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Staats|si|cher|heits|dienst, der:
(in der DDR) politische Geheimpolizei mit geheimdienstlichen Aufgaben (Abk.: SSD; ugs. Kurzwort: Stasi).
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Staats|sicherheitsdienst,
in den 1950er-Jahren Abkürzung SSD, früher häufige Bezeichnung für das Ministerium für Staats|sicherheit der DDR (1950-89), Abkürzung MfS, meist unter dem Kurzwort die Stasi (für »Staatssicherheit«; auch der Stasi) bekannt. Der Staatssicherheitsdienst war eines der wichtigsten Herrschaftsinstrumente der SED in der DDR; er verband die Sicherung der Parteiherrschaft nach innen mit der Spionage nach außen. In ihm bündelten sich Aufgaben einer politischen Geheimpolizei, einer mit exekutiven Befugnissen ausgestatteten Untersuchungsbehörde für politische Strafsachen und eines geheimen Nachrichtendienstes. Der Staatssicherheitsdienst erwies sich als ein weit verzweigtes, personalstarkes Instrument des Staatsterrors zur umfassenden Beaufsichtigung der Bevölkerung und ihrer Ausrichtung auf die Ziele von Partei und Staat.
Der Staatssicherheitsdienst war formal als MfS Teil der Regierung der DDR, jedoch nicht ihren Weisungen unterworfen (intern geregelt; das zuletzt gültige geheime Statut wurde am 30. 7. 1969 vom Nationalen Verteidigungsrat der DDR bestätigt). Für die politische Anleitung und Kontrolle war die Abteilung für Sicherheitsfragen im ZK der SED und der für den Bereich Sicherheit verantwortliche Sekretär des ZK der SED zuständig (zuletzt seit 1983 E. Krenz). Horizontal gliederte sich der Apparat des MfS, geleitet vom Minister und vier Stellvertretern, mit seiner Zentrale in Berlin-Lichtenberg (Normannenstraße) in die verschiedenen Hauptabteilungen (und Abteilungen) des nach innen gerichteten »Abwehrsektors« sowie in die Hauptabteilungen Aufklärung (HVA; gebildet 1951 als »Außenpolitischer Nachrichtendienst«, 1953 dem MfS als Hauptabteilung XV eingegliedert, seit 1956 als HVA; 1958-86 geleitet von M. Wolf) und Bewirtschaftung. Zuletzt war u. a. die Hauptabteilung VIII zuständig für »Ermittlungen, Observierungen, Festnahmen« sowie die Hauptabteilung XX für die »Bekämpfung politischer Untergrundtätigkeit und politisch-ideologischer Diversion«. Besonders bekannt wurde nach 1989 der Bereich »Kommerzielle Koordinierung« (KoKo) unter A. Schalck-Golodkowski. Vertikal bestand das MfS aus der Verwaltung in Berlin sowie aus 14 Bezirks-Verwaltung (BV) und der Objektverwaltung Wismut. Den BV nachgeordnet waren (zuletzt 211) Kreis- und (sieben) Objektdienststellen. Das MfS besaß ein eigenes Wachregiment in Berlin in (zuletzt) Divisionsstärke (13 000 Mann). Der Dienst im MfS und in seinen Organen war dem Wehrdienst gleichgestellt.
Im Sinne ihrer Aufgabenstellung unterhielt die Stasi ein weit verzweigtes Informations- und Spitzelsystem, das sich besonders auf »Inoffizielle Mitarbeiter« (IM) und »Gesellschaftliche Mitarbeiter Sicherheit« (GMS) in großer Zahl stützte, die in allen Bereichen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens bis hin in die private Sphäre eingesetzt wurden. Neben politischer Überzeugung bildeten materielle Anreize und/oder persönliche Erpressung die Basis für die Anwerbung der IM und GMS. Darüber hinaus überwachte das MfS den Post- und Fernmeldeverkehr. Seine Untersuchungsorgane, die über ein gut organisiertes Gefängnissystem verfügten, waren - im offiziellen Sprachgebrauch - mit »Staatsverbrechen« befasst (wobei diese Delikte nach politischen Maßstäben gewertet wurden); die Untersuchungsorgane unterlagen formal der Kontrolle der Staatsanwaltschaft und den Bestimmungen der Strafprozessordnung, waren jedoch real in Methode und Urteilsbildung unumschränkt. - Nach 1995 bekannt gemachten Unterlagen plante der Staatssicherheitsdienst seit dem 17. 6. 1953 (detailliert 1967-89) im »Spannungsfall«, also bei inneren Unruhen und im Kriegszustand, die sofortige Internierung von mehr als 10 000 Regimegegnern u. a. politisch missliebiger Personen in etwa 30 Isolierungslagern (mit Bewachung, Arbeitszwang, Hungerrationen).
In der SBZ begannen die sowjetischen Sicherheitsorgane 1948 mit dem geheimen Aufbau einer politischen Polizei (K 5; Kommissariate 5 der Volkspolizei). Nach Gründung der DDR (1949) wurde im Innenministerium (MdI) - unter Übernahme der Kader von K 5 - die »Hauptverwaltung zum Schutz des Volkseigentums« gebildet, die am 8. 2. 1950 als MfS unter W. Zaisser (SED) organisatorisch verselbstständigt wurde (etwa 1 000 hauptamtliche Mitarbeiter). Unter der Leitung eines Staatssekretärs gab es nach dem Aufstand vom 17. 6. 1953 erneut im Innenministerium ein »Staatssekretariat für Staatssicherheit« (SfS); 1955-89 bestand unter den Ministern E. Wollweber (SED; 1955-57) und E. Mielke (SED; 1957-89) wieder das MfS (1954: 11 700, 1957: 17 500 hauptamtliche Mitarbeiter). Von Beginn an war der Staatssicherheitsdienst am KGB orientiert; bis Mitte 1952 direkt von ihm geführt, waren danach sowjetische »Berater« (»Verbindungsoffiziere«; Sitz des KGB in Berlin-Karlshorst; etwa 1 000 Mitarbeiter) für die enge Zusammenarbeit, die seit den 1960er-Jahren auch vertraglich geregelt war, verantwortlich. Während der Amtszeit von E. Honecker als SED-Chef (1971-89) erfolgte ein extensiver Ausbau des Staatssicherheitsdienstes (1973: 52 700 hauptamtliche Mitarbeiter, 1989 etwa 91 000 hauptamtliche und etwa 171 000 inoffizielle Mitarbeiter [IM] in der DDR, vermutlich über 20 000 IM in der Bundesrepublik Deutschland). Geheime Offiziere im besonderen Einsatz (OibE) waren u. a. in den Ministerien, Außenhandelseinrichtungen und Abteilungen »Inneres« der Räte der Bezirke und Kreise eingesetzt. Während der gewaltfreien Revolution 1989 war der Staatssicherheitsdienst neben der SED und ihren Funktionären einer der Hauptadressaten der Demonstrationen; ab 4. 12. 1989 erfolgten Besetzungen von Dienststellen, zuerst in Erfurt und Leipzig, am 15. 1. 1990 der Zentrale in Berlin. Der im November 1989 in Amt für Nationale Sicherheit umbenannte Staatssicherheitsdienst (Leiter: W. Schwanitz; SED/PDS) wurde ab Ende 1989 bis Mitte 1990 unter Kontrolle von Bürgerkomitees und (seit Juni 1990) eines Sonderausschusses der Volkskammer (Leiter: J. Gauck) aufgelöst. Außerdem war am 13. 1. 1990 per Beschluss der Regierung der DDR (Ministerrat) unter H. Modrow (SED/PDS) die Auflösung verfügt und am 8. 2. 1990 von der Regierung ein staatliches »Komitee zur Auflösung des ehemaligen Amtes für Nationale Sicherheit« errichtet worden, in dem ebenfalls Bürgerrechtler mitarbeiteten. Gleichzeitig konnte die von der Modrowregierung ab November 1989 beabsichtigte Gründung eines Verfassungsschutzes v. a. durch Bürgerrechtler verhindert werden. Ab Spätherbst 1989 vernichteten Mitarbeiter des Staatssicherheitsdienstes unter dem Vorwand der »Reduzierung des Bestandes registrierter Vorgänge und Akten sowie weiterer operativer Materialien und Informationen« systematisch Dokumente (»Aktion Reißwolf«). - Am 3. 10. 1990 übernahmen der Bundesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der DDR (1990-2000: Gauck, ab 2000: M. Birthler) und seine Behörde (Abkürzung BStU) die Verantwortung für die Aufbewahrung und Sicherung der hinterlassenen Unterlagen und Dateien des Staatssicherheitsdienstes (darunter eine Vielzahl von personenbezogenen Akten; etwa 5,4 Mio. Karten der »F 16«-Primärkartei). Das Stasiunterlagengesetz vom 20. 12. 1991 (Abkürzung StUG; mehrfach geändert) gewährt jedermann seit dem 1. 1. 1992 - nach erfolgter Antragstellung - besonders das Recht auf Auskunft, Einsichtnahme in seine personenbezogenen Unterlagen sowie auf Herausgabe von Duplikaten dieser Unterlagen. Des Weiteren regelt es die Verwendung der Unterlagen für öffentliche Zwecke (z. B. Rehabilitierung, Aufklärung des Schicksals Vermisster, Überprüfung von bestimmten Personen). Aufgrund Gesetzesänderung (§ 19) ist ab 1. 8. 1998 die Erteilung von Auskünften bei Personenüberprüfungen eingeschränkt worden.
K. W. Fricke: Die DDR-Staatssicherheit. Entwicklungen, Strukturen, Aktionsfelder (31989);
K. W. Fricke: MfS intern. Macht, Strukturen, Auflösung der DDR-Staatssicherheit (1991);
K. W. Fricke: u. B. Marquardt: DDR-Staatssicherheit. Das Phänomen des Verrats. Die Zusammenarbeit von MfS u. KGB (1995);
»Ich liebe euch doch alle«. Befehle u. Lageberichte des MfS, Januar-November 1989, hg. v. A. Mitter u. S. Wolle (1990);
L. Wawrzyn: Der Blaue. Das Spitzelsystem der DDR (1990);
Abgesang der Stasi. Das Jahr 1989 in Presseartikeln u. Stasi-Dokumenten, hg. v. R. Pechmann u. a. (1991);
Stasi intern. Macht u. Banalität, hg. vom Bürgerkomitee Leipzig (21991);
Der Einfluß der Stasi auf die Kirchen, bearb. v. H. Matthies (1992);
K.-D. Schlechte: Das Ende des S. der DDR, auf mehrere Tle. ber. (1992 ff.);
Wann bricht schon mal ein Staat zusammen! Die Debatte über die Stasi-Akten u. die DDR-Gesch. auf dem 39. Historikertag 1992, hg. v. K.-D. Henke (1993);
A. Engel: Die rechtl. Aufarbeitung der Stasi-Unterlagen auf der Grundlage des StUG (1995);
J. Gauck: Die Stasi-Akten. Das unheiml. Erbe der DDR (28.-29. Tsd. 1995);
J. Walther: Sicherungsbereich Literatur. Schriftsteller u. Staatssicherheit in der DDR (1996);
Die Kirchenpolitik von SED u. Staatssicherheit. Eine Zwischenbilanz, hg. v. C. Vollnhals (21997);
Inoffizielle Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit, hg. v. H. Müller-Enbergs, 2 Tle. (21998);
W. Süß: Staatssicherheit am Ende. Warum es den Mächtigen nicht gelang, 1989 eine Revolution zu verhindern (21999);
H. Knabe: West-Arbeit des MfS. Das Zusammenspiel von »Aufklärung« u. »Abwehr« (21999);
Justiz im Dienste der Parteiherrschaft. Rechtspraxis u. Staatssicherheit in der DDR, hg. v. R. Engelmann u. C. Vollnhals (22000);
J. Gieseke: Die hauptamtl. Mitarbeiter der Staatssicherheit. Personalstruktur u. Lebenswelt 1950-1989/90 (2000).
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Staats|si|cher|heits|dienst, der: (in der DDR) politische Geheimpolizei mit geheimdienstlichen Aufgaben; Abk.: SSD; ugs. Kurzwort: Stasi.
Universal-Lexikon. 2012.