* * *
Sla|wịs|tik 〈f.; -; unz.〉 Wissenschaft von den slaw. Sprachen u. Kulturen
* * *
Sla|wịs|tik, die; -:
Wissenschaft von den slawischen Sprachen, Literaturen [u. Kulturen].
* * *
Slawịstik
die, -, slawische Philologie, die philologische Forschung im Bereich der slawischen Sprachen und Literaturen. Es gibt jüngere Tendenzen, die slawische Philologie als philologische Arbeit an Texten der Slawistik als Fach, das Volks- und Landeskunde umfasst, gegenüberzustellen, obwohl die slawische Philologie seit jeher volkskundliche und geistesgeschichtliche Fragestellungen behandelt hat. - Unter dem Einfluss J. G. Herders und der deutschen Romantik sowie der Tätigkeit der Brüder Grimm in Deutschland sowie der sich entwickelnden historisch-vergleichenden Sprachwissenschaft (F. Bopp) entstand mit dem aufkommenden Nationalbewusstsein bei den slawischen Völkern ein gesteigertes Interesse an der eigenen Geschichte und Kultur und der Zusammengehörigkeit aller Slawen (Panslawismus). Die Anfänge der Slawistik stehen im Zeichen der Aufklärungsbewegung bei den slawischen Völkern in der österreichisch-ungarischen Monarchie, wo J. Dobrovský und B. Kopitar als ihre Begründer gelten können. Hinzu kommt A. C. Wostokow in Russland. Zwar hatte A. Mickiewicz bereits 1840-44 Vorlesungen zu den slawischen Literaturen am Collège de France in Paris gehalten, zum Zentrum der slawischen Forschung wurde jedoch Wien, wo F. Miklosich 1849 einen Lehrstuhl für slawische Sprachen erhielt, auf dem ihm 1886 V. Jagić folgte.
An erster Stelle standen die Herausgabe alter Sprachdenkmäler und die Erforschung der historischen Entwicklung der slawischen Sprachen. Einer der Begründer der Slawistik, P. J. Šafárik, beschäftigte sich schon früh mit den slawischen Literaturen und der slawischen Volkskunde. Gegen Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts erhielt, zum Teil unter dem Einfluss der Junggrammatiker, die historisch-vergleichende Sprachforschung noch stärkeres Gewicht (A. Leskien, A. Meillet, A. Schachmatow, J. Baudouin de Courtenay), aber auch die slawischen Literaturen, die Kultur- und Geistesgeschichte und die Volkskunde wurden weiterhin einbezogen (A. Brückner, M. Murko, A. Wesselowskij).
Nach dem Ersten Weltkrieg kam es durch die Gründung neuer slawischer Staaten (Polen, Tschechoslowakei, Jugoslawien) einerseits zu einem starken Aufschwung der slawistischen Forschung, andererseits trat jedoch der vergleichende Aspekt hinter dringenden praktisch-philologischen Arbeiten zurück. 1929 fand in Prag der erste internationale Slawistenkongress statt, zu dem die Thesen des Prager linguistischen Kreises (Prager Schule) erschienen. Die darin geforderte systemhafte und funktionale Betrachtungsweise der Sprache erstreckte sich auch auf die Literatur und Volkskunde, und die Slawistik wirkte über den Begründer der Phonologie N. S. Trubezkoj, den bedeutenden Sprach- und Literaturwissenschaftler R. Jakobson u. a. Mitglieder des Prager Kreises, die zum Teil vom russischen Formalismus kamen, befruchtend auf andere philologische Disziplinen. Seit den 1960er-Jahren waren es wiederum vornehmlich Slawisten, die in Anknüpfung an diese Traditionen in Moskau und Tartu die Semiotik als übergreifende Wissenschaft von den in der menschlichen Gesellschaft verwendeten Zeichensystemen entwickelten. Daneben arbeitet die Slawistik weiterhin an der Erschließung neuen Quellenmaterials, der Dialektologie, Lexikologie und Phraseologie, der Textologie, der nationalen und vergleichenden Literaturwissenschaft, der Volkskunde und Mythologie.
Seit 1929 war alle fünf Jahre ein internationaler Slawistenkongress geplant; diese Tradition wurde jedoch durch den Zweiten Weltkrieg unterbrochen. Der vierte Kongress fand 1958 in Moskau statt; zu ihm wurde das Internationale Slawistenkomitee (MKS) gegründet, das seitdem alle fünf Jahre einen Kongress organisiert. 1973 entstand bei der UNESCO die »Internationale Vereinigung zur Erforschung und Verbreitung der slawischen Kulturen« (MAIRSK), die eng mit dem Slawistenkomitee zusammenarbeitet.
Bibliogr. slawist. Publikationen aus der DDR, 5 Bde. (Berlin-Ost 1974-89);
Materialien zur Gesch. der Slavistik in Dtl., hg. v. H. B. Harder u. a., 2 Tle. (1982-87);
S. Hafner: Gesch. der österr. S., in: Beitrr. zur Gesch. der S. in nichtslaw. Ländern (Wien 1985);
W. Zeil: S. in Dtl. Forschungen u. Informationen über die Sprachen, Literaturen u. Volkskulturen slaw. Völker bis 1945 (1994);
Die Funktion der S. im europ. Bildungswesen (Salzburg 1997).
Zeitschriften: Revue des études slaves (Paris 1921 ff.);
The Slavonic Review (London 1922 ff.);
Ztschr. für slaw. Philologie (1925 ff.);
Wiener Slavist. Jb. (Wien 1950 ff.);
Ricerche slavistiche (Rom 1952 ff.);
Anzeiger für Slav. Philologie (Graz 1966 ff.);
Slavica Hierosolymita (Jerusalem 1977 ff.);
Wiener Slawist. Almanach (Wien 1978 ff.).
* * *
Sla|wịs|tik, die; -: Wissenschaft von den slawischen Sprachen, Literaturen [u. Kulturen].
Universal-Lexikon. 2012.