Niebuhr,
1) Barthold Georg, Historiker, * Kopenhagen 27. 8. 1776, ✝ Bonn 2. 1. 1831, Sohn von 2); trat 1800 in den dänischen, 1806 auf Veranlassung des Freiherrn vom und zum Stein als Direktor der Seehandlung in den preußischen Staatsdienst. Er nahm nach dem Sturz Steins 1810 seinen Abschied und hielt an der neuen Berliner Universität grundlegende Vorlesungen über römische Geschichte, durch die er die historische Quellenkritik begründete. Aus den Vorlesungen ging sein Hauptwerk (»Römische Geschichte«, 5 Bände, 1812-45; bis 241 v. Chr. reichend) hervor. Während der Befreiungskriege verteidigte er in Flugschriften die preußische Politik. 1816-23 war er preußischer Gesandter beim Vatikan, seit 1823 lehrte er an der Universität Bonn. Er hatte starken Einfluss auf L. von Ranke und T. Mommsen.
Ausgaben: Kleine historische und philologische Schriften, 2 Bände (1828-43, Nachdruck 1969); Nachgelassene Schriften nichtphilologischen Inhalts (1842); Historische und philologische Vorträge, 8 Bände (1846-58); Politische Schriften, herausgegeben von G. Küntzel (1923); Briefe, herausgegeben von D. Gerhard u. a., 2 Bände (1926-29); Briefe., herausgegeben von E. Vischer, 5 Bände (1981-84).
2) Carsten, Forschungsreisender, * Lüdingworth (heute zu Cuxhaven) 17. 3. 1733, ✝ Meldorf 26. 4. 1815, Vater von 1); 1761-67 Teilnehmer einer dänischen Expedition in den Nahen Osten (Ägypten, Jemen, Syrien), bis Indien. Als einziger Überlebender kehrte Niebuhr über Mesopotamien, Iran und Kleinasien zurück.
Ausgabe: Entdeckungen im Orient. Reise nach Arabien u. a. Ländern 1761-1767, herausgegeben von R. und E. Grün (Neuausgabe 1983).
T. Hansen: Reise nach Arabien. Die Gesch. der königlich Dänischen Jemen-Expedition 1761-1767 (a. d. Dän., 1965).
3) Reinhold, amerikanischer evangelischer Theologe, * Wright City (Missouri) 21. 6. 1892, ✝ Stockbridge (Massachusetts) 1. 6. 1971; war 1915-28 Pfarrer einer Arbeitergemeinde in Detroit (Michigan), 1928-60 Professor für Sozialethik und Religionsphilosophie in New York. In seiner schöpfungstheologisch begründeten, sozialreformerischen Ethik der Liebe anfangs von der Theologie des Social Gospel beeinflusst, orientierte sich Niebuhr in den Jahren der Weltwirtschaftskrise stärker an der marxistischen Gesellschaftstheorie, wobei er eine vom Begriff der Sünde als individueller und sozialer Gegenmacht zur Liebe geprägte ethische Konzeption entwickelte. In einer spezifisch theologischen Dialektik von Geschichte und Transzendenz integrierte er in späteren Jahren diese beiden gegensätzlichen Entwürfe. Seine Bedeutung für die amerikanische Theologie besteht in der neuartigen konzeptionellen Verbindung von christlichem Glauben und sozialem Handeln.
Universal-Lexikon. 2012.