Akademik

Schiedsgerichtsbarkeit
Schiedsgerichtsbarkeit,
 
1) Völkerrecht: internationale Schiedsgerichtsbarkeit, die friedliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Staaten durch von den Streitteilen berufene Richter in einem besonderen Verfahren (oft Arbitration genannt) und aufgrund der Achtung vor dem Recht. Die Behandlung und Entscheidung eines Streitfalles durch ein internationales Schiedsgericht setzt stets voraus, dass die beteiligten Staaten sich allgemein oder für den Einzelfall der Schiedsgerichtsbarkeit unterworfen haben. Mögliche Streitigkeiten aus internationalen Verträgen werden häufig durch eine Schiedsklausel der schiedsrichterliche Erledigung zugewiesen. Der ordnungsmäßig ergehende Schiedsspruch ist für die Streitbeteiligten bindend.
 
Durch die aus den Haager Friedenskonferenzen hervorgegangenen Abkommen von 1899 und 1907 ist der Ständige Schiedsgerichtshof in Den Haag errichtet worden, der zwar noch besteht, aber an Bedeutung verloren hat. Eine für alle Staaten obligatorische Schiedsgerichtsbarkeit besteht bis heute nicht. Immerhin sind die Staaten durch die Völkerbundssatzung und erneut durch die UN-Charta (Art. 33) auf die Schiedsgerichtsbarkeit als Mittel der friedlichen Streiterledigung verwiesen worden. Innerhalb der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa konstituierte sich 1995 in Genf der Vergleichs- und Schiedsgerichtshof, nachdem 1994 ein entsprechendes Übereinkommen in Kraft trat. Deutschland ist durch Art. 24 Absatz 3 GG verpflichtet, zur Regelung zwischenstaatlicher Streitigkeiten Vereinbarungen über eine allgemeine, umfassende, obligatorische internationale Schiedsgerichtsbarkeit beizutreten. - Im weiteren Sinn versteht man unter internationaler Schiedsgerichtsbarkeit alle Arten der schiedsrichterlichen Streitbeilegung, die durch eine völkerrechtliche Vereinbarung begründet wurden, ohne Rücksicht darauf, ob es sich um Streitfälle nur zwischen Staaten handelt.
 
 2) Zivilrecht: die im Rahmen der ZPO als schiedsrichterliches Verfahren ausgestaltete Möglichkeit, privatrechtlicher Streitigkeiten durch ein von den Parteien vereinbartes Schiedsgericht entscheiden zu lassen (§§ 1025 ff. ZPO in der Fassung des Schiedsverfahrens-Neuregelungsgesetzes vom 22. 12. 1997).
 
Schiedsgerichte sind Privatgerichte, die aus einem oder mehreren Schiedsrichtern bestehen und denen kraft selbstständiger Vereinbarung (Schiedsabrede) oder in Form einer Vertragsklausel (Schiedsklausel) die Entscheidung anstelle der staatlichen Gerichte übertragen worden ist. Jeder vermögensrechtliche Anspruch kann Gegenstand einer Schiedsvereinbarung sein, nichtvermögensrechtliche Ansprüche nur insoweit, als die Parteien über den Gegenstand des Streites einen Vergleich schließen können, d. h. verfügungsberechtigt sind. Schiedsvereinbarungen über den Bestand von Wohnraummietverhältnissen sind, mit speziellen Ausnahmen, unwirksam. Die Schiedsvereinbarung bedarf bei Beteiligung eines Verbrauchers einer strengen, sonst einer erleichterten Schriftform. Im Fall einer wirksamen Schiedsvereinbarung ist die vor einem staatlichen Gericht erhobene Klage auf Rüge als unzulässig abzuweisen. Soweit die Parteien keine Vereinbarung über das Verfahren getroffen haben, sind die Schiedsrichter bei der Gestaltung weitgehend frei und können auch eine Beweisaufnahme durchführen; bestimmte Verfahrensgrundsätze regelt das Gesetz allerdings bindend. Das Schiedsgericht entscheidet, auf Antrag der Parteien auch bei einem Vergleich, durch förmlichen Schiedsspruch, der im Fall streitiger Entscheidung zu begründen ist und unter den Parteien die Wirkungen eines rechtskräftigen gerichtlichen Urteils hat. Hiervon zu unterscheiden ist das Schiedsgutachten.
 
Bestimmte verfahrensrechtliche oder materielle Mängel (z. B. Verletzung des rechtlichen Gehörs oder Verstoß gegen den Ordre public) können durch Aufhebungsantrag bei den ordentlichen Gerichten geltend gemacht werden; die Zuständigkeit für gerichtliche Verfahren ist den Oberlandesgerichten zugewiesen.
 
Eine Zwangsvollstreckung aus einem Schiedsspruch erfolgt nur, wenn dieser vom zuständigen Oberlandesgericht für vollstreckbar erklärt worden ist; bei Schiedssprüchen aufgrund Vergleichs kann die Vollstreckbarkeitserklärung einem Notar übertragen werden.
 
Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren hat besondere Bedeutung im (v. a. internationalen) Handelsverkehr. Es hat den Vorteil, dass es im Allgemeinen zu schnelleren und in der Regel kostengünstigeren Entscheidungen führt als die staatliche Gerichtsbarkeit. Ein weiterer Vorteil besteht in der Vereinfachung des internationalen Rechtsverkehrs. Seine Nachteile liegen in der Gefahr der Parteilichkeit der Schiedsrichter, wenn diese sich nicht als neutrale Dritte, sondern als Interessenvertreter fühlen, wie dies nicht selten bei Mitgliedern wirtschaftlicher Verbände der Fall ist.
 
Im Bereich des Arbeitsrechts hat das Schiedsgerichtsverfahren nur geringe Bedeutung (§§ 101-110 Arbeitsgerichtsgesetz): 1) Für arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Tarifvertragsparteien aus Tarifverträgen oder über deren Bestand können Schiedsgerichte vereinbart werden. 2) Ferner können Schiedsgerichte für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten aus einem Arbeitsverhältnis eingerichtet werden, das unter einen Tarifvertrag für bestimmte Personengruppen (z. B. Künstler, Besatzungsmitglieder von Seeschiffen) fällt. 3) Im kirchlichen Bereich besteht eine eigene Gerichtsbarkeit; diese ist für das Individualarbeitsrecht der Arbeitsgerichtsbarkeit vorgeschaltet. 4) In Patentstreitigkeiten können Schiedsstellen anzurufen sein. Von der zivilrechtlichen Schiedsgerichtsbarkeit zu unterscheiden ist ferner die Einrichtung des Schiedsmanns bei strafrechtlichen Konflikten.
 
Für das Gebiet der neuen Länder erlaubt der Einigungsvertrag vom 31. 8. 1990 das Fortwirken einer Einrichtung, die ihre Wurzeln in der abgeschafften gesellschaftlichen Gerichtsbarkeit hat: Die Schiedsstellen in den Gemeinden (Gesetz vom 13. 9. 1990; in Berlin aufgehoben) knüpfen an die Tradition der Schiedskommissionen an. Ihre Mitglieder werden von der Gemeindevertretung gewählt und vom Direktor des Amtsgerichts bestätigt. In Zivilsachen werden sie in einfachen Vermögensstreitigkeiten auf Antrag tätig und sollen auf einen Vergleich hinwirken. In Strafsachen sind sie zuständig für das Sühneverfahren vor Erhebung einer Privatklage und für die außergerichtliche Erledigung von Bagatellsachen, wenn die Sache von der Staatsanwaltschaft mit Zustimmung des Beschuldigten an sie abgegeben wird, um im Wege der Wiedergutmachung oder des Täter-Opfer-Ausgleichs zu einem sozial befriedigenden Abschluss zu gelangen.
 
Auch nach österreichischem Recht (§§ 577 ff. ZPO) können Parteien in einem Schiedsvertrag die Zuständigkeit eines privaten Schiedsgerichts (anstelle des staatlichen Gerichts) nach Regeln, die der deutsch ZPO vergleichbar sind, vereinbaren. - In der Schweiz wird das Recht der Schiedsgerichtsbarkeit weitgehend durch Schiedsordnungen privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Organisationen sowie durch parteiautonome Schiedsabreden geprägt. Wichtige Regeln enthalten sodann für die praktisch bedeutsame internationale Schiedsgerichtsbarkeit das 12. Kapitel (Art.176-194) des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht (IPRG) vom 18. 12. 1987 und für die innerstaatliche Schiedsgerichtsbarkeit das Konkordat über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 27. 3. 1969.
 
Gegenüber im Ausland ergangenen Schiedssprüchen ist v. a. das New Yorker Übereinkommen über die Anerkennung und die Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. 1958 maßgebend.
 
Literatur:
 
H. Raeschke-Kessler u. H. K. Lehne: Aktuelle Rechtsfragen der S. (1989);
 O. Glossner u. a.: Das Schiedsgericht in der Praxis (31990);
 R. A. Schütze u. a.: Hb. des Schiedsverfahrens. Praxis der dt. u. internat. S. (21990);
 R. A. Schütze: Schiedsgericht u. Schiedsverfahren (21998).

Universal-Lexikon. 2012.