Akademik

Reifen
Bereifung; Luftreifen; Rad; Pneu

* * *

rei|fen ['rai̮fn̩] <itr.; ist:
1. reif werden:
das Obst reifte schnell in dem warmen Sommer.
Syn.: sich entfalten, sich entwickeln, gedeihen, wachsen.
2. den Zustand der vollen Reife erreichen:
Entscheidungen müssen reifen; die Kunst muss reifen.
Syn.: sich entfalten, sich entwickeln, sich vollenden, 1 werden, zur Reife gelangen (geh.), zur Vollendung gelangen (geh.).

* * *

rei|fen1 〈V. intr.; hat; unpersönl.〉 es hat gereift es ist Raureif gefallen [→ Reif1]
————————
rei|fen2
I 〈V. intr.; ist
1. reif werden (Frucht, Person)
2. sich körperlich, seelisch u. geistig entwickeln, heranwachsen (Person)
3. 〈fig.〉 sich entwickeln, bereit werden (Angelegenheit, Plan)
● in ihm reifte ein Plan; zur Frau, zum Manne \reifen; ein gereifter Mensch nicht mehr junger, sittlich gefestigter, an Erfahrungen reicher Mensch
II 〈V. tr.; hat; seltenreif werden lassen ● die Sonne, Wärme hat die Früchte gereift; dieses Erlebnis hat ihn gereift 〈fig.〉
————————
rei|fen3 〈V. tr.; hat〉 ein Fass \reifen mit Reifen versehen

* * *

1rei|fen <sw. V.> [mhd. rīfen, ahd. rīfen, rīfēn]:
1.
a) <ist> reif (1) werden:
das Obst, Getreide reift dieses Jahr später;
die Tomaten reifen an der, ohne Sonne;
b) <hat> (geh.) reif (1) machen:
die Sonne reifte die Pfirsiche.
2. (geh.)
a) <ist> reif (2 a), älter u. innerlich gefestigter werden:
diese Erfahrungen haben ihn r. lassen;
b) <hat> reif (2 a), innerlich gefestigter, erfahrener machen:
diese Erfahrung, der Schmerz hat ihn gereift;
c) <ist> in jmdm. allmählich entstehen, sich entwickeln:
Entscheidungen, die Dinge in Ruhe r. lassen;
in ihr reifte der Gedanke auszuwandern;
ihre Ahnung war zur Gewissheit gereift (schließlich zur Gewissheit geworden).
2rei|fen <sw. V.; hat; unpers.> [spätmhd. rīfen]:
als 1Reif (1) in Erscheinung treten:
es hat heute Nacht gereift.

* * *

Reifen,
 
1) Fahrzeugtechnik: die Radfelge umgebender, meist abnehmbarer Teil des Fahrzeugrades, z. B. als Stahlreifen oder als Gummireifen (Vollgummireifen oder Luftreifen). Der Luftreifen (Pneu), vorwiegend bei Straßen- und landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Flugzeugen verwendet, enthält unter Überdruck stehende Luft, unterstützt die Fahrzeugfederung, in geringem Umfang die Dämpfung von Schwingungen, muss Umfangskräfte für Antrieb und Bremsen des Fahrzeugs sowie Seitenkräfte bei Kurvenfahrt übertragen. Die Aufstandsfläche ist die Berührungsfläche zwischen Reifen und Fahrbahn. (Latsch)
 
Aufbau
 
und Herstellung: Die wichtigsten Reifenbauarten (Diagonal- und Gürtelreifen) können jeweils als Schlauchreifen oder schlauchlose Reifen ausgeführt sein. Der früher übliche Diagonalreifen setzt sich aus dem von mehreren gummierten Cordgewebelagen gebildeten Unterbau (Karkasse) mit Wulst und Drahteinlage und der profilierten Lauffläche (Protektor) zusammen. Die diagonal verlaufenden Fäden des Gewebes (Baumwoll-, Kunstseide-, Nyloncord) überkreuzen sich, in Gummi eingebettet, von Lage zu Lage. Diagonalreifen haben gute Dämpfungseigenschaften, aber unerwünschte Längs- und Querbewegungen der Profilelemente (d. h. höhere Laufflächenabnutzung, geringere Bodenhaftung, höheren Rollwiderstand).
 
Der heute vorherrschende Gürtelreifen (Radialreifen) ist vorwiegend auf einer Karkasse mit radialem Fadenverlauf der Cordlagen (senkrecht zum Reifenumfang von Wulst zu Wulst) aufgebaut, mitunter (v. a. in den USA) auf einer Diagonalkarkasse (Diagonal-Gürtelreifen). Zwischen Karkasse und Lauffläche ist eine Verstärkungseinlage (Gürtel) angeordnet. Beim Textilgürtelreifen besteht der Gürtel meist aus vier Lagen Textilfaser (Rayon, Nylon), beim Stahlgürtelreifen meist aus zwei Lagen verdrillter dünner Stahlseile (Stahlcord). Vorteile des Gürtelreifens sind geringerer Rollwiderstand, reduzierte Abnutzung, besseres Hochgeschwindigkeitsverhalten, bessere Kraftübertragung, größere Variationsmöglichkeiten bei der Profilgestaltung. Nachteilig ist die geringe Dämpfung.
 
Bei schlauchlosen Reifen dichtet die Decke unmittelbar am Felgenrand; die Innenseite besteht aus einer luftdichten Gummischicht. Schlauchlose Reifen haben längere Lebensdauer (Wegfall der Reibung zwischen Schlauch und Decke) und sind unempfindlicher gegenüber Beschädigungen oder Fremdkörpern im Laufflächenbereich.
 
Der Reifen wird, beginnend mit dem Unterbau, auf besonderen Wickeltrommeln aufgebaut, der zylindrische Rohling in Bombiermaschinen auf die eigentliche Reifenform gebracht. Die Rohlinge werden auch in Pressen in einem Arbeitsgang geformt und vulkanisiert. (Vulkanisation)
 
Bei Reifenprofilen wird gute Seitenführung mit durchlaufenden Längsrillen (z. B. Vorderrad am Kraftrad), Griffigkeit und Verzahnung in weichem Boden durch große Stollen (z. B. Ackerschlepper) erreicht, in der Regel werden Kombinationen von Rippen und Rillen oder Rillen in Zickzackform verwendet. Für winterliche Fahrbedingungen werden M+S-Profile (M+S Abkürzung für englisch mud and snow »Matsch und Schnee«) verwendet. Diese zeichnen sich durch starke Lamellierung (Einschnitte in den Profilstollen) aus, die die Griffigkeit erhöhen. Bei Spikesreifen sind in die Lauffläche Hartmetallstifte (Spikes) zur Übertragung von Kräften auf Eis eingesetzt (in der Bundesrepublik Deutschland seit 1975 verboten). Regenreifen mit »Drainage-Düsen« (Aquajets) sollen das Aquaplaning vermindern. - Reifen von Flugzeugfahrwerken haben ein Längsrillen- oder punktförmiges Profil. Da sich die Zuverlässigkeit von Reifen stark verbessert hat, d. h. plötzliche Pannen sehr selten auftreten, wird daran gearbeitet, auf ein Ersatzrad zu verzichten.
 
Durch Verstärkung der Seitenwände, Veränderung der Querschnittskontur, Veränderung des Felgenquerschnittes, Finden von Stützkörpern im Reifeninneren u. a. konstruktive Maßnahmen soll verhindert werden, dass der innendrucklose Reifen von der Felge springt. Diese so genannten Notlaufreifen gewährleisten rd. 200 km Laufstrecke mit bis zu 80 km/h und sollen etwa ab dem Jahr 2000 von allen bedeutenden Reifenfirmen serienmäßig angeboten werden. (Rennreifen)
 
Kennzeichnung:
 
Auf den Reifenflanken sind (neben Firmennamen) angegeben: Nennbreite (bei Diagonalreifen in Zoll, bei Gürtelreifen in Millimeter); Querschnittsverhältnis (Reifenhöhe/Reifenbreite); C für Lkw; Geschwindigkeitsklasse (S bis 180 km/h, H bis 210 km/h, V über 210 km/h; Bauart (R für Gürtelreifen, ohne R Diagonalreifen); Felgendurchmesser (meist in Zoll); Tragfähigkeits-Kennzahl (Load-Index, z. B. 80 für 450 kg maximale Radlast); Profilbezeichnung; Reifentyp (z. B. tubeless = schlauchlos); Europa-Zulassungsnummer (E. ..) oder DOT (Department of Transportation = Verkehrsministerium der USA).
 
Geschichtliches:
 
1845 erhielt R. W. Thomson ein britisches Patent auf einen Luftreifen mit ledernem Laufmantel, innerem Gummischlauch, Füllventil und Luftpumpe. Die Erfindung setzte sich für Pferdefuhrwerke nicht durch; erst W. Thomas hatte 1889 in Philadelphia (Pa.) damit Erfolg. Für Fahrräder wurde der Luftreifen in Großbritannien 1888 durch J. B. Dunlop eingeführt. Seit 1895 (A. und E. Michelin) wurde der Luftreifen v. a. für Kraftwagen verwendet. 1948 begann die Serienfertigung des Gürtelreifens (Patent von 1946) bei Michelin und des schlauchlosen Reifen bei Goodrich. 1984 wurde das »ContiReifenSystem« vorgestellt, bei dem erstmals der Reifen über die Felge greift.
 
Wirtschaft:
 
Die Haupterzeugerländer von Reifen waren 1996 (1990), jeweils Mio. Stück, die USA 222,0 (210,7), Japan 164,7 (150,1), Frankreich 62,7 (57,5), Süd-Korea 57,5 (29,8), Deutschland 48,3 (48,7), Brasilien 34,2 (27,8), Italien 31,4 (28,4), Großbritannien 31,0 (29,4) und Russland 19,5 (51,4). In Deutschland betrug die Reifenproduktion für Pkw (1996) 42 Mio. Stück, für Lkw 6,3 Mio. Stück mit einem Gesamtwert von rd. 5,3 Mrd. DM. In Westeuropa fallen etwa 2 Mio. t Altreifen je Jahr an. Altreifen werden zu rd. 20 % als Brennstoff in Kraftwerken und in der Zementindustrie genutzt. Runderneuert werden etwa 7 % der Pkw- und 15 % der Lkw-Reifen. Etwa 10 % der Altreifen werden zu Granulat verarbeitet, aber mehr als 40 % kommen auf Deponien.
 
Literatur:
 
J. Reimpell u. P. Sponagel: Fahrwerktechnik: R. u. Räder (21988);
 K. P. Backfisch u. D. S. Heinz: Das Reifenbuch. Umrüstung, Reifentechnik, Fahrpraxis (21994);
 
FAKRA-Hb. Normen für den Kraftfahrzeugbau, hg. vom Dt. Inst. für Normung e. V. u. a., Bd. 3: Räder u. R., Losebl. (1994).
 
 2) Küferei: kreisförmig zusammengefügtes Band aus Metall zum Zusammenhalten von Fässern.

* * *

Rei|fen, der; -s, - [Nebenf. aus den schwach gebeugten Formen von 2Reif]: 1. a) kreisförmig zusammengefügtes Band, meist aus Metall: ein hölzerner, eiserner R.; ein R. aus Stahl; R. um ein Fass legen, schlagen; b) bei der Gymnastik, bei Dressurvorführungen u. als Kinderspielzeug verwendeter größerer, ringförmiger Gegenstand: R. werfen, fangen; der Tiger sprang durch einen R. 2. die Felge umgebender, meist aus luftgefülltem Gummischlauch u. ↑Mantel (3) bestehender Teil eines Rades von Fahrzeugen: schlauchlose, platte, quietschende R.; der linke vordere R. ist geplatzt, hat ein Loch; die R. sind abgefahren; einen R. aufziehen, auf-, abmontieren, aufpumpen, flicken, erneuern, wechseln. 3. 2Reif: dass im Handel weder goldene noch silberne -en (= Verlobungsringe) zu haben waren (Kant, Impressum 201); einen R. im Haar tragen.

Universal-Lexikon. 2012.