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Totenbestattung
Totenbestattung,
 
die Beisetzung von Leichen oder Leichenbrand, meist mit einem vom Kulturkreis, besonders von dessen Religion, abhängigen Ritual (Funeralriten); mit zunehmendem Zivilisationsgrad gewinnen daneben hygienische Gesichtspunkte an Bedeutung. In der Regel erfolgen Totenbestattungen heute auf einem eigens dafür ausgewiesenen Areal, dem Friedhof, und zwar entweder als Erdbestattung (Beerdigung), die Leiche wird in einem Sarg in der Erde vergraben, oder als Feuerbestattung (Einäscherung), die Leiche wird verbrannt, ihre Asche in einer Urne beigesetzt. Außerdem besteht der Ritus des Ausstreuens der Asche, z. B. ins Meer oder in den heiligen Ganges; früher auch als Kirchenstrafe (Nichtbeisetzung; u. a. für Ketzer). Andere Formen der Totenbestattung sind das Versenken der Leiche ins Meer (Seemannsgrab), ursprünglich eine hygienische Maßnahme, damit die Leiche schnell von Bord kam, heute als Urnenbestattung auf hoher See auch außerhalb der Schifffahrt vollzogen, und die Luftbestattung, z. B. auf den Türmen des Schweigens im Parsismus.
 
Die Bräuche und Riten bei der Totenbestattung sind sehr vielseitig. Im europäischen Kulturkreis wird vor der Bestattung der Sarg mit der Leiche in der Leichenhalle des Friedhofs aufgebahrt, in ländlichen Gebieten oft auch im Haus (oder Hof), bei bedeutenden Persönlichkeiten an einem (öffentlichen) Ehrenplatz. Die eigentliche Totenbestattung, die Beisetzung (Begräbnis), umfasst die Trauerfeier in der Trauerhalle (Aussegnungshalle, Kapelle), bei Erdbestattung die anschließende Überführung des Sarges in einem Leichenzug zum Grab (bei Feuerbestattung erfolgt die Urnenbeisetzung später) und am offenen Grab letzte Worte des Grabredners beziehungsweise bei christlicher Totenbestattung die Rituale des Geistlichen sowie der persönliche Abschied der Trauergäste. Der Totenbestattung schließt sich oft ein Totenmahl (Leichenschmaus) an, ein gemeinsames Essen der Trauernden. (Trauer)
 
Geschichte:
 
Bereits in der Altsteinzeit wurden Tote durch Ausstattung mit Beigaben aller Art (u. a. Nahrung) oder Einfärben mit Roterde für das Jenseits vorbereitet und so begraben. Feste Regeln für die Totenbestattung bestanden in der Jungsteinzeit. Im Frühneolithikum herrschte überall die Bestattung in Hockergräbern, oft (besonders in Vorderasien) unterhalb des Hauses oder innerhalb der Siedlung, sodass die Ahnen den Lebenden nahe blieben. Eine andere Form der Ahnenverehrung spricht aus der Ausgestaltung der Megalithgräber. Bei den Pyramiden Ägyptens kommt das Motiv des Denkmals zu dem der Totenwohnstatt hinzu. Von der späten Jungsteinzeit an kennen weite Teile Europas die Totenbestattung in Hügelgräbern. Sie sind primär Gräber von Einzelnen (keine »Sippengrüfte«). Es bestand, besonders in Ägypten und Etrurien, die Vorstellung, der Verstorbene setze im Jenseits sein diesseitiges Leben fort und habe die gleichen Bedürfnisse wie hier. Daher wurden ihm Dinge des täglichen Lebens in das als Wohnraum gestaltete Kammergrab (Totenhaus) mitgegeben. Für die Kupfer führende Jungsteinzeit und die ältere Bronzezeit lassen sich in Mittel- und Nordeuropa die ältesten Särge nachweisen (meist Baumsärge).
 
In der Hallstattzeit wurde es üblich, die führenden Persönlichkeiten zusammen mit Pferd und Wagen zu bestatten. Solche Gräber gab es bei den nomadischen Skythen Südrusslands, in der Völkerwanderungszeit und in karolingischer Zeit besonders in Norddeutschland. (Fürstengräber)
 
Besondere Formen der Totenbestattung beziehen sich auf die Überfahrt des Toten in die »andere Welt«. Bei den Griechen führten solche Vorstellungen zur Beigabe des Charonspfennigs. Vielleicht hängen auch Wagenbestattungen mit solchen Vorstellungen zusammen, die ihre eindrucksvollste Ausprägung in den Schiffsgräbern Nordeuropas gefunden haben. Dem Wunsch, die weitere Existenz des Toten durch Erhalten seines Körpers zu sichern, entsprang der Brauch der Einbalsamierung, v. a. in Ägypten (Mumie). In der griechischen und römischen Antike standen das ehrende Gedenken und die Fürsorge durch Grabbeigaben im Mittelpunkt der Totenbestattung; die Feuerbestattung überwog, doch auch Erdbestattungen waren üblich.
 
Die Brandbestattung (Leichenverbrennung) war von der frühen Jungsteinzeit (Çatal Hüyük) an vereinzelt, häufiger erst in der späten Jungsteinzeit (Schönfelder Gruppe in Mitteldeutschland; Bretagne und England) und besonders in der Bronze- und Eisenzeit üblich. Der Sinngehalt der Brandbestattung ist noch unklar. Die Hinterbliebenen glaubten aber offenbar an ein Fortleben auch des verbrannten Toten, wie die Beigaben an Schmuck und Gebrauchsgegenständen, aber auch die Gestaltung des Leichenbrandbehälters in Hausform (Hausurnen) erkennen lassen. Nach der Scheiterhaufenzeremonie wurde der Leichenbrand außer in Tonurnen auch in Baumsärgen, mannslangen Steinsetzungen unter Erdhügeln (Tumuli), in Flachgräbern oder schlichten Erdgruben beigesetzt. Durch das Christentum fand die Feuerbestattung im Abendland ein vorläufiges Ende, da sie mit dem Glaubenssatz von der Auferstehung des Fleisches nicht vereinbar erschien. Im 19. Jahrhundert kam sie wieder auf (erstes Krematorium 1878 in Gotha), besonders aus hygienischen (gesundheitspolitischen) Gründen; aber auch die Angst vor der Bestattung eines Scheintoten und eine demonstrativ antikirchliche Haltung spielten eine Rolle. (Grab, Grabmal)
 
Zum Recht Leiche.
 
Literatur:
 
M. Ruetz: Nekropolis (1978);
 R. Thalmann: Urne oder Sarg? Auseinandersetzung um die Einf. der Feuerbestattung im 19. Jh. (Bern 1978);
 
Wie die Alten den Tod gebildet. Wandlungen der Sepulkralkultur. 1750-1850, hg. v. H.-K. Boehlke, Ausst.-Kat. (1979);
 
Vom Kirchhof zum Friedhof. Wandlungsprozesse zw. 1750 u. 1850, bearb. v. H.-K. Boehlke,: u. a. (1984);
 
Zur Gesch. des Bestattungswesens in Wien, hg. v. F. Knispel, Ausst.-Kat. (Wien 1982);
 
Die letzte Reise. Sterben, Tod u. Trauersitten in Oberbayern, hg. v. S. Metken, Ausst.-Kat. (1984);
 M. Ráček: Die nicht zu Erde wurden. .. Kulturgesch. der konservierenden Bestattungsformen (Wien 1985);
 A. Haffner: Gräber - Spiegel des Lebens. Zum Totenbrauchtum der Kelten u. Römer. .. (1989);
 
Bestattungswesen u. Totenkult in ur- u. frühgeschichtl. Zeit, hg. v. F. Horst u. a. (1991);
 M. Illi: Wohin die Toten gingen. Begräbnis u. Kirchhof in der vorindustriellen Stadt (Zürich 1992);
 I. Bacher-Göttfried: Totenkult u. Jenseitsvorstellungen im alten Ägypten (1994).
 

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To|ten|be|stat|tung, die (geh.): Bestattung.

Universal-Lexikon. 2012.