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Ein|sam|keit 〈f. 20; unz.〉
1. einsame Beschaffenheit, Abgelegenheit, Menschenleere
2. das Einsamsein, Alleinsein, Verlassenheit
● die \Einsamkeit einer Gegend; die \Einsamkeit fliehen, fürchten, lieben, suchen; jmdn. aus seiner \Einsamkeit reißen; jmdn. in seiner \Einsamkeit trösten
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Ein|sam|keit, die; -, -en <Pl. selten>:
1. das ↑ Einsamsein (1 a), Alleinsein:
die E. lieben, suchen, fürchten;
jmdn. in seiner E. trösten.
2. einsame Gegend:
kaum einer dringt in diese E. vor.
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Einsamkeit,
die Abgeschiedenheit des einzelnen Menschen von seiner Umwelt im räumlichen oder (so meist gemeint) im seelischen Sinn. Der Begriff der Einsamkeit wurde in der Geistes- und Literaturgeschichte seit der Mystik in unterschiedlichen Bedeutungen und Wertungen verwendet, z. B. in der Mystik als Abgeschiedenheit der Seele; in der Aufklärung positiv als Zurückgezogenheit des Individuums zum Zweck geistiger Tätigkeit und der eigenen Selbstvervollkommnung (J. G. Zimmermann); in der Empfindsamkeit als Innerlichkeit des auf sich zurückgezogenen, von der Umwelt isolierten Ich, verbunden mit Schwermut, Leiden und differenzierter Selbstwahrnehmung der eigenen Gefühle. Einsamkeit bestimmt in der Folge die Situation besonders des lyrischen Subjekts, so häufig bei Goethe, in der Romantik (z. B. stimmungshafte Waldeinsamkeit) und in der großen europäischen Lyrik des 19. und 20. Jahrhunderts Viele Roman- und Dramengestalten der neueren Literatur, exemplarisch bei F. M. Dostojewskij, erscheinen als Einsame - auch bei äußerer Teilnahme am gesellschaftlichen Leben - und dadurch besonders Gefährdete. Ganz allgemein steht Einsamkeit vielfach im Hintergrund von Lyrik überhaupt, soweit sie subjektive Ausdruckslyrik ist. - Im 19. Jahrhundert wurde der Wert der Einsamkeit in der Möglichkeit des Selbstseins, der Selbstwerdung des Individuums und in seiner Freiheit gesehen. Im 20. Jahrhundert erhält Einsamkeit besonders die Bedeutung sozialer Isolierung, entweder durch Umstände, die den Einzelnen treffen, herbeigeführt, oder als bewusste Ablehnung der Gemeinschaft. Einsamkeit wird in Beziehung gesetzt zu den Existenzformen der Entfremdung, der Heimatlosigkeit, zu Verlust des Glaubens, innerer Werte, welche immer mit einer sie tragenden Gemeinschaft verbunden sind. - Soziologisch wird die Einsamkeit u. a. als eine Folge der Auflösung der Großfamilie seit dem industriellen Zeitalter und der Anonymität großstädtischer Wohn- und Lebensformen interpretiert. Nach anderer Position (H. Schelsky) trifft diese in der Anonymität der Großstadt gegebene Vereinsamung des Individuums nicht zu: Danach wird das in eine versachlichte Arbeitswelt und eine frei gewählte Privatsphäre geteilte Leben allgemein akzeptiert, sodass Vereinsamung vorwiegend ein psychologisches und soziologisches Problem, bezogen auf das Individuum, darstellt. - Räumliche Abgeschiedenheit kann trösten, innere Sammlung bedeuten, inneres Verlassensein, das nicht an räumliches Alleinsein gebunden ist, deprimieren. K. Jaspers unterschied neben der Grenzerfahrung der Einsamkeit zum Tode Einsamkeit als Mangel kommunikativer Bindung an andere, Einsamkeit als möglicher Abgrund des eigenen Nichtseins, wenn dem Individuum alle Bindungen fraglich geworden sind, und Einsamkeit in der Polarität zur Kommunikation. Erst in der Spannung von Einsamkeit und Kommunikation ist Selbstsein des Individuums und (so M. Buber) ein Anerkennen des anderen in seiner Andersheit und damit menschliche Begegnung möglich.
L. Maduschka: Das Problem der E. im 18. Jh. (1833, Nachdr. 1978);
U. Tworuschka: Die E. Eine religionsphänomenolog. Unters. (1974);
R. Möhrmann: Der vereinsamte Mensch. Studien zum Wandel des Einsamkeitsmotivs im Roman von Raabe bis Musil (21976);
E., hg. v. Hans J. Schultz (61986).
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Ein|sam|keit, die; -, -en <Pl. selten>: 1. das Einsamsein (1 a), Alleinsein: Das Leid des Menschen heißt E. (Zuckmayer, Herr 143); Amerika brachte für Sibylle eine Zeit fast klösterlicher E. (Frisch, Stiller 365); die E. lieben, suchen, fürchten; jmdn. in seiner E. trösten; Seine Eifersucht treibt ihn in eine totale Vereinsamung, die grässlichste und auswegloseste E., die man sich vorstellen kann (Amendt, Sexbuch 199); Berlin: - eine quicke Stadt voller -en (MM 1. 9. 69, 22). 2. einsame Gegend: kaum einer dringt in diese E. vor.
Universal-Lexikon. 2012.