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Thorn
I
Thorn,
 
polnisch Toruń ['tɔrui̯n],
 
 1) Kreisstadt und Stadtkreis in Polen (bis 1998 Hauptstadt der aufgelösten Woiwodschaft Toruń [Thorn ]), Polen, Sitz des Parlaments (Sejmik) der Woiwodschaft Kujawien-Pommern, 50 m über dem Meeresspiegel, beiderseits der unteren Weichsel, 205 800 Einwohner;katholischer Bischofssitz; N.-Kopernikusuniversität (1945 gegründet), Teile der Polnischen Akademie der Wissenschaften, Offiziershochschule, Regional-, Volkskunde-, Kopernikus-, Ostasiatisches Museum, zwei Theater. Die vielseitige Industrie umfasst Chemiefaserwerke, Kunstdüngerfabrik, Nahrungs- und Genussmittelindustrie (traditionelle Pfefferkuchenbäckerei), Maschinenbau, Betriebe der Elektrotechnik und Elektronik sowie des Textil-, Metall- und Baustoffsektors. Thorn ist ein wichtiger Verkehrsknotenpunkt mit Flusshafen sowie Anziehungspunkt des Fremdenverkehrs. - Trotz der Veränderungen beim Ausbau im 19. Jahrhundert konnte Thorn sein altes Stadtbild bewahren und wurde 1997 von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt. Erhalten blieben Teile der Backsteinstadtmauer (13.-15. Jahrhundert) mit Türmen (u. a. Schiefer Turm, 14. Jahrhundert) und Toren (Klostertor, Anfang 14. Jahrhundert, Brückentor, 1432, Seglertor, 1. Hälfte 14. Jahrhundert), der mächtige Dansker (13./14. Jahrhundert) der 1454 zerstörten Burg des Deutschen Ordens, das gotische Altstädter Kauf- und Rathaus (1393 ff., 1602/03 umgebaut, heute Regionalmuseum) mit dem Turm von 1274 (1385 erhöht), gotische Bürgerhäuser (14./15. Jahrhundert) und die Kirchen Sankt Johannes (gotische Halle, nach 1250, Sakristei 1410-20; Innenausstattung 14.-18. Jahrhundert), Sankt Jakob (gotische Basilika, 1309-50, Kapellen 1359-1424; gotische Fresken und Plastiken, barocker Hochaltar) und Sankt Marien (14. Jahrhundert; Fresken aus dem 14. Jahrhundert, Skulpturen, frühbarocke Grabkapelle der Anna Wasa, * 1568, ✝ 1625, der Schwester von König Sigismund III. von Polen, 1636). Aus der Barockzeit erhalten sind ferner die Heiliggeistkirche (1735-56), mehrere Patrizierhäuser mit reichem Stuckdekor und der ehemalige Palast der Bischöfe von Kujawien (1693). Das klassizistische Zeughaus von 1824 ist heute Museum; 1853 wurde das Denkmal für N. Kopernikus, der in Thorn geboren wurde, errichtet; 1904 entstand das Theater (Entwurf: F. Fellner und H. Hlemer). - Thorn wurde 1231 als erster Stützpunkt des Deutschen Ordens im Culmer Land am rechten Weichselufer angelegt. Die unmittelbar danach gegründete Siedlung bekam 1232 Stadtrecht und wurde (wegen der Überschwemmungsgefahr) 1236 rd. 8 km stromaufwärts an die heutige Stelle verlegt. Die nordöstlich der »Altstadt« entstandene »Neustadt« erhielt 1264 ihre Handfeste; 1454 wurden beide vereinigt. Durch seine verkehrsgünstige Lage entwickelte sich Thorn rasch zu einer bedeutenden Handelsstadt (Mitglied der Hanse). Die 1454 an Polen gefallene Stadt errang, ähnlich wie Danzig, eine Sonderstellung. 1558 erhielt Thorn Religionsfreiheit. Die Bevölkerung bekannte sich überwiegend zum Luthertum. Europaweites Aufsehen erregte das Thorner Blutgericht (7. 12. 1724), die Hinrichtung des Bürgermeisters J. G. Rößner und neun weiterer Bürger nach jesuitenfeindlichen Ausschreitungen in der Stadt, bei denen das Jesuitenkolleg zerstört worden war. 1793 fiel Thorn an Preußen und war (ausgenommen 1807-15 während der Zugehörigkeit zum Herzogtum Warschau) eine wichtige Grenzfestung. 1920 kam Thorn an Polen (Rückgang der deutschen Bevölkerung von 66 % [1910] auf rd. 4 % [1931]). 1939-45 gehörte die Stadt zum Reichsgau Danzig-Westpreußen. 1945 kam Thorn erneut an Polen.
 
In Thorn wurden zwei Friedensschlüsse ausgehandelt (Thorner Frieden).
 
 
 2) bis 1998 Woiwodschaft in Polen, danach Teil der neu gebildeten Wwschaften Kujawien-Pommern und Ermland-Masuren.
 
II
Thọrn,
 
Gaston, luxemburgischer Politiker, * Luxemburg 3. 9. 1928; Rechtsanwalt, ab 1959 Abgeordneter der liberalen Demokratischen Partei, deren Präsident er 1961-80 war; 1959-69 Mitglied des Europäischen Parlaments. Ab 1969 Minister für Äußeres und Außenhandel (bis 1980) sowie für Sport (bis 1977), 1977-80 zugleich Wirtschafts-, 1979/80 Justizminister 1974-79 leitete er als Premierminister eine Koalitionsregierung aus Demokraten und Sozialisten; 1979/80 war er stellvertretender Regierungschef. 1981-84 Präsident der EG-Kommission; 1970-82 Präsident der Liberalen Internationale, 1976-80 Präsident der Föderation liberaler und demokratischer Parteien Europas, 1985-87 Präsident der Europäischen Bewegung. 1985 wurde er Generaldirektor des Privatfunksenders Radio Luxemburg (RTL), 1987 Präsident der Konzerndachgesellschaft CLT.

Universal-Lexikon. 2012.