Maupassant
[mopa'sã], Guy de, französischer Schriftsteller, * Schloss Miromesnil (bei Dieppe) 5. 8. 1850, ✝ Paris 6. 7. 1893; war nach abgebrochenem Jurastudium Beamter im Marine-, dann im Unterrichtsministerium, suchte Ablenkung durch literarische Versuche. Er gehörte zum Kreis um G. Flaubert, lernte dort u. a. É. Zola, E. de Goncourt und S. Mallarmé kennen. Nach dem großen Erfolg der Novelle »Boule de suif« (1880; deutsch »Fettklößchen«) in dem von Zola angeregten Sammelband »Les soirées de Médan« widmete er sich ganz der Literatur. 1891 fiel er in geistige Umnachtung, 1892 wurde er nach einem Selbstmordversuch in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen, wo er starb. Sein erzählerisches Werk (mehr als 250 Romane und Novellen) schuf er in einem Jahrzehnt. Schon zu Lebzeiten berühmt, gehört er bis in die Gegenwart zu den am meisten gelesenen Autoren der französischen Literatur.
In seinen ästhetischen Konzeptionen (dargelegt im Vorwort zu seinem Roman »Pierre et Jean«, 1888) unterscheidet sich Maupassant - trotz deutlicher inhaltlicher Zuwendung zur Lebensrealität - von den Naturalisten. Er zielt nicht auf fotografische Abbildung der Wirklichkeit, sondern - durch entsprechende Auswahl und Kombination genau beobachteter und vielschichtig aufeinander abgestimmter Details - auf Wahrheit im Sinne von Wahrscheinlichkeit. Bei weitgehendem Verzicht auf moralisierende und psychologisierende Darstellung ist seine Erzählhaltung - nach Flauberts Vorbild - von äußerster Distanziertheit und Objektivität gekennzeichnet. Wie Flaubert setzt Maupassant seine (durch die Lektüre der Werke A. Schopenhauers mitgeprägte) pessimistische Weltsicht in die künstlerische Analyse der Banalität des Daseins um: Hinter einem Panorama unterschiedlicher Lebensformen und sozialer Schichten (Fischer und Bauern der Normandie, Provinzbürgertum, kleine Pariser Beamte, Halbwelt, niedere Aristokratie) und der Darstellung der (korrupten) Gesellschaft der Dritten Republik in ihrem Macht- und Erfolgsstreben, ihrer Unaufrichtigkeit und ihrer fragwürdigen Moral (Roman »Bel ami«, 1885; deutsch) erscheint immer wieder das Bild menschlicher Dummheit und Durchschnittlichkeit, Triebhaftigkeit und Grausamkeit, Desillusionierung und Langeweile. Besonders charakteristisch für Maupassants von reflektierenden und kommentierenden Elementen (außer in den späten Romanen) freien Erzählstil ist die Pointierung des Gewöhnlichen auf ungewöhnliche Art und ein den Grundton von Illusionslosigkeit und Melancholie virtuos kontrastierender, abgründiger Sinn für Komik mit zum Teil sarkastischen und grotesken Zügen.
Weitere Werke: Novellen: La maison Tellier (1881; deutsch Das Haus Tellier); Mademoiselle Fifi (1882; deutsch Fräulein Fifi); Miss Harriet (1884; deutsch); Yvette (1884; deutsch).
Romane: Une vie (1883; deutsch Ein Leben); Mont-Oriol (1884; deutsch Oriols-Höh); Fort comme la mort (1889; deutsch Stark wie der Tod); Notre cœur (1890; deutsch Unser Herz).
Ausgaben: Œuvres complètes, 29 Bände (1908-10); Contes et nouvelles, herausgegeben von L. Forestier, 2 Bände (Neuausgabe 1979-80); Œuvres complètes, herausgegeben von P. Pia, 17 Bände (Neuausgabe 1979).
Gesamtausgabe der Novellen und Romane, herausgegeben von E. Sander, 10 Bände (1963-64, Nachdruck 1986-87).
H. Kessler: M.s Novellen. Typen u. Themen (1966);
A. Vial: G. de M. et l'art du roman (Neuausg. Paris 1971);
A. Lanoux: M. le bel-ami (Neuausg. Paris 1979);
M. MacNamara: Style and vision in M.s nouvelles (Bern 1986);
C. Giacchetti: M. Espaces du roman (Genf 1993).
Universal-Lexikon. 2012.