Konfuzius,
latinisiert aus Kongfuzi, K'ung-fu-tzu [»Meister Kong«], eigentlich Kong Qiu [-tʃ-], K'ung Ch'iu, chinesischer Philosoph, * Qufu 551, ✝ ebenda 479 v. Chr.; lebte in einer Umbruchszeit, in der sich das alte chinesische Feudalreich in Einzelstaaten auflöste und die Glaubwürdigkeit des darauf bezogenen mythologisch-religiösen Wertsystems infrage gestellt wurde. Konfuzius entstammte dem Kleinadel, führte ein Wanderleben, sammelte eine wechselnde Schar von Schülern um sich und erstrebte die Neuerrichtung des alten Feudalreiches auf ethischer Grundlage. Er hinterließ zwar keine eigenen Werke, bemühte sich aber offenbar um die Redigierung der »Fünf Klassiker« (Konfuzianismus). Seine Lehre ist in dem Buch über die »Gespräche« (Lun-yu) niedergelegt, die er mit seinen Schülern führte. Ob er hoffte, aufgrund seiner (alle politischen Positionen ausschließlich moralisch legitimierenden) Lehre selbst Herrscher zu werden, ist nicht geklärt. Er wurde jedoch seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. als ein geistiger König angesehen; dabei wirkte offenbar auch eine ältere Tradition mit, die eine moralische Erneuerung des Staates durch eine bedeutende Persönlichkeit für alle 500 Jahre erwartete. In diesem Zusammenhang erscheint Konfuzius sogar als ein Welterlöser, der den Verfall der Ordnung rückgängig zu machen imstande war. 174 v. Chr. opferte der chinesische Kaiser erstmals auf dem noch heute erhaltenen Grab des Konfuzius in Qufu, 555 n. Chr. ordnete ein Edikt die Errichtung von Tempeln für Konfuzius in jeder Provinzhauptstadt an, und noch 1906 stellte ein Erlass ihn mit den höchsten Gottheiten gleich, eine Verehrung, die in Taiwan weitergeführt wird. Diese religiöse Einordnung über das Kultische hinaus blieb jedoch im Wesentlichen auf die letzten zwei Jahrhunderte v. Chr. beschränkt. Als »Heiliger« schlechthin gewann Konfuzius jedoch in zahlreichen Schriften einen an Mystisches grenzenden Stellenwert. Während in der Moderne Gelehrte wie Kang Youwei in ihm einen »Reformer« sahen, erschien er seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts in der Beurteilung durch radikale Intellektuelle wiederholt als Negativfigur, der die Rückständigkeit und Schwäche Chinas angelastet wurde. Einen besonderen Höhepunkt bildete in dieser Hinsicht die Kampagne »Kritik an Konfuzius und Lin Biao« (Kulturrevolution), die allerdings auch rein politische Gründe (indirekter Angriff auf Zhou Enlai) besaß. Nach 1976 wurde Konfuzius wieder aufgewertet und als aufgeklärter, um die Staatsordnung verdienter Geist herausgestellt.
R. Wilhelm: Kung-tse. Leben u. Werk (21950);
B. Staiger: Das K.-Bild im kommunist. China (1969);
D. H. Smith: Confucius (London 1973);
K. Materialien zu einer Jahrhundert-Debatte, hg. v. J. Schickel (1976);
H. Roetz: K. (1995).
Universal-Lexikon. 2012.