der Kampagne Rock Against Racism auch in außermusikalischen Unternehmungen einen Niederschlag fand.
Und schließlich entstand im Rahmen der britischen Punkentwicklung mit Gruppen wie den Raincoats, den Slits, X-Ray Spex, Penetrations und Essential Logic erstmals auch eine von Frauen und ihrer Problematik bestimmte Rockrichtung, die sich beispielsweise durch Rock Against Sexism eine öffentlich wirksame Plattform eigener Art verschaffte. Damit kristallisierten sich allmählich wieder musikalische Perspektiven heraus, die Ende der Siebzigerjahre dann in das New Wave genannte Sammelsurium von Spielweisen und Stilkonzeptionen mündeten. Lediglich der Oi-Music genannte Ableger des Punk griff den zynischen Nihilismus der Anfänge auf und führte ihn in eine ausgesprochen faschistoide Richtung weiter. Der auf neue musikalische Perspektiven zielende Impuls des Punkrock dagegen ist dann neben den USA in allen westeuropäischen Ländern, in Skandinavien und selbst in Japan fruchtbar geworden und hat mit dem Konzept einer Rockentwicklung von »unten«, aus dem lokalen Zusammenhang heraus, dem Selbstvertrieb von Schallplatten, dem Aufbau unabhängiger Labels, zur Herausbildung nationaler Entwicklungsformen von Rockmusik in der jeweiligen Landessprache geführt (Neue Deutsche Welle) und die internationale Musiklandschaft entscheidend verändert. In der weiteren Entwicklung seit Anfang der Achtzigerjahre sind das ursprüngliche Spielkonzept des Punkrock und seine Ästhetik mit anderen Stilistiken verbunden worden, die zu Mischformen geführt haben und eine Reihe von Seitenzweigen — Punkabilly, Metal Punk, Funkpunk, Anarchopunk, Postpunk — entstehen ließen. Das Festhalten an seiner Urgestalt wird mittlerweile unter Hardcore rubriziert.
* * *
Punk|rock, der; -[s] [engl. punk rock]: hektisch-aggressive, musikalisch einfache Rockmusik des ↑Punk:P. ist auch nicht mehr das, was er mal war. Damals, als die ersten Menschen in der Stadt erklärten, sie hätten keine Zukunft mehr, sich Sicherheitsnadeln in die Lippen und andere Nadeln in die Venen steckten, da ... (Tagesspiegel 19. 2. 99, 27).
Universal-Lexikon. 2012.