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Evolutionismus
Evo|lu|ti|o|nịs|mus 〈[ -vo-] m.; -; unz.〉 Forschungsrichtung der Völkerkunde im 19. Jh., die unter dem Eindruck der naturwissenschaftl. Forschungen den Gedanken vertrat, dass alle Kulturerscheinungen sich nach bestimmten Gesetzmäßigkeiten aus einem Urzustand heraus entwickelt hätten

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Evo|lu|ti|o|nịs|mus, der; -:
vom Gedanken der Evolution ausgehende naturphilosophische Richtung des 19. Jahrhunderts.

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Evolutionịsmus
 
der, -,  
 1) Philosophie: eine die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts beherrschende philosophische Strömung, die in H. Spencer ihren wichtigsten Vertreter fand. Der Evolutionismus betrachtet die Philosophie als die vereinheitlichte, wissenschaftliche begründete Erkenntnis höchster Stufe. Ihr kommt universelle Geltung zu. Das dem Universum zugrunde liegende Gesetz - das die Philosophie formuliert - ist die Evolution, die unspezifisch als Ausgleich zwischen antagonistischen Kräften begriffen wird.
 
Literatur:
 
H. Spencer: System der synthet. Philosophie, 11 Bde. (a. d. Engl., 1876-1906).
 
 2) In der Völkerkunde übertrug die evolutionistische Richtung die von den biologischen Evolutionstheorien gewonnenen Erkenntnisse auf die Kulturgeschichtsforschung. Nach dieser Auffassung hat sich die menschliche Kultur stufenförmig von einer primitiven Urkultur bis zur hoch spezialisierten Industriegesellschaft des 19. Jahrhunderts entwickelt. Anhand ethnographischen Materials stellte L. H. Morgan eine von ihm als allgemein verbindlich erachtete Entwicklungsreihe mit den drei Hauptstufen Wildheit, Barbarei und Zivilisation auf, in denen sich technischer, wirtschaftlicher, sozialer und geistiger Fortschritt der Menschheit vollzogen haben soll. So wurden z. B. für den religiösen Bereich die Entwicklungsreihe Präanimismus - Animismus - Polytheismus - Monotheismus, für die Sozialordnung die Eheformen allgemeine Promiskuität - zunächst mutterrechtliche, dann vaterrechtliche Polygamie - Monogamie aufgestellt. Auch E. B. Tylor glaubte an einen einlinigen Evolutionsablauf, wobei sich »barbarische« und »zivilisierte« Gesellschaften in verschiedenen Stadien ihres natürlichen Wachstums befinden.
 
Diese Theorie des »klassischen Evolutionismus«, die jede Möglichkeit äußerer Beeinflussung sowie einer rezessiven Kulturentwicklung verneint und die Vielzahl der abhängigen Variablen, die zur Beschreibung einer Gesellschaft notwendig sind, vernachlässigt, wurde bald als unhaltbar betrachtet. Einen neuen kritischen Ansatz machte J. H. Steward mit seiner multilinearen Evolutionstheorie. Neoevolutionistische Theorien werden v. a. von dem amerikanischen Ethnologen L. A. White und von den auf Morgan zurückgehenden sowjetischen Ethnologen vertreten.
 
Literatur:
 
L. A. White: The evolution of culture (New York 1959);
 R. Schott: Der Entwicklungsgedanke in der modernen Ethnologie, in: Saeculum, Jg. 12 (1961); M. Harris: The rise of anthropological theory (New York 1968);
 W. E. Mühlmann: Gesch. der Anthropologie (31984);
 
Sprache, Symbole u. Symbolverwendungen in Ethnologie, Kulturanthropologie, Religion u. Recht, hg. v. W. Krawietz u. a. (1993).

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Evo|lu|ti|o|nịs|mus, der; -: vom Gedanken der Evolution ausgehende naturphilosophische Richtung des 19. Jahrhunderts.

Universal-Lexikon. 2012.