Akademik

Biophysik
Bio|phy|sik 〈f. 20; unz.〉 Wissenschaft von den physikal. Vorgängen in Lebewesen [<grch. bios „Leben“ + Physik]

* * *

Bio|phy|sik [auch: 'bi:o… , auch, österr. nur: …(')zɪk], die:
1. Wissenschaft von den physikalischen Vorgängen in u. an Lebewesen.
2. Physik, die im medizinischen Bereich angewendet wird (z. B. bei der Strahlenbehandlung u. beim Strahlenschutz).

* * *

Biophysik,
 
interdisziplinäre Naturwissenschaft, die sich im Grenzbereich zwischen Physik und physikalischer Chemie einerseits und Biologie, Medizin und Biochemie andererseits seit den 1930er-Jahren herausgebildet hat und die mit Methoden der Physik die verschiedenen biologischen Systeme und Erscheinungsformen (wie Organismen, Organe, Gewebe, Zellen, Zellorganellen und Biomoleküle) untersucht sowie ihre Struktur, ihre Funktionen und die in ihnen ablaufenden Vorgänge, energetische Wechselbeziehungen, Informations- und Regelmechanismen mithilfe physikalischer Begriffe, Vorstellungen, Prinzipien und Theorien zu beschreiben und zu erklären sucht. Darüber hinaus ist die moderne Biophysik durch die Anwendung der allgemeinen Systemtheorie, der Informationstheorie, der Regelungstheorie und der Kybernetik gekennzeichnet; außerdem bestehen enge Beziehungen zur medizinischen Physik, zur biomedizinischen Technik, zur Bionik und zur Elektromedizin. Die Biophysik fasst jedes lebende System als eine Einheit aus physikalischem System und biologischen Funktionen auf. Ihre Frage nach den physikalischen Parametern lebender Systeme führt zu den wissenschaftlichen Grundlagen für die Entwicklung neuer Methoden z. B. der medizinischen Diagnostik. Die bei der Suche nach physikalischen Analogiemodellen gewonnenen Erkenntnisse geben z. B. der Bionik Hinweise für die Konstruktion künstlicher Organe.
 
Man unterteilt die Biophysik nach der Methode in experimentelle und theoretische Biophysik, nach dem jeweiligen Forschungsgegenstand u. a. in die Biophysik des menschlichen Organismus (medizinische Physik), die Biophysik der Pflanzen beziehungsweise Tiere und die Strahlenbiophysik oder Strahlenbiologie, nach der Struktur der untersuchten lebenden Systeme in die molekulare Biophysik, die Biophysik der Zelle und die multizelluläre Biophysik der Organe, Organsysteme und Organismen. Daneben umfasst sie die Anwendung physikalischer und physikalisch-chemischer Methoden und Hilfsmittel in den biologischen Disziplinen.
 
Klassische Bereiche der Biophysik sind die Biomechanik und die Biorheologie, die bereits im vorigen Jahrhundert wichtige Ergebnisse erzielt haben (z. B. in der Hämodynamik), sowie die Bioakustik und die Biooptik. Neuere Bereiche sind die Bioenergetik und die Umweltbiophysik sowie die Thermodynamik offener Systeme und die Biophysik der Selbstorganisation und Evolution, die u. a. mithilfe der irreversiblen Thermodynamik und der Thermodynamik dissipativer Strukturen die Nichtgleichgewichtszustände lebender Organismen (als offene Systeme), die funktionelle und strukturelle Organisation der biologischen Systeme und Prozesse beziehungsweise die Selbstorganisation der Materie, die Entstehung und Evolution früher Lebensformen zu erfassen suchen. In die sich mit Zellverbänden, Organen und Organismen befassende multizelluläre Biophysik gehört neben der Hämodynamik die Biophysik des Zentralnervensystems und der Sinnesorgane. In der zellulären Biophysik werden die physikalischen Eigenschaften einzelner Zellen und Zellorganellen ermittelt und Vorstellungen über die Vorgänge des Zellwachstums, der Zellteilung, Erregbarkeit u. a. Zelleigenschaften erarbeitet. Sie untersucht u. a. auch die verschiedenen Transportprozesse durch Membranen einschließlich des Mechanismus der Erregungsleitung und der synaptischen Übertragung sowie die Energiegewinnung und -übertragung in den Zellen, wobei sie die von der molekularen Biophysik gefundenen Erkenntnisse heranzieht. Diese befasst sich mit der Bestimmung der Struktur und physikalischen Eigenschaften der Biomoleküle, ihrer strukturellen und chemischen Umwandlungen infolge physikalischer Einwirkungen sowie mit den Gleichgewichten und der Kinetik der molekularen biologischen Prozesse. Da Biomoleküle, Zellorganellen und Zellen hochorganisierte Systeme bilden, die über komplexe Regel- und Steuersysteme zusammenarbeiten, ist hier die Kybernetik heranzuziehen. Ein weiteres Arbeitsgebiet der Biophysik ist die Einwirkung physikalischer Agenzien auf biologische Objekte und die Erforschung ihrer Auswirkungen; es umfasst die Einwirkung aller Arten elektromagnetischer Strahlung, besonders aber die Einwirkung energiereicher ionisierender Strahlung wie Röntgenstrahlen und Teilchenstrahlen (v. a. Alpha- und Betastrahlen) als Forschungsbereich der Strahlenbiophysik oder Strahlenbiologie. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse haben wesentlich auch die Entwicklung der Strahlentherapie und der Genetik beeinflusst.
 
Ein wesentlicher Aspekt der Biophysik ist die Anwendung moderner physikalischer Methoden. So haben die Elektronen- und Rastermikroskopie die Untersuchung besonders kleiner Strukturen (z. B. Zellorganellen, Viren, Phagen) und ihrer Veränderung bei Einwirkung physikalischer Agenzien sowie die Sichtbarmachung von Protein- und Nukleinsäuremolekülen ermöglicht. Mithilfe der Röntgenstrukturanalyse konnte die Struktur wichtiger Biomoleküle (z. B. der DNA als der Trägerin der genetischen Information) aufgeklärt werden. Zur Anwendung kommen heute optische Beugungsmethoden, die Streuung von Licht-, Röntgen-, Elektronen- und Neutronenstrahlen, die Absorptions- und Fluoreszenzspektroskopie, die Spektralphotometrie, die photoakustische Spektroskopie sowie besonders die Elektronenspinresonanz-(ESR-) und die Kernresonanz-(NMR-)Spektroskopie. Sie ermöglichen u. a. die Untersuchung von Wechselwirkungen und Bindungen in den biologischen Strukturen (z. B. Wasserstoffbrückenbindungen in den Biomolekülen, die Protein-Liganden-Wechselwirkungen), von Charge-Transfer-Reaktionen, Konformationsumwandlungen in Biomolekülen, Elektronen- und Protonenleitung, Photoreaktionen, Phosphorylierungen und Energieübertragungsreaktionen sowie Auswirkungen von Strahleneffekten. Durch Indikatormethoden wird die Untersuchung von Stoffwechsel, Stofftransport u. a. ermöglicht. Ein neuerer Zweig der Biophysik befasst sich mit der Kombination von Immobilisierungstechniken (Methoden zur Einschränkung der Beweglichkeit und Löslichkeit) von Enzymen oder Zellen mit Feldeffekttransistoren zur Entwicklung von Biosensoren.
 
Literatur:
 
J. Breckow u. R. Greinert: B. Eine Einf. (1994).

* * *

Bio|phy|sik [auch: 'bi:o-], die: 1. Wissenschaft von den physikalischen Vorgängen in u. an Lebewesen. 2. medizinisch angewendete Physik (z. B. Strahlenbehandlung u. -schutz).

Universal-Lexikon. 2012.