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Schutzimpfung
Immunisation; Immunisierung; Impfung; Vakzination (fachsprachlich)

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Schụtz|imp|fung 〈f. 20; verstärkend〉 Impfung

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Schụtz|imp|fung, die:
Impfung zum Schutz gegen Infektion:
eine S. [gegen Pocken] erhalten.

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Schutz|impfung,
 
Impfung, künstliche Erzeugung einer spezifischen Immunität gegenüber bakteriellen oder viralen Infektionskrankheiten, die bei rechtzeitiger Anwendung den Ausbruch der Krankheit verhindert oder zu einem stark abgeschwächten Verlauf führt.
 
Die aktive Schutzimpfung (aktive Immunisierung) besteht in einer Zufuhr von Lebend- oder Totimpfstoffen. Lebendimpfstoffe enthalten vermehrungsfähige, virulenzabgeschwächte (attenuierte) Erreger; sie werden z. B. gegen spinale Kinderlähmung (Sabin-Impfung), Tuberkulose (B. C. G.-Impfung), Mumps, Masern, Röteln und Gelbfieber eingesetzt. Sie führen zu einer Infektion ohne Krankheitserscheinungen, aber mit Ausbildung einer systemischen humoralen und zellulären Immunität, die eine Erkrankung über längere Zeit verhindert. Totimpfstoffe bestehen aus durch chemische (z. B. Formalin®) oder physikalische (z. B. Hitzeanwendung) Maßnahmen inaktivierten, nicht mehr vermehrungsfähigen Erregern oder deren Bestandteilen (meist Proteine, z. B. entgiftete Toxine beziehungsweise Toxoide), die Schutz induzierende Antigene tragen. Diese können auch gentechnologisch hergestellt werden (z. B. Hepatitis-B-Oberflächen-Antigen). Inaktivierte Erreger enthalten v. a. die Impfstoffe gegen Keuchhusten, Grippe, Cholera, Fleckfieber, Tollwut, Ruhr, Pneumo- und Meningokokkeninfektionen.
 
Die Verwendung von inaktivierten Erregern bewirkt in erster Linie eine humorale Immunität, bei der die Erreger im Blut durch Antikörper gehemmt werden. Sie ist vorübergehend und bedarf regelmäßiger Auffrischungen. Deshalb eignen sich diese Impfstoffe nicht zur Ausrottung von Infektionskrankheiten. Lebendimpfstoffe hingegen schließen diese Möglichkeit grundsätzlich ein. Sie setzen jedoch das Vorhandensein geeigneter Erregerstämme mit eingeschränkter Pathogenität und Virulenz voraus und sind bei Infektionen mit örtlicher Eintrittspforte (z. B. Kinderlähmung über die Darmschleimhaut) auch lokal einsetzbar (Schluckimpfung). Die lokale Schutzimpfung ruft u. a. einen Schutz durch Bildung von Immunglobulin A hervor, das die Aufnahme der Infektionserreger verhindert. Die Injektion von Toxoiden führt zur Ausbildung von Antitoxin und wird gegen Infektionskrankheiten eingesetzt, deren Erreger Ektotoxine bilden (Diphtherie, Wundstarrkrampf). Eine besondere Form der aktiven Schutzimpfung stellt die Anwendung von Autovakzinen dar.
 
Die Anwendung der Impfstoffe erfolgt entweder parenteral durch Einbringen (Injektion, gegebenenfalls Einritzen) in die Haut (intrakutan), unter die Haut (subkutan), in einen Muskel (intramuskulär) oder lokal durch orale Zufuhr. Zur parenteralen Massenimpfung mit Totimpfstoff eignet sich die Impfpistole.
 
Die Dauer des Impfschutzes beträgt bei Totimpfstoffen und Toxoiden 1-2 Jahre, bei Lebendimpfstoffen 3-5 Jahre und länger. Zur Erneuerung der Immunität durch eine Auffrischimpfung (Revakzination) genügt eine verhältnismäßig kleine Menge Impfstoff (Boostereffekt). Da die besten Ergebnisse nicht durch einmalige, sondern durch eine zeitlich verteilte Zufuhr zu erreichen sind, wurde der Adsorbat-Impfstoff entwickelt, bei dem das Antigen von oberflächenaktiven Substanzen (z. B. Aluminiumhydroxid) gebunden und allmählich abgegeben wird. Zur Vereinfachung von Schutzimpfungen werden teilweise verschiedene Antigene zusammen verabreicht (Kombinationsimpfstoffe).
 
Die passive Schutzimpfung (passive Immunisierung) besteht in der Zufuhr von antiinfektiösen oder antitox. Antikörpern in Form von Immunseren (Heilserum) oder einer Immunglobulinfraktion (Immunglobulinprophylaxe), die von einem fremden Organismus (Tier, Mensch) gewonnen wurden. Sie verleihen einen schnell einsetzenden, aber nur kurz (3-4 Wochen) anhaltenden Schutz und werden zur Vorbeugung oder Behandlung von Infektionskrankheiten eingesetzt, wenn ein akutes Infektionsrisiko besteht und die für eine aktive Schutzimpfung erforderliche Zeitspanne nicht mehr zur Verfügung steht. In besonderen Fällen werden aktive und passive Schutzimpfungen kombiniert (Simultanimpfung), z. B. bei Gefahr eines Wundstarrkrampfinfekts bei Personen ohne ausreichenden Impfschutz oder bei Tollwutinfektion (meist lange Inkubationszeit).
 
Als Folge einer Schutzimpfung können Impfreaktionen in Form von kurz dauerndem Fieber, allergische Hautreaktionen (v. a. durch Zusatzstoffe hervorgerufen), Rötung, Schwellung, Infiltrationen und Schmerzen im Bereich der Impfstelle, manchmal regionale Lymphknotenschwellungen auftreten. Bei Beachtung aller medizinischen Kontraindikationen (Immunsuppression oder -defekt bei Lebendimpfstoffen, Allergien gegen Bestandteile des Impfstoffs und Zusatzstoffe wie Phenole, bestehende Infektionen und Rekonvaleszenz) treten Impfschäden extrem selten auf.
 
Zur Erzielung eines ausreichenden Impfschutzes gegen die wichtigsten Infektionskrankheiten wurde ein von verschiedenen Gesundheitsorganisationen entwickelter Impfkalender aufgestellt. Die durchgeführten Schutzimpfungen werden in einen Impfpass eingetragen. Spezielle Vorschriften und Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation und der jeweiligen Länder bestehen im internationalen Reiseverkehr (v. a. Gelbfieber-, Cholera-, Typhus-, Hepatitisschutzimpfung).
 
Die älteste Schutzimpfung ist diejenige gegen Pocken, von der bereits im China des 10. Jahrhunderts n. Chr. Kenntnisse bestanden. Der nach der Entdeckung von E. Jenner aus Kuhpockenblasen gewonnene Impfstoff (Pockenlymphe) war die Grundlage für die erreichte weltweite Ausrottung der Pocken; weitere Pioniere der Bekämpfung von Seuchen durch Schutzimpfungen waren v. a. L. Pasteur und E. von Behring.
 
Recht:
 
Schutzimpfungen sind, wenn auch staatlich unterstützt und empfohlen, freiwillig; der Impfzwang für Pockenschutzimpfung nach dem Reichsimpfgesetz von 1874 ist durch Gesetz vom 18. 5. 1976 für Kleinkinder, durch Gesetz vom 24. 11. 1982 generell aufgehoben worden. Pflichtimpfungen können vom Bundesminister für Gesundheit, unter Umständen auch von den Landesregierungen für bedrohte Teile der Bevölkerung durch Rechts-VO angeordnet werden, wenn eine übertragbare Krankheit in bösartiger Form auftritt oder mit ihrer epidemischen Verbreitung zu rechnen ist (§ 14 Bundes-Seuchengesetz). - Öffentlichen unentgeltlichen Schutzimpfungen auf freiwilliger Basis werden für bestimmte Infektionskrankheiten (Diphtherie, Kinderlähmung, Wundstarrkrampf u. a.) von den Gesundheitsämtern durchgeführt. Für Impfschäden (Gesundheitsschäden, die infolge einer Schutzimpfung eintreten und über das übliche Maß der Impfreaktion hinausgehen) besteht in Deutschland ein Entschädigungsanspruch (§ 51 Bundes-Seuchengesetz), in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes.
 
In Österreich bestehen Bundesgesetze über öffentliche Schutzimpfungen gegen Kinderlähmung und Tuberkulose, die v. a. Bestimmungen über die zu verwendenden Impfstoffe und die berechtigten Ärzte enthalten. Nach Aufhebung des Pockenimpfgesetzes (1980) besteht - derzeit - keine allgemeine Impfpflicht mehr. Bestimmungen über die Entschädigung nach Impfschäden enthält das Impfschadengesetz von 1973. - In der Schweiz können die Kantone aufgrund des Epidemiengesetzes (Art. 23) die Schutzimpfungen gegen übertragbare Krankheiten für obligatorisch erklären.
 
Literatur:
 
H. A. Stickl u. H.-G. Weber: Schutzimpfungen (1987);
 
Moderne Impfungen. Nutzen, Risiko, Kosten, hg. v. H. A. Stickl u. a. (1989);
 
Reisen u. Gesundheit. Impfbestimmungen u. Gesundheitsratschläge (Kopenhagen 1989);
 
Impfkompendium, hg. v. H. Spiess (41994).
 

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Schụtz|imp|fung, die: Impfung zum Schutz gegen Infektion: aktive, passive S.; eine S. [gegen Pocken] durchführen, erhalten.

Universal-Lexikon. 2012.