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Deutschlandvertrag
I
Deutschlandvertrag
 
Der Deutschlandvertrag regelte das Ende des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik Deutschland und gab dieser die Rechte eines souveränen Staates. Er entstand im Zusammenhang mit den Bemühungen um einen deutschen Beitrag zur Verteidigung des Westens, die auf Betreiben der USA unter dem Eindruck des Koreakrieges und der wachsenden Spannungen zwischen Ost und West in Gang gekommen waren und eine Einbindung und Kontrolle der aufzustellenden deutschen Truppen in der projektierten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft vorsahen. Da ein eigenständiger deutscher Verteidigungsbeitrag eine Ablösung des Besatzungsstatuts von 1949 voraussetzte, fanden sich die drei Westmächte seit Dezember 1950 zu Verhandlungen bereit, deren Ergebnis der Deutschlandvertrag war, dessen In-Kraft-Treten jedoch gemäß Artikel 11 an das Zustandekommen der EVG gebunden war.
 
Durch den Deutschlandvertrag (Bonner Vertrag) wurden Besatzungsstatut und Alliierte Hohe Kommission aufgehoben und die Souveränität an die Bundesrepublik Deutschland übertragen, vorbehaltlich der Rechte und Verantwortung der drei Mächte »in Bezug auf Berlin und auf Deutschland als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung Deutschlands und einer friedensvertraglichen Regelung«, sowie das Recht zur Stationierung von Streitkräften und zur Regelung des Notstandes zum Schutze dieser Streitkräfte (Artikel 5, 2, erloschen seit dem Erlass der Notstandsgesetzgebung). Er verpflichtete die Bundesrepublik Deutschland in ihrer Politik auf die Prinzipien der UN und die im Statut des Europarats festgelegten Ziele und alle Unterzeichner auf das gemeinsame Ziel der Wiedervereinigung Deutschlands in Freiheit und eines frei vereinbarten Friedensvertrages für ganz Deutschland (Artikel 7).
 
Der Deutschlandvertrag wurde ergänzt durch den Truppenvertrag, der Rechte und Pflichten der ausländischen Streitkräfte regelte, den Finanzvertrag, der den Beitrag der Bundesrepublik Deutschland zum Unterhalt dieser Streitkräfte festlegte, sowie den Überleitungsvertrag zur Regelung aus Krieg und Besatzung entstandener Fragen.
 
Nachdem der Deutschlandvertrag noch 1952 in Großbritannien und den USA ratifiziert worden war, wurde er nach heftigen innenpolitischen und verfassungsrechtlichen Streitigkeiten in der Bundesrepublik erst 1953 ratifiziert. Die Ratifikation des EVG-Vertrages in der französischen Nationalversammlung scheiterte jedoch am 30. August 1954. Auf der Londoner Neunmächtekonferenz der sechs EVG-Staaten sowie Großbritanniens, der USA und Kanadas vom 28. September bis 3. Oktober 1954 wurde daraufhin der Beitritt der Bundesrepublik zur NATO, die Bildung der Westeuropäischen Union sowie eine Anpassung des Deutschlandvertrages beschlossen und in den Pariser Verträgen am 23. Oktober 1954 vollzogen. Nach der Ratifizierung dieser Verträge trat der Deutschlandvertrag in modifizierter Form am 5. Mai 1955 in Kraft.
II
Deutschlandvertrag,
 
Bọnner Vertrag, abgeschlossen am 26. 5. 1952 in Bonn zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den drei Besatzungsmächten USA, Großbritannien und Frankreich, enthält Vereinbarungen »über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten«. Der Deutschlandvertrag löste das Besatzungsstatut von 1949 ab. Vertragsziel (Präambel) u. a.: 1) die Integration der Bundesrepublik in die Gemeinschaft der europäischen Staaten auf der Grundlage der Gleichberechtigung; 2) die Aufrechterhaltung der im GG verankerten freiheitlichen demokratischen und bundesstaatlichen Ordnung. Kern des Deutschlandvertrags ist der Generalvertrag. Der Anhang A enthält die Hilfeleistung für Berlin, der Anhang B u. a. den Truppen-, Finanz- und Überleitungsvertrag (Zusatzverträge).
 
Der Generalvertrag gab der Bundesrepublik »die volle Macht über ihre inneren und äußeren Angelegenheiten« (Art. I, 1) und hebt das Besatzungsstatut auf (Art. I, 2). Die drei Mächte behielten sich bestimmte, aus der Kapitulation Deutschlands abgeleitete Rechte vor (Art. II: Stationierung von Streitkräften in Deutschland, der Status von Berlin, die Lage Deutschlands als Ganzes einschließlich der Wiedervereinigung und des Abschlusses eines Friedensvertrages). Die Bundesrepublik beteiligte sich im Rahmen der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) an der »Verteidigung der freien Welt« (Art. IV, 4). Bei Angriffen auf die Bundesrepublik oder bei einem inneren Umsturz, denen diese und die EVG nicht aus eigener Kraft begegnen konnten, sollten die drei Mächte Notstandsbefugnisse in Deutschland ausüben (Art. V). Ziel der gemeinsamen Politik der Vertragspartner war die Wiedervereinigung Deutschlands mit friedlichen Mitteln und der Abschluss einer frei vereinbarten friedensvertraglichen Regelung für ganz Deutschland (Art. VII, 1 und 2). Der Deutschlandvertrag sollte in Kraft treten nach 1) Hinterlegung der Ratifikationsurkunden (einschließlich der Zusatzverträge) und 2) (Junktim) In-Kraft-Treten des Vertrages über die EVG (Art. XI).
 
Zusatzverträge: Der Truppenvertrag legte die Rechte und Pflichten ausländischer Streitkräfte und ihrer Mitglieder in der Bundesrepublik fest. Der Finanzvertrag regelte den Beitrag der Bundesrepublik zu den Stationierungskosten ausländischer Streitkräfte. Der Überleitungsvertrag traf Bestimmungen über die (mit einigen Ausnahmen) der Bundesrepublik gestattete Aufhebung des bisherigen Besatzungsrechtes; die Grundlagen des bestehenden Rechts auf dem Gebiet der Dekartellisierung, der Vermögensrückerstattung und Entschädigung für Opfer des Nationalsozialismus wurden aufrechterhalten. Vorbehaltlich einer Friedensvertragsregelung für ganz Deutschland sollte die Reparationsfrage gelöst werden.
 
Nach der Ablehnung des EVG-Vertrages durch die französische Nationalversammlung 1954 (Frankreich, Geschichte) konnte der Deutschlandvertrag nicht in Kraft treten. Mit gewissen Abänderungen wurde er später in Gestalt des Protokolls C der Pariser Verträge gültig.
 
Literatur:
 
D., westl. Bündnis u. Wiedervereinigung. Mit Beitrr. v. K. Doehring u. a. (1985);
 
Grundgesetz für die Bundesrep. Dtl. Mit Vertrag über die Beziehungen zu den drei Mächten (481985).
 
Weitere Literatur: Pariser Verträge.

Universal-Lexikon. 2012.