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Troja
Tro|ja:
antike Stadt in Kleinasien.

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Troja,
 
Troia, Ilios, Ilion, lateinisch Ilium, Stadt, die Schauplatz von Homers Trojanischem Krieg ist und die nach Homers geographischen Angaben bereits von dem amerikanischen Konsul Frank Calvert u. a. an der Nordwestspitze Kleinasiens (in 4,5 km Entfernung von den Dardanellen) in der Troas im rd. 20 m hohen Ruinenhügel von Hissarlik (Hisarlɪk) vermutet wurde. Die Ausgrabungen des Hügels begann H. Schliemann 1870, sie wurden 1893-94 von W. Dörpfeld fortgesetzt; 1932-38 grub C. W. Blegen, und 1988 nahm Manfred Korfmann mit einem internationalen Team die Grabungen wieder auf, nachdem er bereits 1982-87 die Beşikbucht 7 km südwestlich des Burghügels erforscht hatte.
 
Archäologisch sind bislang in mehreren Schichten des Hügels Zerstörungen nachgewiesen, als deren Ursachen Brände, Erdbeben, aber auch Kriege denkbar sind. Schliemann vermutete die legendären kriegerischen Ereignisse in Periode II, in deren Schicht er reiche Schatzfunde machte (»Schatz des Priamos«; seit dem 2. Weltkrieg verschollen, inzwischen wurde bekannt, dass er sich im Moskauer Puschkin-Museum befindet), Dörpfeld in Periode VI und Blegen in Periode VII a. Auch Griechen und Römer sahen in diesem Hügel die Stätte der von Homer beschriebenen Stadt Ilios oder Troia.
 
Die Beşikbucht griff seinerzeit erheblich tiefer ins Land ein und diente offenbar als Hafen für die frühen Handelsschiffe, die hier auf günstige Winde für die Durchfahrt durch die Dardanellen warteten. Auf ihrer Kontrolle beruhte vermutlich der Reichtum der Stadt. Das an der Bucht vorspringende Kap Yassɪtepe besaß eine bronzezeitliche Siedlung (erste Hälfte des 3. Jahrtausends v. Chr.), in 600 m Entfernung fanden sich Reste einer noch älteren spätneolithischen Siedlung (an dieser Stelle wurde in hellenistischer Zeit ein Grabhügel für Achill aufgeschüttet). Auf dem Yassɪtepe lag auch eine archaische Befestigung (6. Jahrhundert v. Chr.), Jahrhunderte später entstanden hier hellenistische und byzantinische Bauten. An seinem Südhang lag ein Friedhof des späten 13. Jahrhunderts v. Chr., in den ausgeraubten Gräbern wurden neben lokaler Ware mykenische Keramik, Schmuck und Siegel gefunden (keine Waffen). Ein Teil der Gräber waren Scheingräber; die Unterschiedlichkeit der Bestattungen weist auf eine kulturell gemischte Bevölkerung.
 
Beim Burgberg sind die neun von Dörpfeld ermittelten Schichten (die unterste Schicht, Troja I, wird von Korfmann auf 2900-2500 v. Chr. angesetzt; die Ansätze der zeitlichen Einordnung der Schichten differieren in der Forschung stark) durch Unterteilungen von Blegen auf insgesamt 46 gegeneinander abgesetzte Siedlungshorizonte erweitert worden. Korfmann entdeckte unter der Schicht von Troja I Holzkohlenreste, die er in die Mitte des 4. Jahrtausends v. Chr. datiert (Periode »älter als Troja I«). Die dörpfeldschen Schichten I-V gehören der ägäisch-anatolischen Frühbronzezeit an, die zu Beginn des 2. Jahrtausends v. Chr. endete. Die erste, auf dem gewachsenen Fels angelegte Burg (Periode I) besaß bereits megaronartige Langhäuser und hatte eine Ringmauer (90 m Durchmesser) und mindestens ein Tor (im Süden). Sie reichte über zehn Bauphasen bis etwa 2500 v. Chr. Troja II ist eine erheblich umfangreichere Anlage (8 000 m2) mit größeren Megara und stärkeren Mauern und Toren. Troja II wird andererseits in sieben Schichten untergliedert (II a-g). Um 2400 v. Chr. fiel diese (ganze) Burg einem Brand zum Opfer. Das Tongeschirr zeigt, dass man bereits die Töpferscheibe kannte; Bronze war mittlerweile gebräuchlich. Die Hausformen der mittleren Bronzezeit treten mit dem Beginn der Periode von Troja VI auf, das einen größten Durchmesser von etwa 200 m hatte; die Burgmauer war rd. 540 m lang und umschloss eine Fläche von 20 000 m2. Die Burg wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts v. Chr. gegründet; gleichzeitig kam die graue minysche Keramik auf, vermutet wurde deshalb das Auftreten eines neuen Bevölkerungs-Elements. Später erscheinen in Troja VI die verschiedenen Gruppen der mittelhellad. matt bemalten und die Keramik der mykenischen Welt als Einfuhrware. In der Endphase von Troja VI (13. Jahrhundert v. Chr.) bestand auf dem Yassɪtepe bei der Beşikbucht der von Korfmann untersuchte Friedhof. 1992 gelang ihm der Nachweis einer Unterstadt, die sich 1500-1300 v. Chr. direkt an die Burgmauer von Troja VI anlehnte und die anscheinend eine erhebliche Ausdehnung hatte (geschätzt auf mehr als 200 000 m2, die Burg der Periode VI dagegen 20 000 m2); etwa 400 m südlich der Burg wurde 1993 eine die Unterstadt schützende Verteidigungsanlage (Troja VI) freigelegt. Nach der Zerstörung von Troja VI (um 1250 v. Chr.), wahrscheinlich durch ein Erdbeben, baute man die Burg in Troja VIIa wieder auf. Im Inneren der Burg befinden sich nun keine großen, palastartigen Gebäude mehr, sondern eine sehr dichte Verbauung mit kleineren Häusern. Sonst änderte sich die Kultur nicht. Troja VIIa wurde nach 1200 v. Chr., wohl im Zuge kriegerischer Ereignisse, zerstört. Danach gab es zwei kleine, kurzlebige Nachfolgesiedlungen. Sie zeigen keine kriegerische Einwirkungen. Die mit Buckeln verzierte Keramik von Troja VII b 2 (um 1100 v. Chr.) belegt Verbindungen von Troja nach Südosteuropa; sie gilt als thrakisch. Im 10. Jahrhundert v. Chr. verödete der Ort.
 
Erst im 8. Jahrhundert v. Chr. wurde der Hügel unter dem Namen Ilion in nennenswertem Umfang wieder besiedelt; Periode VIII endet 85 v. Chr., die Periode der römischen Besetzung beginnt (Troja IX). Für den späthellenistischen Athenatempel wurde eine Terrassierung vorgenommen, wobei die Kuppe von Troja VI abgetragen wurde. Von Alexander dem Großen und den Diadochen gefördert, gewann der Ort einige Bedeutung, Augustus gründete die römische Stadt (Ilium), die südlich unterhalb der Akropolis angelegt wurde (und Siedlungsbezirke von Periode VI überlagert); freigelegt wurden u. a. Straßen, Hausgrundrisse, ein Buleuterion und ein Odeion sowie im Nordosten Teile des großen Theaters, ferner ein Heiligtum mit zwei Tempeln (archaische bis römische Zeit). Die neuen Grabungen auf dem Burgberg betreffen auch die Grabungsstellen Schliemanns (der zugeschüttete »Schliemann-Graben«, den dieser durch den Burgberg schnitt, wurde wieder freigelegt). Mit geophysikalischen Prospektionsmethoden konnten neue Erkenntnisse zur Unterstadt gewonnen werden (bronzezeitliche Verteidigungsgräben, griechisch-römisches Straßennetz). - Die Meinungen über die historische Bedeutung des Ortes reichen von äußerster Skepsis bis zur Überzeugung, dass hier der Schauplatz von Homers »Ilias« zu suchen sei. Seit 1996 »Historischer Nationalpark Troja«; seit 1998 UNESCO-Weltkulturerbe.
 
Literatur:
 
W. Dörpfeld: T. u. Ilion, 2 Bde. (Athen 1902, Nachdr. 1968);
 
Troy. Excavations. .., 1932-1938, hg. v. C. W. Blegen u. a., 8 Tle. u. 4 Suppl.-Bde. (Princeton, N. J., 1950-82);
 F. W. Goethert u. H. Schleif: Der Athenatempel von Ilion (1962);
 C. Blegen: Troy and the Trojans (London 1963);
 Werner Müller: T. (Leipzig 1972);
 M. Wood: Der Krieg um T. Gesch. der Stadt, ihrer Wiederentdeckung u. der neuesten Grabungen (a. d. Engl., 1985);
 
Studia Troica, auf mehrere Bde. ber. (1991 ff.);
 
Der Schatz aus T. Schliemann u. der Mythos des Priamos-Goldes, Beitrr. v. W. P. Tolstikow u. M. J. Trejster, Ausst.-Kat. Moskau (1996);
 B. Brandau: Troia. Eine Stadt u. ihr Mythos (1997);
 M. Korfmann u. D. Mannsperger: Troia. Ein histor. Überblick u. Rundgang (1998);
 D. Hertel: Troia. Archäologie, Gesch., Mythos (2001);
 M. Siebler: Troia. Mythos u. Wirklichkeit (2001);
 
Troia. Traum u. Wirklichkeit, hg. v. Archäolog. Landesmuseum Bad.-Württ., Ausst.-Kat. Stuttgart (2001).
 
Weitere Literatur: Schliemann, Heinrich.
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Troja: Der Schatz des Priamos
 

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Tro|ja: antike Stadt in Kleinasien.

Universal-Lexikon. 2012.