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Elektronenmikroskop
Elek|tro|nen|mi|kro|skop 〈n. 11Mikroskop, das zur Abbildung sehr kleiner Objekte keine Licht-, sondern Elektronenstrahlen benutzt
Die Buchstabenfolge elek|tr... kann in Fremdwörtern auch elekt|r... getrennt werden.

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Elek|t|ro|nen|mi|k|ro|s|kop, das (Physik):
Mikroskop, das anstelle von Licht mit Elektronenstrahlen arbeitet u. dadurch eine stärkere Vergrößerung ermöglicht.

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Elektronenmikroskop,
 
Gerät zur Abbildung und starken Vergrößerung kleinster Objekte mithilfe von gebündelten, durch elektrische Hochspannungen stark beschleunigten Elektronen im Hochvakuum. Da das Auflösungsvermögen eines Mikroskops durch die Wellenlänge der abbildenden Strahlen (beim sichtbaren Licht etwa 338-780 nm) begrenzt ist, können beim Lichtmikroskop Objektpunkte von geringerem Abstand als etwa 0,4 · 10-6 m (bei Verwendung von langwelligem Ultraviolett bis 0,2 · 10-6 m) nicht mehr getrennt wahrgenommen werden. Kurzwellige Ultraviolett- und Röntgenstrahlen lassen sich nicht zur Mikroskopie verwenden, da es für sie keine durchsichtigen Stoffe zur Herstellung von geeigneten Linsen gibt.
 
Nach L. V. de Broglie (1924) kann einem bewegten Elektron ein zeitlich und räumlich periodischer Wellenvorgang zugeordnet werden (Materiewellen), dessen Wellenlänge λ vom Impuls p und der kinetischen Energie E des Teilchens abhängt. Es gilt:
 
(h = plancksches Wirkungsquantum, e = Elementarladung, me = Ruhmasse des Elektrons), wobei E = eU ist, wenn das Elektron eine Beschleunigungsspannung U frei durchlaufen hat. Zahlenmäßig ergibt sich dann λ ≈ 12,3 / · 10-10 m. Elektronen, die eine Beschleunigungsspannung von 105 V durchlaufen haben, ist demnach eine Wellenlänge von etwa 4 · 10-12 m = 0,004 nm zuzuordnen, was rein rechnerisch eine Steigerung des Auflösungsvermögens um mindestens vier bis fünf Größenordnungen für ein Mikroskop ergibt, das anstelle von Licht Elektronenstrahlen für die Abbildung benutzt. Die größten bisher gebauten Ultrahochspannungs-Elektronenmikroskope haben Beschleunigungsspannungen bis 3 MV. Als Strahlen brechende, den optischen Linsen entsprechende Elemente werden rotationssymmetrische elektrische und magnetische Felder (Elektronenoptik) verwendet, die in ihrer Funktion dem Kondensor, Objektiv und Okular des Lichtmikroskops entsprechen. Da sich derartige Elektronenlinsen mit vertretbaren Abbildungsfehlern nicht für so weit wie bei optischen Glaslinsen geöffnete Strahlenbündel herstellen lassen, lässt sich in der Praxis mit dem Elektronenmikroskop nur eine 100- bis 1 000fache Steigerung des Auflösungsvermögens gegenüber dem Lichtmikroskop erreichen. Die derzeitige Auflösungsgrenze liegt bei circa 0,1 nm. Diese Auflösung reicht aus, um z. B. einzelne Atome in einem Kristall zu erkennen.
 
Das Durchstrahlungs-Elektronenmikroskop (Transmissions-Elektronenmikroskop, Abkürzung TEM) gleicht in seinem Aufbau dem Lichtmikroskop. Zur Abbildung werden Elektronen verwendet, die aus einer geheizten Wolframhaarnadelkathode austreten und im Hochvakuum durch eine Anodenspannung zwischen 50 kV und 3 MV auf einheitliche Geschwindigkeit beschleunigt werden. Nach Bündelung durch die elektrische oder magnetische Elektronenkondensorlinse durchstrahlen sie das höchstens etwa 10-3 mm dicke Präparat (Objekt). Dort werden sie je nach Dicke und Dichte der durchstrahlten Präparatzonen verschieden stark absorbiert und gestreut und nach Durchlaufen der Objektivlinse zu einem etwa 100fach vergrößerten reellen Elektronenzwischenbild vereinigt. Von diesem wird ein kleiner Ausschnitt durch die Projektionslinse unter weiterer Vergrößerung auf einen Leuchtschirm oder eine Fotoplatte abgebildet. Die Projektionslinse entspricht dem Okular beim normalen Lichtmikroskop oder der Projektionslinse bei Mikroprojektion. Bei Hochleistungs-Elektronenmikroskopen, die mit hohen Spannungen und großen Elektronengeschwindigkeiten arbeiten, werden ausschließlich magnetische Elektronenlinsen verwendet. Da Elektronenstrahlen - verglichen mit Röntgenstrahlen - nur ein geringes Durchdringungsvermögen haben, können nur dünne, trockene Präparatschnitte verwendet werden, die durch ein Mikrotom oder andere Verfahren zur Gewinnung freitragender dünner Schichten hergestellt werden. Durchstrahlungs-Elektronenmikroskope arbeiten mit Nanometerauflösung und können z. B. die lokale chemische Elementverteilung angeben. Durch Anwendung elektronenholographischer Methoden kann die Auflösung bis in den (Sub-)Ångströmbereich gesteigert werden.
 
Elektronenmikroskope, bei denen ein Elektronenstrahl ein Objekt abtastet, werden Rasterelektronenmikroskope (Abkürzung REM) genannt (Rastermikroskope). - Weitere Arten von Elektronenmikroskopen sind das Elektronenemissionsmikroskop (Emissionsmikroskop), insbesondere zur Untersuchung von Oberflächen, und das Feldelektronenmikroskop, das zum Rastertunnelmikroskop weiterentwickelt wurde.
 
Elektronenmikroskopie:
 
Das Elektronenmikroskop ist heute ein in Physik, Chemie, Technik, Medizin und Biologie wichtiges Hilfsmittel für die Strukturforschung. Durch Auswertung und Überlagerung vieler elektronenmikroskopischer Einzelbilder mit einem Computer, wobei sich gleichzeitig optische Abbildungsfehler korrigieren lassen, können einzelne Atome und Molekülstrukturen abgebildet werden. In Festkörpern können mit dem Elektronenmikroskop die atomaren Strukturen von Oberflächen und Grenzflächen von Mehrphasensystemen sowie von Kristalldefekten untersucht werden. Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten hat das Elektronenmikroskop in der Materialforschung u. a. bei der Untersuchung von Korrosions-, Reduktions-, Oxidations-, Verformungs- und Schmelzprozessen gefunden. Durch die Beobachtung von Kristallbaufehlern in Halbleiterbauelementen konnte ein Zusammenhang zwischen Gitterfehlern und von ihnen bewirkten Fehlfunktionen in integrierten Schaltkreisen hergestellt werden. Da die Untersuchungsobjekte während der Beobachtung gleichzeitig einer intensiven Bestrahlung durch die Elektronen ausgesetzt sind, bietet die Hochspannungs-Elektronenmikroskopie die Möglichkeit, die dabei entstehenden mikroskopischen Strahlenschäden zu analysieren. Die Ergebnisse sind für die Werkstofftechnik beim Bau von Kernreaktoren oder auch von Raumfahrzeugen, die der Höhenstrahlung ausgesetzt sind, von höchstem Interesse. In der biologischen und medizinischen Forschung ist es mithilfe der Hochspannungs-Elektronenmikroskopie gelungen, Strukturen in Gewebekulturzellen nachzuweisen und Viruspartikel in Zellen zu lokalisieren.
 
Präparationstechnik:
 
Für die Untersuchung von kleinen, lichtmikroskopisch nicht mehr auflösbaren Teilchen (z. B. in Pulvern, Stäuben und Farbpigmenten) benutzt man 20-50 nm dicke Kunststofffolien, eventuell mit einer Kohleaufdampfschicht verstärkt, die über Trägernetze mit 100-200 μm Maschenweite gespannt sind. Die Teilchen werden aufgestäubt oder in einer Emulsion eingetrocknet. Oberflächen lassen sich nicht direkt abbilden: von ihnen wird ein Oberflächenabdruck hergestellt. Metalle und Legierungen lassen sich auch direkt in Durchstrahlung untersuchen. Ausgangsdicken von 0,1-0,01 mm werden elektrolytisch auf 100-300 nm dünnpoliert (Abbildung von Kristallbaufehlern). Bei der Abbildung kristalliner Objekte treten spezielle Kontrasterscheinungen auf, die durch Elektronenbeugung verursacht werden und die die Kristallstruktur und damit die Zusammensetzung des Objektes zu ermitteln gestatten.
 
In der biologischen Anwendung wird vorwiegend die Dünnschnitttechnik benutzt. Nach Fixation des Objektes mit Glutaraldehyd und einer Osmiumnachfixation sowie anschließender Entwässerung und Durchdringung mit einem Kunststoffmonomer (z. B. Methacrylat) wird dieses polymerisiert. Der Kunststoffblock lässt sich auf einem Ultramikrotom in Schnitte von 20-200 nm Dicke zerschneiden. Die biologischen Strukturen (Membranen, Ribosomen, DNA u. a.) lassen sich noch am Schnitt nachkontrastieren (z. B. mit Uranyl- oder Bleiacetatlösungen). Bei der Gefrierätztechnik wird das eingefrorene Objekt unter Hochvakuum gespalten, das Eis zur Freilegung eines Oberflächenreliefs kurze Zeit abgedampft und im gleichen Vakuum ein Oberflächenabdruck hergestellt. Viren und kleinere Zellorganellen können in ihrer Feinstruktur optimal durch Negativkontrastierung abgebildet werden. Dazu werden diese in Uranylacetat oder Phosphorwolframsäure (Stoffe mit großer Dichte) eingebettet und erscheinen wegen ihrer geringeren Dichte als helle Strukturen auf dunklem Grund.
 
Geschichte:
 
Die eigentliche Entwicklung des Elektronenmikroskops und der Elektronenoptik begann mit der Entdeckung von H. Busch (1926), dass rotationssymmetrische elektrische und magnetische Felder für geladene Teilchen quasioptische Abbildungseigenschaften besitzen. Das erste Elektronenmikroskop mit magnetischen Linsen wurde 1931 von E. Ruska und M. Knoll konstruiert, das erste Elektronenmikroskop mit elektrischen Linsen 1932 von E. Brüche und H. Johannson. 1940 konstruierte M. von Ardenne ein Universalelektronenmikroskop, mit dem auch Stereobilder gewonnen werden konnten. Mit dem Gerät von Knoll und Ruska erzielten E. Driest und H. O. Müller 1934 erstmals Auflösungsvermögen, die jene von Lichtmikroskopen übertrafen. Mit dem Einbau spezieller Linsen wurden seit 1941 Beugungs- und damit Strukturuntersuchungen in Mikrobereichen möglich. Nach Vorarbeiten von M. von Ardenne gelang V. K. Zworykin und Mitarbeitern 1942 eine Oberflächenabbildung mit dem Rasterelektronenmikroskop mit einer Auflösung unterhalb der des Lichtmikroskops. Zunächst wurden diese Geräte für die chemische Mikroanalyse mittels Elektronenstrahlabtastung (Elektronenstrahlmikroanalyse) eingesetzt, ab 1965 wegen ihrer enormen Schärfentiefe und der problemlos um mehr als fünf Größenordnungen variablen Vergrößerung als vielseitige Mikroskope für Oberflächenabbildung anstelle früherer Emissionsmikroskope.
 
Seit 1947 wurden Höchstspannungsmikroskope (mit 400 kV bis 3 MV Beschleunigungsspannung) entwickelt, mit denen relativ dicke Schichten (bei 1 MV bis 1 μm) durchstrahlt werden können und deren Auflösungsvermögen bei etwa 0,1 nm liegt. 1956 wurden damit erstmals Netzebenen von Kristallen, 1970 einzelne Atome sichtbar gemacht. - Aufbauend auf dem Feldelektronenmikroskop (E. W. Müller, 1937) entwickelten G. Binnig und H. Rohrer (beide erhielten dafür 1986 zusammen mit E. Ruska den Nobelpreis) das Rastertunnelmikroskop, mit dem eine dreidimensionale Oberflächenabbildung mit subatomarer Auflösung möglich ist.
 
Literatur:
 
L. Reimer u. G. Pfefferkorn: Raster-Elektronenmikroskopie (21977);
 K. G. Lickfeld: Elektronenmikroskopie (1979);
 W. Gloede: Vom Lesestein zum E. (Berlin-Ost 1986);
 F. Grasenick: Elektronenmikroskopie (1986);
 L. Reimer: Transmission electron microscopy (Berlin 31993).

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Elek|tro|nen|mi|kro|skop, das: Mikroskop, das anstelle von Licht mit Elektronenstrahlen arbeitet u. dadurch eine stärkere Vergrößerung ermöglicht.

Universal-Lexikon. 2012.