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Genetik
Vererbungslehre

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Ge|ne|tik 〈f. 20; unz.〉
1. 〈i. w. S.〉 Wissenschaft von der Entstehung der Organismen
2. 〈i. e. S.〉 Lehre von der Vererbung; Sy Vererbungslehre, 〈veraltet〉 Erbbiologie
[→ Genesis]

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Ge|ne|tik [ Gen], die; -; Syn.: Vererbungslehre: Teilgebiet der Biologie, das sich mit Struktur u. Funktion der Gene u. mit den Gesetzmäßigkeiten bei Erhaltung, Weitergabe u. Ausprägung der genetischen Information (Erbanlagen) befasst.

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Ge|ne|tik, die; - [zu griech. génesis, Genese] (Biol.):
Wissenschaft, die sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung von Merkmalen u. mit den grundlegenden Phänomenen der Vererbung im Bereich der Moleküle befasst; Vererbungslehre.

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I
Genetik
 
(Vererbungslehre, Erbkunde, Erbbiologie, Erblehre), Teilgebiet der Biologie und als Humangenetik auch der Medizin. Die klassische Genetik befasst sich vorwiegend mit den formalen Gesetzmäßigkeiten bei der Vererbung von Merkmalen, die z. B. mit den Mendel-Regeln (mendelschen Regeln) und ihren Ausnahmen erklärt werden können. Die Molekulargenetik erforscht die Phänomene der Vererbung auf der Basis der Nukleinsäuren, die die Träger der genetischen Information sind.
 
Siehe auch: Gene.
II
Genetik
 
die, -, Vererbungslehre, Erbbiologie, Lehre von der Vererbung und der Realisierung der Erbanlagen bei der Entstehung und dem Systemerhalt von Organismen. Die klassische Genetik erforscht die Grundelemente der Vererbung und deren strukturelle und räumliche Organisation in der Zelle sowie die Prinzipien der Verteilung des Erbmaterials bei mitotischen und meiotischen Zellteilungen. Nach den untersuchten Objekten und der Methodologie haben sich Teilgebiete der klassischen Genetik herausgebildet: Für die Zytogenetik stehen dabei die Typisierung von Chromosomen und deren Anomalien im Mittelpunkt des Interesses, die Humangenetik befasst sich speziell mit den Vererbungsvorgängen beim Menschen, die Populationsgenetik mit den Gesetzmäßigkeiten der Weitergabe und Zusammensetzung genetischer Elemente in Gruppen (Populationen) von Individuen und die Verhaltensgenetik mit der genetischen Basis tierischen und menschlichen Verhaltens. Erweitert wurde die klassische Genetik durch die molekulare Genetik (Molekulargenetik, oft auch ungenau als Molekularbiologie bezeichnet), die mit biochemischen Methoden die chemische Struktur und den Stoffwechsel des genetischen Materials (Nukleinsäuren) sowie die Codierung und differenzielle Ausprägung der genetischen Information aufklärt. Eine strikte Trennung zwischen diesen Teilgebieten der Genetik ist allerdings unmöglich. Unter Ausnutzung der Ergebnisse der klassischen und molekularen Genetik beschäftigt sich die angewandte Genetik mit der Züchtung von Pflanzen und Tieren mit bestimmten erwünschten (und ohne unerwünschte) Eigenschaften und mit Abstammungsprüfungen sowie genetische Beratungen.
 
Geschichte:
 
Schon sehr früh wurde die Bedeutung von Vererbung im Sinne der Weitergabe von Merkmalen erkannt, wie die im Talmud zu findenden Regeln beweisen, dass die Beschneidung neugeborener Knaben nicht erfolgen sollte, wenn deren ältere Brüder oder Onkel mütterlicherseits an Hämophilie erkrankt waren. Auch zum Erbgang der Polydaktylie finden sich schon im ausgehenden 18. Jahrhundert bei Maupertius Hinweise. Sicher lassen auch die seit Jahrtausenden betriebenen Züchtungen von Pflanzen und Tieren auf genetische Erkenntnisse schon in sehr frühen Kulturen schließen. Allgemein wird die Geburtsstunde der Genetik als Wissenschaft aber mit den Arbeiten J. G. Mendels in Verbindung gebracht. 1865 veröffentlichte dieser seine Ergebnisse über die Vererbung verschiedener Merkmale bei der Erbse. J. G. Mendels Befunde gerieten nach Anfeindungen jedoch wieder in Vergessenheit und wurden erst 1900 von C. E. Correns, H. de Vries und E. Tschermak neu entdeckt. Im selben Jahr wie J. G. Mendel ließ F. Galton seine Schrift über die Erblichkeit von Talent und Charakter erscheinen, in der auch eugenische Maßnahmen (Eugenik) zur Verbesserung der genetischen Qualität der menschlichen Gesellschaft gefordert wurden. Während J. G. Mendels Arbeiten die Basis der experimentellen Genetik bildeten, begann mit dem Werk F. Galtons eine empirisch humangenetisch ausgerichtete Forschung, die sich v. a. statistischer Methoden bedient. Die Lokalisierung der Erbeigenschaften im Zellkern gelang 1875 O. W. A. Hertwig, der die Verschmelzung von mütterlichen und väterlichen Zellkernen bei der Befruchtung beobachtete. 1888 wurde für die in Zellkernen anfärbbaren Körperchen die Bezeichnung Chromosomen eingeführt. Dass die in den Chromosomen enthaltenen, bereits 1871 von F. Miescher (* 1844, ✝ 1895) isolierten Nukleinsäuren die stoffliche Grundlage der Erbinformation darstellen, konnte erst durch die Experimente von F. Griffith zur Transformation von Bakterien (1928) und von O. T. Avery und Mitarbeitern mit der Identifizierung von Desoxyribonukleinsäure als dem transformierenden Agens (1944) bewiesen werden. 1953 gelang J. D. Watson und F. H. C. Crick die Aufklärung der räumlichen Struktur der DNA und 1961 die Aufklärung des genetischen Codes durch M. W. Nirenberg, S. Ochoa u. a. 1970 erfolgte die erste Laborsynthese eines vollständigen Gens durch Khorana und 1976 die erste Synthese einer DNA mit nachweisbarer biologischer Aktivität. Bereits 1962 hatte W. Arber die Restriktionsendonukleasen entdeckt, die später zu wichtigen Werkzeugen der Molekulargenetik wurden und die Gentechnologie ermöglichten. Sie erlaubte die speziesüberschreitende Rekombination von Erbmaterial (1974). Noch bis in die 70er-Jahre galt das Genom eines Organismus als stabil und statisch, 1983 wurden jedoch die von B. McClintock schon 1947 beschriebenen, sich verlagernden genetischen Elemente (»springende Gene«, transponierbare Elemente) erstmals isoliert.
 
Mit der durch die molekulare Genetik möglich gewordenen Entdeckung von DNA-Polymorphismen (Variationen der Nukleotidsequenz homologer Chromosomenbereiche) wurde nach 1980 die klassische Genetik durch die reverse Genetik ergänzt. Diese erlaubt die Identifizierung von Genen anhand eines gegebenen Phänotyps auch ohne Kenntnis des den Phänotyp bestimmenden Genproduktes. In der medizinischen Genetik haben die Methoden der reversen Genetik beachtliche Erfolge erreicht, z. B. durch die Charakterisierung der defekten Gene bei erblichen Muskeldystrophien und der Mukoviszidose. Auf der Genetik als Grundlage basieren auch die besonders seit dem Jahr 2000 mit der »Genom-Entschlüsselung« ins öffentliche Interesse gerückte Genomforschung und dieGenomprojekte.
 
Literatur:
 
F. Leibenguth: Züchtungs-G. (1982);
 M. W. Strickberger: G. (a. d. Engl., 1988);
 T. A. Brown: Moderne G. (a. d. Engl., 1993);
 
Molekularbiologie der Zelle, bearb. v. B. Alberts u. a. (a. d. Engl., 31995, mit Diskette);
 W. Hennig: G. (1995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Vererbungsregeln: Die chromosomale Vererbung
 
Genetik: Chemischer Aufbau und Funktion der Gene
 
Gentechnik: Identifizierung und Lokalisierung von Genen
 
Gentechnik: Zerschneiden und Verbinden von DNA
 
Gentechnik: Klonierung von Genen
 
Gentechnik: Bestimmung der Basensequenz
 
Gentechnik: DNA-Synthese und PCR
 
Gentechnik: Hybridisierungsverfahren
 

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Ge|ne|tik, die; - [zu griech. génesis, ↑Genese] (Biol.): Wissenschaft, die sich mit den Gesetzmäßigkeiten der Vererbung von Merkmalen u. mit den grundlegenden Phänomenen der Vererbung im Bereich der Moleküle befasst; Vererbungslehre: allgemeine, biochemische, klinische G.; Humangenetik bedeutet Erblehre des Menschen. Sie ist als solche ein Spezialgebiet der G. (Medizin II, 81).

Universal-Lexikon. 2012.