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Atmung
At|mung 〈f. 20; unz.〉 das Atmen ● künstliche \Atmung Erweiterung u. Verengung der Lungen durch Zusammenpressen des Brustkorbes von Hand od. maschinell (bei Verunglückten, an Kinderlähmung Erkrankten usw.)

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At|mung, die; -:
das Atmen:
künstliche A.;
die A. beschleunigt sich.

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Atmung,
 
Respiration, die Gesamtheit aller Prozesse, die an der Aufnahme des Sauerstoffs (O2) aus der Luft oder dem Wasser sowie an der Abgabe von Kohlendioxid (CO2) beteiligt sind. In der Physiologie der Atmung kann man drei wesentliche Prozesse unterscheiden: 1) den Gasaustausch zwischen Atemmedium und respiratorische Oberfläche (äußere Atmung), 2) den Gastransport durch die Körperflüssigkeiten und den Austausch mit den Zellen (innere Atmung), 3) die biologische Oxidation durch Sauerstoff in der Atmungskette der Mitochondrien (Zellatmung). Die Atmung ist kein aktiver Transport, sondern sie ist ein Diffusionsprozess.
 
 Die Atmung der Pflanzen
 
Bei den Pflanzen verläuft die Atmung (hier auch als Dissimilation bezeichnet) neben der Assimilation, besonders der lichtabhängigen Kohlenstoffassimilation (Photosynthese); sie ist formal deren Umkehrung und findet in allen (auch den chlorophyllfreien) Zellen ununterbrochen, also auch nachts statt. Bei der äußeren Atmung erfolgt die O2-Zufuhr und CO2-Abgabe in Hohlraumsystemen (Interzellularen) mit charakteristischen Ein- und Austrittsöffnungen (Spaltöffnungen, Lentizellen) oder besonderen Durchlüftungsgeweben (z. B. Luftwurzeln, Atemwurzeln, bei Wasserpflanzen Aerenchym). Durch die innere Atmung (Zellatmung) werden unter Verbrauch von Sauerstoff hochmolekulare organische Stoffe, in der Regel Zucker, veratmet, im Allgemeinen nur ein Drittel der am Tage durch Assimilation erzeugten Menge. Die in den organischen Substanzen gespeicherte Energie wird dabei freigesetzt. Endprodukte sind Kohlendioxid und Wasser. Die Atmung wird durch höhere Temperaturen, zum Teil auch durch Licht gesteigert, durch tiefere Temperaturen gemindert und kommt bei sehr tiefen Temperaturen fast zum Stillstand (Anabiose). Auch Sauerstoffmangel kann die Atmungsintensität verringern.
 
 Die Atmung der Tiere
 
Bei sehr kleinen Tieren mit geringer Stoffwechselaktivität reicht der Gasaustausch durch Diffusion über die Körperoberfläche zur Deckung des Sauerstoffbedarfs aus (Hautatmung), z. B. bei Einzellern, Schwämmen, Quallen, Plattwürmern und Egeln. Mit zunehmender Körpergröße nimmt das Verhältnis Oberfläche/Volumen ab und gleichzeitig der Energiebedarf zu, sodass für eine ausreichende Sauerstoffversorgung die Ausbildung eines Kreislaufsystems zur Verkürzung des Diffusionsweges erforderlich ist. Mit fortschreitender Evolution bildeten sich durch Spezialisierung bestimmter Körperteile für den Gasaustausch die Atmungsorgane aus. Trotzdem hat die Hautatmung bei einigen Tieren noch einen beträchtlichen Anteil am Gesamtgasstoffwechsel (akzessorische Hautatmung), z. B. bei Lungenschnecken rd. 70 %, Aal rd. 30 %, Mensch rd. 1,5 %; bei Vögeln und stark behaarten Säugetieren maximal 0,5 %. Einige Salamander haben ihre Lungen sekundär wieder zurückgebildet und atmen nur durch die Haut. Bei Fröschen kann im Sommer die Lungenatmung die Hautatmung weit übertreffen, während ihrer mehrmonatigen Winterruhe decken sie jedoch ihren Sauerstoffbedarf ausschließlich durch Hautatmung. Bei einigen Fischen und niederen Würmern wurde ein Gasaustausch im Darmkanal nachgewiesen (Darmatmung). - Während die Luft 21 % O2 enthält, beträgt der Sauerstoffgehalt in Wasser weniger als 1 %. Weiterhin verläuft die Diffusion von Gasen in Wasser wesentlich langsamer als in Luft, sodass Wassertiere durch Ventilation für eine ständige Erneuerung des Atemwassers sorgen müssen. Sie bewältigen diese Aufgabe mithilfe stark durchbluteter, dünnhäutiger Ausstülpungen der Körperoberfläche (Kiemenatmung). Die Ausbildung solcher Kiemen ist im Tierreich in unterschiedlichster Weise verwirklicht. Sie können frei an der Körperoberfläche liegen (z. B. die »Füßchen« der Seesterne und Seeigel, bei Wattwürmern fadenförmige Ausstülpungen) oder geschützt in einer Körperhöhle (z. B. bei Krebsen, Wasserschnecken, Muscheln, Tintenfischen, Fischen, auch die »Wasserlungen« der Seegurken). - Im Unterschied zu den Wassertieren haben landlebende Tiere durch Einstülpungen der Körperoberfläche Tracheen und Lungen ausgebildet. Während Kiemen und Lungen streng lokalisierte Organe sind, bei denen die Körperflüssigkeit den Gastransport übernimmt, sind die Tracheen fein aufgezweigte, sich zunehmend verjüngende Röhrensysteme (Tracheolen) mit einer nach außen verschließbaren Öffnung (Stigma), die der Atmungsregulation dient (Tracheenatmung), z. B. bei Insekten, Spinnentieren, Tausendfüßern. Der Sauerstoff wird ohne Zwischenschaltung von Körperflüssigkeit (Blut, Hämolymphe) direkt zu den verbrauchenden Zellen geführt. Daher sind auch bei den meisten landlebenden Insekten keine respiratorische Farbstoffe im Blut vorhanden. - Die Lungenatmung ist die typische Form luftatmender Tiere. Man unterscheidet Diffusions- und Ventilationslungen, bei denen die Atemluft rhythmisch erneuert wird. Die leistungsfähigsten Atmungsorgane im Tierreich haben die Vögel, deren Lungen mit fünf paarigen großen Luftsäcken in Verbindung stehen. Für höhere Tiere gilt allgemein, dass mit zunehmender Körpergröße die Atemfrequenz und die Stoffwechselintensität abnimmt.
 
 Die Atmung des Menschen
 
Die äußere Lungenatmung und die innere Zellatmung oder Gewebeatmung sind durch den Blutkreislauf verbunden. Der Aufnahme des Luftsauerstoffes dient die Lunge. Durch die Lungenbläschen (Alveolen, Oberfläche etwa 100 m2), die von einem dichten Kapillarnetz umsponnen sind, kommt die eingeatmete Luft mit dem Blut in engen Kontakt. Die roten Blutkörperchen, die O2 und CO2 transportieren, haben eine Oberfläche, die etwa das 2 000fache der Körperoberfläche beträgt. Die Verlangsamung des Blutstromes in den Lungenkapillaren ermöglicht rasche Aufladung des Blutes mit O2 und schnelle Abgabe des CO2 aus dem Blut, zumal Alveole und Blutgefäß nur eine dünne Gewebeschicht (etwa 1 μm Dicke) trennt.
 
Äußere Atmung: Das Zwerchfell tritt bei Einatmung tiefer, bei Ausatmung höher, der Brustkorb wird bei der Einatmung erweitert (Rippen und Brustbein werden gehoben, die Alveolen entfalten sich) und bei der Ausatmung verkleinert (Rippen und Brustbein senken sich, die Lungen ziehen sich durch Eigenelastizität zusammen). Die Einatmungsluft enthält 21 Volumenprozent O2 und 0,03 Volumenprozent CO2, die Alveolarluft, die in der späten Phase der Ausatmung abgegeben wird, rd. 14 Volumenprozent O2, 5,6 Volumenprozent CO2. Bei Atmung in Ruhe wird beim Erwachsenen etwa 16-mal in der Minute je 0,5 Liter Luft (Atemzugvolumen) hin- und herbewegt. Durch verstärkte Einatmung kann die Luftmenge beträchtlich vermehrt werden (Einatmungsreservevolumen), ebenso durch stärkste Ausatmung (Ausatmungsreservevolumen). Die Menge der bei stärkster Ein- und Ausatmung in der Lunge bewegten Luft ist die Vitalkapazität, der Luftrest, der auch bei stärkster Ausatmung noch in der Lunge verbleibt, das Residualvolumen. Vitalkapazität und Residualvolumen ergeben die Totalkapazität. Die Vitalkapazität ist beim Mann größer als bei der Frau und nimmt mit dem Alter ab. Die Ruheatemfrequenz (Atemzüge je Minute) beträgt beim Säugling 40-50, beim Fünfjährigen 20-30, beim Erwachsenen durchschnittlich 12-20. Im Liegen ist die Frequenz am niedrigsten, sie steigt mit zunehmender Arbeitsleistung und bei Fieber. Der Erwachsene braucht bei körperlicher Ruhe 4-7 Liter Luft in der Minute, bei sehr schwerer Arbeit 100 Liter.
 
Die innere Atmung besteht in der Aufnahme von O2 aus dem Blut in die Körperzellen und der Abgabe des CO2 in das Blut. Der Gasaustausch folgt dem jeweiligen Sauerstoffdruckgefälle, d. h., der Sauerstoffpartialdruck in der Lungenalveole ist größer als im Lungenblut, daher kann das Blut O2 aufnehmen. Im Gewebe wird die Sauerstoffaufnahme durch ein Sauerstoffdruckgefälle vom Blut in dieses möglich. Für CO2 hat das Druckgefälle vom Gewebe über das Blut in die Lungenalveole die umgekehrte Richtung. - Die Atmungsvorgänge unterliegen der Steuerung durch das Atemzentrum (Atmungsregulation).
 
 Geschichtliches
 
Nach Ansicht der Hippokratiker sollte der eingeatmete Stoff, das Pneuma, über die Lungenvenen zur blutleeren linken Herzkammer gelangen und dort die natürliche Wärme erzeugen. Das Pneuma sollte außerdem auch ins Blut gelangen und dieses abkühlen. Galen beobachtete, dass auch die linke Herzkammer Blut enthält; hier sollte das Blut durch die eingepflanzte Wärme erhitzt und durch das eingeatmete Pneuma abgekühlt werden.
 
Im 17. Jahrhundert verwarf G. A. Borelli eine Abkühlung oder Erwärmung des Blutes durch die Atemluft und schrieb die Aufrechterhaltung des Lebensvorganges Erschütterungen durch Luftteilchen zu. R. Boyle, R. Hooke, J. Mayow u. a. deuteten die Atmung als chemische Beeinflussung des Blutes durch die Luft und verglichen diese mit der Verbrennung. H. Boerhaave lehnte eine chemische Deutung ab; F. Hoffmann nahm an, dass bei der Atmung Äther aufgenommen wird.
 
Nach der Entdeckung der Gase O2 und CO2 sowie der Deutung der Verbrennung als Sauerstoffaufnahme (1777) war auch die Deutung der Atmung als Oxidation möglich; A. L. Lavoisier führte den ersten »Respirationsversuch« am Tier 1785 durch. H. G. Magnus unternahm 1837 die erste quantitative Analyse der Blutgase; K. von Vierordt untersuchte die CO2-Ausscheidung; E. F. W. Pflüger entdeckte 1875 die intrazelluläre Atmung; J. S. Haldane untersuchte die Chemie der Atmung und die Atmungsregulation, C. Bohr die Sauerstoff- und Kohlendioxidbindung an das Blut (Bohr-Effekt) und S. A. S. Krogh den Gasaustausch in der Lunge.
 
Die pflanzliche Atmung wurde im 18. Jahrhundert entdeckt (Gasnachweis durch S. Hales 1727); J. Priestley entdeckte 1771, dass grüne Pflanzen die durch Verbrennung »verdorbene« Luft »reinigen« können, und J. Ingenhousz beobachtete 1779, dass grüne Pflanzenteile nur im Licht O2 abgeben, im Dunkeln aber CO2, während nichtgrüne Pflanzenteile in beiden Fällen CO2 abgeben; die Bildung von CO2 durch Keimpflanzen hatte K. Scheele 1777 festgestellt. Die Gasumsetzungen deutete er 1796 als Ernährungsvorgänge; seine Beobachtungen wurden vertieft durch J. Senebier und N. T. de Saussure. Damit waren die grundlegenden Erscheinungen des pflanzlichen Gasstoffwechsels und der Kreislauf der wichtigsten Stoffe der tierischen und pflanzlichen Ernährung beobachtet worden. In den 60er Jahren des 19. Jahrhunderts unterschied J. Sachs klar zwischen Atmung und Kohlendioxidassimilation. Sachs und W. F. P. Pfeffer wiesen auf die Bedeutung der Kohlenhydrate für den chemischen Prozess der Atmung hin, der in der folgenden Zeit im einzelnen untersucht wurde, aber auch heute noch nicht vollständig aufgeklärt ist.
 
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie v. a. auch in den folgenden Artikeln:
 
Blutkreislauf · Leben · Lunge · Stoffwechsel · Zellatmung
 
Literatur:
 
Pflanzen: H. Mohr u. P. Schopfer: Lb. der Pflanzenphysiologie (31978);
 E. Libbert: Lb. der Pflanzenphysiologie (31979).
 
Tiere: J. B. Steen: Comparative physiology of respiratory mechanisms (New York 1971);
 P. Dejours: Principles of comparative respiratory physiology (Amsterdam 21981);
 H. Penzlin: Lb. der Tierphysiologie (51991).
 
Mensch: Physiologie des Menschen, hg. v. O. H. Gauer u. a., Bd. 6: A., bearb. v. J. Piiper u. H. P. Koepchen (21975);
 W. T. Ulmer u. a.: Die Lungenfunktion. Physiologie u. Pathophysiologie (21976);
 J. B. West: Respiratory physiology. The essentials (Baltimore, Md., 31985);
 
Physiologie des Menschen, hg. v. Robert F. Schmidt u. G. Thews (261995).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Atmung: Übersicht über das Atmungssystem
 
Atmung: Atemmechanik und Gasaustausch
 
Lungen- und Atemvolumina, künstliche Beatmung
 
Atmung: Steuerung durch verschiedene Kontrollmechanismen
 
Bronchialasthma und Lungenemphysem
 
Bronchitis, Mukoviszidose, Lungenentzündung, Tuberkulose
 
Brustkorb, Atemmuskulatur und Schluckauf
 

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At|mung, die; -: das Atmen: künstliche A.; die A. beschleunigt sich.

Universal-Lexikon. 2012.