Ge|ne 〈Pl. von〉 Gen
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Gene 〈[ʒɛ:n] f.; -; unz.; geh.〉 (selbst auferlegter) Zwang, Unbehaglichkeit, Schüchternheit, Scham [<frz. gêne „Marter, Qual, Zwang“]
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I Gene
(Erbanlagen, Erbfaktoren), Einheiten der Vererbung, die in den Chromosomen im Zellkern liegen und in ihrer Gesamtheit (Genom) das Erbgut eines Menschen bilden. Die Molekulargenetik definiert das Gen als einen einzelnen Abschnitt auf einem viele Gene umfassenden Molekül, der Desoxyribonukleinsäure (Abkürzung DNS, heute häufig DNA genannt von englisch deoxyribonucleic acid). Die DNS besteht aus einem langen Doppelstrang, in dem sich Zuckermoleküle (Desoxyribose) und Phosphatreste abwechseln und der durch quer stehende Basenpaare zusammengehalten wird. Die Abfolge der Basenpaare enthält die Information.
Da jede Körperzelle einen diploiden (doppelten) Chromosomensatz hat, besitzen wir in jeder Zelle von jedem Gen zwei Allele, die oft nicht identisch sind, da es verschiedene Variationen eines Gens geben kann. Einzige Ausnahme sind im männlichen Geschlecht die Gene auf den zwei verschiedenen Geschlechtschromosomen X und Y, die beide nur einmal vorhanden sind. Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung werden Gene beider Eltern mit den Keimzellen auf die Nachkommen vererbt, wobei sowohl in der Eizelle als auch im Spermium durch die vorangegangene Reifeteilung von jedem Chromosomenpaar nur ein Chromosom vorhanden ist, sie sind haploid.
Ein Gen enthält die genetische Information für die Bildung einer jeweils spezifischen Polypeptidkette, so z. B. für ein Struktureiweiß oder ein Enzym. Dadurch steuern die Gene die Stoffwechselvorgänge der Zellen in den Geweben und Organen. Sie steuern damit Entwicklung und Wachstum und alle Lebensvorgänge eines Menschen. Die nahe Verwandtschaft zu den Schimpansen und Bonobos (Zwergschimpansen) zeigt sich dadurch, dass wir Menschen 98 bis 99 % der Gene mit ihnen gemeinsam haben, wodurch auch die Verwandtschaft in vielen Verhaltensweisen begründet werden kann. Neben den Genen im Genom gibt es auch plasmatische Gene, z. B. in den Mitochondrien, die aber beim Menschen eine sehr geringe Rolle spielen.
Wenn sich ein Gen, das heißt die DNS sich chemisch verändert, nennt man das einen Erbsprung (Mutation). Das geschieht in der Natur spontan, wird aber auch durch Mutagene wie ionisierende Strahlen und eine Reihe chemischer Substanzen bewirkt (Chromosomenanomalien).
Siehe auch: Vererbung.
Gene
[zu griechisch génos »Geschlecht«, »Gattung«], Singular Gen das, -s, Erbanlagen, von W. L. Johannsen (* 1857, ✝ 1927) im Jahr 1909 eingeführter Name für die ursprünglich rein formalen genetischen Einheiten der Vererbung eines Merkmals von einer Generation auf die nächste; später molekular definierte Einheiten der Vererbung. Die Gesamtheit aller Gene wird als Genom bezeichnet. Ein Gen bestimmt (neben Umwelteinflüssen) die Ausbildung eines bestimmten Merkmals (Phän) im Erscheinungsbild (Erbanlage, Erbfaktor) und wird erkennbar durch das Vorkommen alternativer Formen (Allele) für dieses Merkmal. Die Gene liegen in linearer Anordnung auf den Chromosomen, jedes Gen nimmt auf dem Chromosom oder den anderen Gene tragenden Strukturen (extrachromosomale DNA, z. B. in Mitochondrien, Plastiden) einen ganz bestimmten Platz ein (Genort, Genlocus).
Während früher ein Gen mit dem Chromosomenabschnitt gleichgesetzt wurde, der die Information für ein Protein enthält (Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese), versteht man heute unter Gen eine Nukleotidsequenz innerhalb der Desoxyribonukleinsäure (DNA; bei RNA-Viren innerhalb der Ribonukleinsäure), die die Information für mindestens ein Genprodukt (eine RNA oder ein Polypeptid) enthält. Den codierenden Nukleotidsequenzen (Strukturgene) sind regulatorische Sequenzen (Regulatorgene) vor- oder nachgeschaltet, die als Signalstrukturen für einen korrekten Ablauf der Transkription sorgen. Strukturgene bei Eukaryonten sind unterteilt in Exone (Abschnitte, die in reifer RNA repräsentiert sind) und Introns (nicht codierende zwischen den Exonen liegende Abschnitte), die während der Prozessierung der mRNA herausgeschnitten werden (Spleißen). Viren haben überlappende Gene; eine Nukleotidsequenz kann durch Änderung des Leserasters in zwei verschiedene Polypeptide übersetzt werden.
Alle somatischen Zellen eines Individuums haben, von Ausnahmen abgesehen (reife Lymphozyten, Mosaikindividuen, Gynander), denselben Genotyp. Die Veränderung eines Gens durch Mutation führt zu unterschiedlichen Allelen, die sich zueinander dominant oder rezessiv verhalten.
Beim Menschen wird die Anzahl der Gene (Stand Februar 2001) in einem Zellkern auf etwa 30 000 bis 40 000 geschätzt, damit hätte der Mensch nur etwa doppelt so viele Gene wie der Fadenwurm Caenorhabditis elegans. Trotzdem ist die Gesamtheit der menschlichen Proteine (das Proteom) wesentlich komplexer als bei niederen Tieren, da viele Gene des Menschen in mehrere RNA- und Eiweißvarianten übersetzt werden. Die Größe von Genen kann erheblich variieren, die meisten Gene weisen Größen von 300-3 000 Basenpaaren auf. Das größte bekannte Gen ist das die Dystrophien codierende DMD-Gen, dessen Mutation die erbliche Muskeldystrophien vom Typ Duchenne oder Becker bewirkt. Mit einer Größe von etwa 2,4 Mio. Basen nimmt es allein etwa 0,1 % des gesamten menschlichen Genoms ein.
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
Chromosomen · genetischer Code · Genomprojekt · Genregulation · Gentechnologie · Human-Genom-Projekt · Nukleinsäuren · Proteinbiosynthese · Vererbung
Gene function in prokaryotes, hg. v. J. Beckwith u. a. (Gold Spring Harbor, N. Y., 1983);
Advanced molecular genetics, hg. v. A. Pühler u. a. (Berlin 1984);
E.-L. Winnacker: G. u. Klone (1984);
B. Lewin: G. (a. d. Engl.,21 1991);
R. Knippers: Molekulare Genetik (71997).
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
Genetik: Chemischer Aufbau und Funktion der Gene
Gentechnik: Identifizierung und Lokalisierung von Genen
Gentechnik: Zerschneiden und Verbinden von DNA
Gentechnik: Klonierung von Genen
Gentechnik: Bestimmung der Basensequenz
Gentechnik: DNA-Synthese und PCR
Gentechnik: Hybridisierungsverfahren
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Gene [ʒɛ:n], die; - [frz. gêne, veraltet auch: Folter < afrz. gehine = das durch Folter erpresste Geständnis] (veraltet): [selbst auferlegter] Zwang; Unbehagen, Unbequemlichkeit.
Universal-Lexikon. 2012.