Treu und Glauben,
lateinisch bọna fịdes, Rechtsgrundsatz, wonach von jedem ein Verhalten gefordert wird, das von redlich und anständig denkenden Menschen unter den gegebenen Umständen an den Tag gelegt würde. Nach § 242 BGB ist bei Schuldverhältnissen der Schuldner verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie es T. und G. mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern. Einen entsprechenden Grundsatz stellt § 157 BGB für die Auslegung von Verträgen auf. Darüber hinaus ist durch Lehre und Rechtsprechung T. und G. ein allgemeines Prinzip unserer Rechtsordnung. Es verbietet die missbräuchliche Ausnutzung formaler Rechtsstellung (Missbrauch, v. a. Verbot der Schikane), bestimmt die Erweiterung der Leistung auf Nebenpflichten (Schutz-, Anzeige-, Unterlassungs-, Vorbereitungs-, Mitwirkungspflichten, z. B. ist Ware auch ohne ausdrückliche Vereinbarung ordnungsgemäß zu verpacken) und begründet schon mit dem Eintritt in Vertragsverhandlungen ein vertragsähnliches Vertrauensverhältnis. Weiterhin ist auf seiner Grundlage die Lehre von der Umgestaltung der durch die tatsächlichen Verhältnisse überholten Rechtsverhältnisse (Geschäftsgrundlage) sowie die Lehre von der Verwirkung bestehender Rechte entwickelt worden. Einen Verstoß gegen den Grundsatz von T. und G. hat der Richter von Amts wegen zu berücksichtigen; dieser steht der Rechtswirksamkeit der entsprechenden Handlung oder Erklärung entgegen.
Das österreichische Recht kennt keine dem § 242 BGB entsprechende Generalklausel, enthält aber ähnliche Bestimmungen für die Auslegung von Willenserklärungen und Verträgen (§§ 863, 914 ABGB). Darüber hinaus ist der Grundsatz von T. und G. als allgemeines Prinzip anerkannt. - In der Schweiz bestimmt Art. 2 ZGB ähnlich wie in Deutschland, dass jedermann in der Ausübung seiner Rechte und in der Erfüllung seiner Pflichten nach T. und G. zu handeln hat.
Universal-Lexikon. 2012.