Ta|rif|ver|trag 〈m. 1u〉 schriftl. Vereinbarung zw. Gewerkschaft u. Arbeitgeber od. Arbeitgeberverband über die Arbeitsbedingungen zw. Arbeitgeber u. -nehmer bezüglich des Tarifs
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Ta|rif|ver|trag, der:
Vertrag zwischen Arbeitgeber[n] u. Gewerkschaft über Löhne u. Gehälter sowie über Arbeitsbedingungen.
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Tarifvertrag,
der schriftliche Vertrag zwischen einem oder mehreren Arbeitgebern beziehungsweise einem Arbeitgeberverband einerseits und einer oder mehreren Gewerkschaften andererseits (Tarifvertragsparteien, Tarifpartner) zur Regelung arbeitsvertraglicher Bedingungen (Inhalt, Abschluss und Beendigung von Arbeitsverhältnissen), von Rechten und Pflichten der Tarifvertragsparteien sowie zur Regelung von betrieblichen und betriebsverfassungsrechtlichen Fragen und gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien. Maßgeblich dafür ist das Tarifvertragsgesetz (TVG) in der Fassung vom 25. 8. 1969 (mit späteren Änderungen).
Das Recht zum Abschluss eines Tarifvertrags folgt aus der in Art. 9 Absatz 3 GG garantierten Tarifautonomie. Der Tarifvertrag ist ein Normenvertrag, der als autonome Rechtsquelle objektives Recht erzeugt. Er ist an Verfassungs- und Europäischem Recht sowie an die zwingenden gesetzlichen Vorschriften und allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze gebunden. Dispositives (nicht zwingendes) Gesetzesrecht kann der Tarifvertrag dagegen innerhalb der Grenzen von Treu und Glauben außer Kraft setzen.
und Inhalt: Tarifverträge können nur zwischen tariffähigen Parteien vereinbart werden und bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform. Tariffähig sind Gewerkschaften, einzelne Arbeitgeber, Arbeitgeberverbände, Handwerksinnungen sowie Spitzenorganisationen, soweit sie satzungsmäßig dazu ermächtigt sind. Der so genannte Flächentarifvertrag gilt für einen Wirtschaftsbereich, der Firmen- oder Haustarifvertrag nur für einen einzelnen Arbeitgeber. Der Tarifvertrag wird beendet durch Zeitablauf (Befristung), Kündigung, Eintritt einer auflösenden Bedingung, Vereinbarung oder Rücktritt. Eine Teilkündigung ist nur möglich bei entsprechender Vereinbarung. Für die tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer besitzt er jedoch trotz des Wegfalls Nachwirkung, bis ein neuer Tarifvertrag den beendeten Tarifvertrag ablöst. Abschluss, Aufhebung und Änderung eines Tarifvertrags werden in einem Tarifregister eingetragen.
Inhaltlich unterscheidet man Manteltarifverträge (Rahmentarifvertrag) und Lohntarifverträge. Jeder Tarifvertrag enthält zwei wesentliche Teile: 1) Der schuldrechtliche Teil regelt die Rechtsbeziehungen der Tarifvertragsparteien zueinander, besonders die Friedenspflicht und die Einwirkungspflicht, die gebietet, die Mitglieder zur Wahrung der Tarifverträge anzuhalten und diese durchzuführen. 2) Der normative Teil des Tarifvertrags enthält die zentralen Regelungen der arbeitsvertraglichen Rechte und Pflichten. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Inhaltsnormen (z. B. Vergütungshöhe, Arbeitszeit, Zulagen, Pausen), Solidarnormen (Arbeitnehmergruppen betreffend), Abschlussnormen (z. B. Formvorschriften), Abschlussverboten und -geboten (z. B. für Frauen, Jugendliche) sowie betriebsverfassungsrechtliche Normen.
Die zahlreichen Tarifverträge betreffen rd. 90 % aller Arbeitnehmer. Ihre Bestimmungen gelten aber keineswegs ohne weiteres für alle Beschäftigten. Vielmehr muss eine Tarifvertragsgeltung hergestellt werden, die im Arbeitsverhältnis auf verschiedener Weise erfolgen kann: 1) Der Tarifvertrag gilt unmittelbar und zwingend wie ein Gesetz, wenn beide Arbeitsvertragsparteien in dem zuständigen Arbeitgeberverband beziehungsweise in der Gewerkschaft organisiert sind (Tarifbindung kraft Organisationszugehörigkeit). Für alle, die nicht organisiert sind, gilt der Tarifvertrag nicht normativ oder sogar gar nicht (zur Rechtslage bei einem Wechsel des organisierten Arbeitnehmers in einen anderen Wirtschaftszweig Tarifeinheit). Waren Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei In-Kraft-Treten eines Tarifvertrags tarifgebunden, so bleiben sie es, bis der Tarifvertrag endet; ein danach erfolgter Austritt aus dem Verbund einer Tarifvertragspartei zieht nicht sogleich das Erlöschen der Tarifbindung nach sich (§ 3 Absatz 3 TVG). 2) Der Bundesarbeits- und (kraft Übertragung) die Länderarbeitsminister können auf Antrag einzelne Tarifverträge für allgemein verbindlich erklären (Tarifbindung kraft Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags). 3) Ein Tarifvertrag kann auch nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätzen Anwendung finden, z. B. wenn er vertraglich vereinbart ist oder im Betrieb allgemein ganz oder teilweise angewendet wird (Tarifgeltung kraft einzelarbeitsvertraglicher Vereinbarung, betriebliche Übung oder aus Gründen der Gleichbehandlung). 4) Der fachliche, örtliche, zeitliche und persönliche Geltungsbereich ist in den Eingangsvorschriften des Tarifvertrags festgelegt.
Von den Vorschriften eines Tarifvertrags kann nur zugunsten eines Arbeitnehmers abgewichen werden. Vertraglich zu vereinbarende Verschlechterungen sind nur möglich, wenn Tarifvertrag oder Teile nur einzelvertraglich vereinbart sind. Ferner ist eine Verwirkung tarifvertraglicher Rechte ausgeschlossen. Von Rechten, die von vornherein tarifvertraglich einer Ausschlussfrist unterliegen, verjähren Ansprüche aus dem Tarifvertrag wie andere arbeitsrechtliche Ansprüche zwei Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie entstanden sind. (Tariföffnungsklausel)
In Österreich ist der Kollektivvertrag im Arbeitsverfassungsgesetz 1974 (ArbVG) geregelt. Zum Abschluss dieser überbetrieblichen Vereinbarungen berufen sind auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite die gesetzlichen Interessenvereinigungen, freie Berufsvereinigungen sowie bestimmte Vereine. Man unterscheidet zwischen schuldrechtlichem (nur die Vertragsparteien betreffendem) und normativem (direkt auf das Einzelarbeitsverhältnis wirkendem) Inhalt, der Gesetzeskraft erlangt. Inhaltlich regelt der Kollektivvertrag (§ 2 ArbVG) etwa die aus dem Arbeitsverhältnis entspringenden Rechte und Pflichten von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, gewisse Mitwirkungsbefugnisse und Sozialpläne. Kollektivverträge müssen beim Bundesminister für Arbeit und Soziales hinterlegt und angemessen kundgemacht werden (§ 14 ArbVG). Die Geltungsdauer des Kollektivvertrages endet durch Zeitablauf, Kündigung, Abschluss eines neuen Kollektivvertrages oder Verlust der Kollektivvertragsfähigkeit einer der beiden Parteien (§ 17 ArbVG). Bei Streitigkeiten hinsichtlich Abschluss/Änderung des Kollektivvertrages ist das Schlichtungsverfahren nach den §§ 153 ff. ArbVG anzuwenden, andere Rechtsstreitigkeiten fallen in die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte.
In der Schweiz werden Tarifverträge Gesamtarbeitsverträge (GAV) genannt (Art. 356 ff. OR). Durch den GAV stellen Arbeitgeber oder deren Verbände und Arbeitnehmerverbände gemeinsam Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse der beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf (Art. 356 Absatz 1 OR). GAV sind schriftlich abzuschließen (Art. 356 c Absatz 1 OR). Die Bestimmungen über Abschluss, Inhalt und Beendigung der einzelnen Arbeitsverhältnisse gelten unmittelbar nur für die beteiligten Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Art. 357 Absatz 1 OR). Unter bestimmten Voraussetzungen kann ein GAV von der zuständigen Behörde für allgemein verbindlich erklärt werden (Bundesgesetz über die Allgemeinverbindlicherklärung von Gesamtarbeitsverträgen vom 28. 9. 1956).
R. Furter: Kollektives Arbeitsrecht u. Wirtschaftsrecht (Bern 1982);
W. Möx: Arbeits- u. Tarifrecht (151989);
W. Wonneberger: Die Funktionen der Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen (1992);
S. Rotter: Nachwirkung der Normen des T. (1992);
W. Däubler: Tarifvertragsrecht (31993);
W. Hromadka u. a.: Der Tarifwechsel (1996);
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Ta|rif|ver|trag, der: Vertrag zwischen Arbeitgeber u. Gewerkschaft über Löhne u. Gehälter sowie über Arbeitsbedingungen.
Universal-Lexikon. 2012.