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Säugetiere
Säugetiere,
 
Säuger, Mammalia, mit mehr als 4 000 Arten in 20 Ordnungen und 130 Familien in allen Biotopen weltweit verbreitete, höchstentwickelte Klasse der Wirbeltiere. Größe und Gewicht variieren von 3 cm Körperlänge und 2 g Gewicht (kleinste Fledermaus) bis über 30 m Länge und 130 t Gewicht (Blauwal); jedoch besitzen alle Säugetiere einige gemeinsame Merkmale, die sie von allen anderen Tieren unterscheiden: Ihre Jungen werden stets von der Mutter mit in besonderen Milchdrüsen erzeugter Milch gesäugt. Mit Ausnahme der Eier legenden Kloakentiere sind alle Säugetiere lebend gebärend. Sie sind warmblütige Tiere, die von der Umgebungstemperatur unabhängig sind; lediglich bei Winterschläfern (z. B. Fledermäuse, Igel, Hamster) kann die Körpertemperatur zeitweise stark sinken. Alle Säugetiere atmen durch Lungen. Sie besitzen ein (mit Vorkammern) vierkammeriges Herz, dessen vollständige Scheidewand arterielles von venösem Blut trennt. Während der Embryonalentwicklung erfolgt die Blutversorgung bei den Plazentatieren und manchen Beuteltieren durch den mütterlichen Körper über eine Plazenta und Nabelschnur. - Die Haut der Säugetiere ist drüsenreich, eine Körperbedeckung aus echten Haaren ist ursprünglich immer vorhanden, in vielen Fällen jedoch sekundär weitgehend zurückgebildet (z. B. Wale, Seekühe und Elefanten). - Durch Verschmelzung zweier Kieferknochen (Dentale, Squamosum) entsteht ein sekundäres Kiefergelenk, wohingegen das ursprüngliche Kiefergelenk zu Gehörknöchelchen im Mittelohr umgewandelt wird. Das meist in Schneide-, Eck-, Vorbacken- und Backenzähne differenzierte Gebiss kann durch Nahrungsspezialisierung teilweise oder ganz rückgebildet sein (z. B. bei Ameisenbären). Meist findet ein einmaliger Zahnwechsel vom Milch- zum Dauergebiss statt. - Fast alle Säugetiere haben zwei Extremitätenpaare (mit Ausnahme der Wale und Seekühe); das vordere Paar kann zu Flügeln umgestaltet sein (Fledertiere). - Die Leibeshöhle der Säugetiere ist durch das Zwerchfell in Brust- und Bauchhöhle getrennt. Die Geschlechtsorgane sind zum Teil paarig entwickelt; die Hoden werden zeitweilig (während der Brunst) oder ständig aus dem Körperinneren in einen Hodensack verlagert. - Die Sinnesorgane der Säugetiere sind meist sehr hoch entwickelt, ebenso das Gehirn, bei dem v. a. das Großhirn eine enorme Entwicklungssteigerung erfahren hat und eine gegenüber den anderen Gehirnteilen dominierende Rolle einnimmt. Die Hirnrinde ist oft stark gefurcht.
 
Die weiblichen Geschlechtsorgane und die von ihnen abhängige Form der Keimesentwicklung und Brutpflege sind Grundlage der systematischen Einteilung der Säugetiere in die drei Unterklassen Prototheria (Eierlegende Säugetiere, einzige Ordnung Kloakentiere), Metatheria (Beutelsäugetiere, einzige Ordnung Beuteltiere) und Eutheria (Plazentatiere) mit den Ordnungen: Insektenfresser, Rüsselspringer, Fledertiere, Riesengleiter, Spitzhörnchen, Herrentiere, Nebengelenktiere, Schuppentiere, Nagetiere, Raubtiere, Hasentiere, Waltiere, Röhrchenzähner, Rüsseltiere, Seekühe, Schliefer, Unpaarhufer, Paarhufer.
 
In einer neueren Einteilung der Säugetiere werden nur noch zwei Unterklassen unterschieden: Prototheria (»Vor- und Ursäugetiere«; einzige Ordnung Kloakentiere) und Theria (»Echte« Säugetiere; alle übrigen Ordnungen).
 
Stammesgeschichte:
 
Die Säugetiere haben sich aus den »säugetierähnlichen Reptilien« (Therapsida) entwickelt. Die ältesten Säugetierfunde (v. a. Zähne und Kiefer) stammen aus der Oberen Trias (v. a. vor etwa 220 Mio. Jahren): kleine, meist mausgroße Tiere, die sich wahrscheinlich von Insekten, aber auch kleinen Amphibien und Reptilien oder Pflanzen ernährten. Für die Abstammung von den Reptilien spricht auch das bei den ältesten, fossilen Säugetieren oft ausgebildete doppelte Kiefergelenk (eines wie bei den Reptilien zwischen einem Nebenknochen des Unterkiefers und einem Nebenknochen des Schädels, das andere zwischen dem Schädel und dem Unterkiefer). Ausgestorben sind die Multituberculata, die Docodonta (bis mausgroß, mit dreispitzigen Backenzähnen, aus dem Mittleren und Oberen Jura Europas und Nordamerikas), die Triconodonta, Symmetrodonta und Eupantotheria (obere Backenzähne zweispitzig, untere vierspitzig). Aus diesen urtümlichen Säugetier entstanden vermutlich die Kloakentiere (einzelne Reste aus der Kreide, danach seit dem Miozän belegt). Über die Symmetrodonta (ein besonders wichtiges Glied in der Entwicklungsreihe ist die Gattung Kuehneotherium aus der Obertrias) und die ebenfalls nur fossilen Pantotheria entwickelten sich dann seit der Oberkreide die Beuteltiere und die Plazentatiere. Letztere stammen von einer den Insektenfressern im weiteren Sinn zugehörigen Gruppe (Proteutheria) ab, auch die bereits in der Oberkreide als Halbaffen entwickelten Herrentiere. Aus den ursprünglichen v. a. von Insekten lebenden Plazentatieren gingen Alles-, Pflanzen- oder Fleischfresser hervor. Starke Differenzierung erfolgte auch in der Fortbewegung (Laufen, Hüpfen, Graben, Fliegen, Schwimmen), durch Ausbildung von Flossen und Flügeln, im Gebiss, durch die Zunahme des Gehirnvolumens.
 
Die schnelle weitere Entfaltung der Säugetiere setzte erst nach der Wende Kreide/Tertiär (vor 65 Mio. Jahren), nach dem Aussterben der großen Reptilien und im Zusammenhang mit der Kontinentalverschiebung ein. Dadurch bedingt konnten z. B. in dem seit Ende der Kreide isolierten Australien die evolutiv zurückgebliebenen Kloaken- und Beuteltiere zur Vorherrschaft kommen. Zu den ausgestorbenen primitiveren Plazentatieren gehören die Urraubtiere (Hyaenodonta), die Urhuftiere und die zu den Huftieren (Ungulata) zählenden Litoptera (Schulterhöhe bis 1,80 m; Paläozän bis Pleistozän Südamerikas) und Notungulata (Paläozän bis Pleistozän, v. a. in Südamerika, zum Teil auch in Nordamerika und Asien).
 
Literatur:
 
E. Thenius: Die Evolution der S. (1979);
 
Grzimeks Enzykl. S., 5 Bde. (1988);
 Arno H. Müller: Lb. der Paläozoologie, Bd. 3, Tl. 3: Mammalia (Jena 21989);
 W. Pflumm: Biologie der S. (21996).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
Evolution: Die Entwicklung der Säugetiere
 
Säugetiere: Merkmale, Lebensräume, Systematik
 
Säugetiere: Unterklassen, Teilklassen und Ordnungen
 

Universal-Lexikon. 2012.