Akademik

Niere
Nie|re ['ni:rə], die; -, -n:
a) paariges, in der oberen Bauchhöhle liegendes Organ, das der Bildung und Ausscheidung des Harns dient:
die rechte, linke Niere; ihr musste eine Niere entfernt werden.
Zus.: Schrumpfniere.
b) als Speise dienende oder zubereitete Niere (a) bestimmter Schlachttiere:
ein Pfund Nieren kaufen; morgen gibt es saure Nieren.
Zus.: Kalbsniere, Schweineniere.

* * *

Nie|re 〈f. 19; Anat.〉 paariges, drüsiges Ausscheidungsorgan von bohnenartiger Gestalt: Ren, Nephros ● das geht mir an die \Nieren 〈fig.; umg.〉 trifft mich hart, empfindlich, schmerzlich; saure \Nieren 〈Kochk.〉 [<mhd. nier(e) „Niere, Lende“ <ahd. nioro „Niere, Hoden“ <idg. *neghuro- „Niere, Hoden“] Siehe auch Info-Eintrag: Niere - info!

* * *

Nie|re , die; -, -n [mhd. nier(e), ahd. nioro, altes idg. Wort, urspr. auch = Hoden]:
a) paariges, beim Menschen bohnenförmiges, hinten in der oberen Bauchhöhle gelegenes Organ, das der Bildung u. Ausscheidung des Harns dient:
ihre -n haben versagt;
Ü künstliche N. (Dialysegerät);
jmdm. an die -n gehen (ugs.; jmdn. sehr angreifen, aufregen, mitnehmen);
b) <meist Pl.> als Speise dienende od. zubereitete Niere (a) bestimmter Schlachttiere.

* * *

Niere,
 
griechisch Nẹphros, lateinisch Ren, wichtigstes Organ der Wirbeltiere zur Kontrolle der extrazellulären Flüssigkeit hinsichtlich der Homöostase ihres Volumens, der Osmolarität (Isotonie), des pH-Wertes (Isohydrie) und der Konzentration von Salzen (Isoionie) und anderen gelösten Substanzen sowie zur Ausscheidung schädlicher und unnützer Stoffe (Exkretion). Sie ist damit das am höchsten entwickelte osmoregulatorische und sekretorische Organ. Die Nieren der verschiedenen Wirbeltiergruppen sind jedoch sehr unterschiedlich gebaut. So übernimmt die Säugetierniere Funktionen, die bei niederen Wirbeltieren andere Organe ausführen (extrarenale osmoregulatorische Organe). Dazu gehören z. B. die Kiemen der Fische und die Salzdrüsen der Reptilien und Vögel.
 
Anatomie der Säugetierniere:
 
Die paarig angeordneten Nieren liegen beiderseits der Wirbelsäule unterhalb des Zwerchfells zwischen Bauchfell und hinterer Bauchwand. Beim Menschen ist die Niere am äußeren Rand konvex und innen konkav, etwa 12 cm lang, 6 cm breit und 4 cm dick. Eine Niere wiegt etwa 120-200g. Das Nierenmark (Medulla) umgibt das Nierenbecken, welches muldenförmige Nierenkelche bildet und in das es pyramidenförmige Nierenpapillen entsendet. Nierenpapillen und Nierenkelche bilden zusammen die Nierenlappen (beim Menschen 10-20). Die äußere Nierenschicht (Nierenrinde, Cortex) ist von einer bindegewebigen Nierenkapsel umgeben. Am inneren Rand der Niere liegt der Nierenhilus: die Ein- und Austrittsstelle der Nierenarterie, der Nierenvene, des Harnleiters und der Nierennerven. Aus dem Nierenbecken führt der Harnleiter (Ureter) über die Harnblase zur Harnröhre (Harnweg). Die Harnblase ist von quer gestreifter Muskulatur umgeben und steht unter neuronaler Kontrolle, während die Nierenfunktion selbst v. a. humoral reguliert wird. Die funktionelle Einheit ist das Nephron, ein kompliziert gebauter Tubulusapparat (Röhrensystem), der an einem Ende verschlossen ist und sich mit dem anderen Ende in das Nierenbecken öffnet. Es lässt sich morphologisch und funktionell in drei Abschnitte gliedern: das proximale Nephron, die Henle-Schleife und das distale Nephron. Das proximale Nephron (Nierenkörperchen) ist die verschlossene Seite und liegt in der Nierenrinde. Es besteht aus der Bowman-Kapsel, die in den proximalen Tubulus übergeht. Dieser setzt sich aus einem stark verschlungenen Teil (proximaler Tubuluskonvolut: Pars convoluta) und einem gestreckten Teil (Pars recta) zusammen. Letzterer geht in die im Nierenmark liegende Henle-Schleife über. Sie verläuft u-förmig und wird daher in einen absteigenden und einen aufsteigenden Schenkel unterschieden. Der aufsteigende Schenkel geht in das distale Nephron über. Dieses besteht aus dem distalen Tubulus und dem (in der Nierenrinde gelegenen) distalen Tubuluskonvolut und mündet in das Sammelrohr (für den Endharn). Proximaler Tubulus, Henle-Schleife und distaler Tubulus werden auch als Nierenkanälchen (Harnkanälchen, Nierentubulus) bezeichnet. Das distale Tubuluskonvolut berührt die Arteriole seines zugehörigen Glomerulus und bildet mit ihr den juxtaglomerulären Apparat, dessen Zellen das Gewebehormon Renin produzieren.
 
Funktion:
 
Die Bowman-Kapsel umschließt ein Kapillarnetz (Glomerulus) - beide gemeinsam als Nierenkörperchen (Malpighi-Körperchen) bezeichnet -, an dem der erste der drei Schritte der Harnbildung erfolgt (erste glomeruläre Filtration): Der Primärharn (Filtrat, Vorharn) wird aus dem Blut der Kapillaren in das Lumen der Bowman-Kapsel gepresst und im Weiteren durch den Nierentubulus und das Sammelrohr in das Nierenbecken geleitet. Er enthält 20-25 % des Wassers sowie praktisch alle Bestandteile des Blutes außer den Blutzellen und den Proteinen. Die glomeruläre Filtration ist unselektiv und hängt nur von der Molekülgröße der filtrierten Stoffe ab. Rd. 99 % des Wassers des Primärharns und fast alle Ionen werden in den Nierentubuli wieder an den interstitiellen Raum abgegeben (zweite tubuläre Reabsorption). Die Wand des Nierentubulus besteht nur aus einer Epithelzellschicht, die an einigen Stellen auf der tubulären Seite einen dichten Mikrovillisaum hat. Die Epithelzellen sind nur punktuell verbunden (durch Tight Junctions), sodass auch eine interzelluläre Diffusion möglich ist. Die tubuläre Reabsorption ist bis zu einem gewissen Grad selektiv und führt zu einer Konzentrierung der Abfallstoffe (z. B. Harnstoff). Die meisten Ionen werden aktiv aus dem Glomerulusfiltrat reabsorbiert, während andere Substanzen (z. B. Wasser) passiv entlang dem osmotischen Gradienten reabsorbiert werden. Der osmotische Gradient wird mithilfe der Henle-Schleife aufgebaut, die nach dem Gegenstromprinzip arbeitet. Gleichzeitig findet ein entgegengerichteter, aktiver, selektiver Transport von bestimmten Substanzen in den Nierentubulus statt (dritte tubuläre Sekretion). Er sorgt für die Regulierung der K+- und H+-Konzentrationen und des Hydrogencarbonats im Blut (Puffersystem des Blutes) sowie für die Beseitigung von Fremdsubstanzen (z. B. Drogen). Die Anzahl der Nephrone ist sehr unterschiedlich und von der Größe und Stoffwechselaktivität des Tieres abhängig: Amphibien 400-2 000, Maus 20 000, Mensch 2 Mio., Rind 8 Mio. Beim Menschen passieren rd. 1 500 Liter Blut je Tag die Nephrone, wovon 150-170 Liter Primärharn gebildet werden, aber nur 1-2 Liter Endharn. Die Aorta versorgt die Glomeruli mit Blut. Bei niederen Wirbeltieren besteht ein zusätzliches renales Pfortadersystem, das im Verlauf der Wirbeltierreihe schrittweise reduziert wird und bei den Säugetieren ganz fehlt. - Ein Maß für die Ausscheidungsarbeit der Niere bei der Nierenfunktionsprüfung ist der Clearancewert (Clearance).
 
Nieren der Wirbeltiere:
 
Einen primitiven Vorläufer des Nephrons findet man bei einigen Prochordaten, bei denen das proximale Ende des Nephrons eine offene Verbindung mit dem Zölom (sekundäre Leibeshöhle) hat. Bei den marinen Schleimfischen (Cyclostomata) sind Glomeruli vorhanden, die Nierentubuli fehlen jedoch vollständig, sodass die Bowman-Kapsel direkt in das Sammelrohr entleert wird. Diese Nieren haben nur begrenzte osmoregulatorische Funktion. Sie scheinen hauptsächlich Blut, Wasser und darin enthaltene Substanzen je Zeiteinheit umzuwälzen, um die Anhäufung giftiger, stickstoffhaltiger Substanzen zu verhindern. Wasser und Ionen, die mit dem Harn verloren gehen, werden aus dem umgebenden Medium ersetzt. Das Plasma der Schleimfische sowie der Rochen und Haie (Chondrichthyes) ist mit dem Meerwasser annähernd isotonisch. Dies beruht auf einer hohen Harnstoffkonzentration im Plasma. Die Knochenfische (Teleostei) stehen auf der nächsthöheren Stufe: Ihr Plasma ist gegenüber Meerwasser hypoosmotisch, gegenüber Süßwasser hyperosmotisch. Dafür ist jedoch nicht die Niere verantwortlich, sondern die Aktivität der Kiemen. Marine Knochenfische müssen daher, ebenso wie in trockener Umgebung lebende Reptilien, ihre Wasserausscheidung möglichst gering halten. Sie haben dazu nur kleine Glomeruli ausgebildet, und bei einigen Arten fehlen sie vollständig. Bei solchen aglomerulären Nieren wird der Harn ausschließlich durch Sekretion gebildet. Dagegen haben Süßwasserknochenfische, ebenso wie alle höheren Wirbeltiere, große und zahlreiche Glomeruli. Hypertonischen Harn können nur Vögel und Säugetiere bilden, da nur sie die Henle-Schleife besitzen und damit eine Nierenorganisation, die mit dem Gegenstromprinzip arbeitet. Dadurch kann ein großer osmotischer Gradient von der Nierenrinde bis zum Nierenmark aufgebaut werden, der eine wirkungsvolle osmotische Beseitigung von Wasser aus dem Sammelrohr zur Folge hat. Bei Reptilien und Vögeln werden aus Wasserersparnisgründen die stickstoffhaltigen Endprodukte des Stoffwechsels nicht als in Wasser gelöster Harnstoff, sondern in fester Form als Harnsäure ausgeschieden.
 
Evolution:
 
Das Nierensystem leitet sich von einem ursprünglichen Organ (Holonephros) ab, das sich über fast alle Körpersegmente erstreckt und meist in Nephrotome gegliedert ist. Die Grundform des Holonephros findet sich nur noch bei Larven der Schleimfische. Bei den Wirbeltieren ist der vordere Nierenteil (Vorniere, Stammniere, Pronephros) nur noch bei Neunaugen, einigen Amphibienlarven und neotenen Knochenfischen (hier als einziges Exkretionsorgan) vorhanden. Bei anderen Knochenfischen ist er in die Kopfniere (meist nur noch Blutbildungsorgan) eingegangen. Von der dann übrig bleibenden Hinterniere (Opisthonephros) findet man die Urniere (Mesonephros) noch in der Rumpfgegend von Schleimfischen an aufwärts bis zu den Amphibien. Bei den meisten Knochenfischen und Amphibien ist sie das Harnorgan. Bei der Urniere werden zwei Tendenzen deutlich: Die segmentale Anordnung der Nierenkanälchen geht verloren, und der Urnierengang (primärer Harnleiter) wird mehr und mehr zum Ausführgang für Geschlechtsprodukte, während ein neuer Harnleiter (sekundärer Harnleiter) entsteht (Ureter). Bei den Amnioten entwickelt sich der auf die Urniere folgende Teil der Hinterniere, die Nachniere (Dauerniere, Metanephros; mit sekundärem Harnleiter), nach und nach zur definitiven Niere, während die Urniere nur noch embryonal als Exkretionsorgan angelegt wird. Bei Reptilien und Vögeln ist die Nachniere meist noch lang gestreckt und gelappt oder gekerbt und erreicht erst bei Säugetieren (v. a. beim Menschen) die einheitliche, typisch bohnenförmige Gestalt. (Exkretion, Harn)
 
Literatur:
 
P. Deetjen u. a.: N. u. Wasserhaushalt (31976);
 H. Penzlin: Lb. der Tierphysiologie (61996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Dialyse: Die Blutreinigung
 
Nebenschilddrüsen und andere hormonbildende Organe
 
Niere: Aufbau
 
Niere: Funktionsweise
 
Urin und Krankheitserkennung
 
Harnwege: Ableitung des Harns und Blasenentleerung
 
Harnwege: Erkrankungen
 
Niere: Akutes und chronisches Nierenversagen
 
Urindiagnostik und Nierenleistung
 
Niere: Teil eines gigantischen Regelwerks
 
Blutdruck: Mechanismen zur Regulation
 

* * *

Nie|re, die; -, -n [mhd. nier(e), ahd. nioro]: a) paariges, beim Menschen bohnenförmiges, hinten in der oberen Bauchhöhle gelegenes Organ, das der Bildung u. Ausscheidung des Harns dient: die rechte, linke N.; ihre -n haben versagt; ihm musste eine N. entfernt werden; die Funktion der -n prüfen; Der ... Farbstoff wird durch die -n ausgeschieden (Medizin II, 155); er hat es an den -n, hat es mit den -n zu tun (ugs.; ist nierenkrank); Ü künstliche N. (Dialysegerät); *jmdm. an die -n gehen (ugs.; jmdn. sehr angreifen, aufregen, mitnehmen); b) <meist Pl.> als Speise dienende od. zubereitete ↑Niere (a) bestimmter Schlachttiere: ein Pfund -n kaufen; morgen gibt es saure -n.

Universal-Lexikon. 2012.