Be|zugs|sys|tem 〈n. 11〉 oV Bezugsystem
1. 〈Math.〉 Koordinatensystem, auf das bestimmte Werte bezogen werden
2. 〈Psych.〉 System von Normen, die sich ein Mensch im Lauf seiner Entwicklung durch Erfahrung u. Erkennen aneignet u. aufgrund dessen er wertet u. urteilt
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Be|zugs|sys|tem, Bezugsystem, das:
1. zugrunde liegendes Koordinatensystem.
2. zugrunde liegendes System, Ganzes (von Beziehungen, Überzeugungen usw.).
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Bezugssystem,
1) Physik: ein mithilfe realer physikalischer Normale (wie starre Maßstäbe und Uhren) festgelegtes Koordinatensystem, das bei der Messung oder mathematische Beschreibung eines physikalischen Sachverhalts zugrunde gelegt wird; z. B. ein räumliches Bezugssystem bei der Angabe der räumlichen Lage von Körpern, wobei die Lageangaben durch Ortsmessungen mithilfe starrer Maßstäbe erhalten werden. Zu räumlich-zeitlichen Bezugssystemen, in denen auch Bewegungsvorgänge gemessen oder beschrieben werden können, gehören außerdem mit dem räumlichen Koordinatensystem fest verbundene Uhren; Zeitvergleiche erfolgen z. B. mithilfe von Lichtsignalen.
Die Wahl des Bezugssystems ist weitgehend beliebig; ein durch räumlich und zeitlich unveränderliches Gegebenheiten festgelegtes absolutes Bezugssystem gibt es nicht. In der Strömungslehre z. B. verwendet man bei der Beschreibung von strömenden Fluiden neben ortsfesten Bezugssystemen auch solche, die sich mit den Fluidteilchen mitbewegen. Beim Übergang von einem Bezugssystem zu einem anderen müssen die Messergebnisse sowie die den physikalischen Gegebenheiten zugrunde liegenden Gesetze mit derselben Koordinatentransformation transformiert werden, die das eine Koordinatensystem in das andere überführt. Von besonderer Bedeutung sind die als Inertialsysteme bezeichneten, sich gleichförmig gegeneinander bewegenden Bezugssystemen, in denen ein kräftefreier Körper nach dem Trägheitsgesetz sich ebenfalls geradlinig und gleichförmig bewegt. Der Übergang zwischen diesen Bezugssystemen erfolgt in der klassischen Mechanik durch Galilei-Transformationen, in der Relativitätstheorie und Elektrodynamik durch Lorentz-Transformationen, wobei die Gesetze dieser physikalischen Theorien unverändert bleiben. In nichtinertialen Bezugssystemen (jedes fest mit der rotierenden Erde verbundene Bezugssystem) erscheint eine kräftefreie Bewegung beschleunigt; es treten Schein- oder Trägheitskräfte auf. Bei vielen Betrachtungen spielt die Erdrotation jedoch nur eine untergeordnete Rolle, und Bezugssysteme wie das Laborsystem und das Schwerpunktsystem können näherungsweise als inertiale Bezugssysteme angesehen werden.
2) Psychologie: Frame of reference ['freɪm ɔv 'refrəns, englisch]. Jegliches Erleben und Beurteilen geschieht unter Bezug auf ein System von Werten und Normen, von Bedeutungen und Erfahrungen, die sich im Lauf der individuellen Entwicklung herausbilden. Insofern sind alle wahrnehmbaren oder erlebbaren Erscheinungen von einem Bezugssystem abhängig und von ihm her verständlich, auch wenn der vergleichende Charakter des Urteils nicht unmittelbar gegenwärtig ist. So können alle erlebnishaft absoluten Eigenschaften (oben, warm, laut, süchtig, klug, spät u. a.) und absolut scheinende Zustände (wie aufrecht stehend, ruhend, veränderlich) sowie Teilfunktionen (z. B. Sockel, Auftakt, Leitton, Synkope) nur von einem psychologischen Bezugssystem aus bestimmt werden, wobei ein erlebter Durchschnittswert als Nullpunkt dient (W. Metzger). Besonders die Gestaltpsychologie (u. a. M. Wertheimer, K. Koffka) und die Sozialpsychologie (Bezugsgruppe) haben sich mit der Entstehung und Struktur von Bezugssystemen beschäftigt, und die verstehende Psychologie hat auf die individualspezifischen Bedeutungs- und Wertzusammenhänge hingewiesen.
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Be|zugs|sys|tem, Bezugsystem, das: 1. zugrunde liegendes Koordinatensystem. 2. zugrunde liegendes System, Ganzes (von Beziehungen, Überzeugungen usw.): Zu fixieren ist, dass Bechers Heimatbegriff als sozialpolitisches B. verstanden werden will (Raddatz, Traditionen I, 87).
Universal-Lexikon. 2012.