Herriot,
1) [ɛr'jo], Édouard, französischer Politiker und Schriftsteller, * Troyes 5. 7. 1872, ✝ Saint-Genis-Laval (Département Rhône) 26. 3. 1957; zunächst Gymnasialprofessor und Hochschullehrer in Lyon, trat dort während der Dreyfusaffäre der Liga für die Verteidigung der Menschen- und Bürgerrechte bei und schloss sich der Radikalsozialistischen Partei an. 1905-40 und 1945-57 war er Bürgermeister von Lyon, 1912-19 Senator, 1919-40 und 1945-54 Abgeordneter, 1916/17 Minister für öffentliches Bauwesen, Verkehr und Versorgung; mehrfach Vorsitzender seiner Partei. 1919-24 führte er die Opposition gegen den »Bloc national« (1920-24) und die Deutschlandspolitik des Ministerpräsidenten und Außenministers R. Poincaré (1922-24). Nach dem Wahlsieg des »Cartel des gauches« (»Linkskartell«) war er von Juni 1924 bis April 1925 Ministerpräsident und Außenminister. Herriot trat für einen Garantievertrag unter Kontrolle des Völkerbundes ein, setzte die Anerkennung der UdSSR, die Räumung des Ruhrgebietes sowie die Annahme des Dawesplanes durch. Mit seiner Ankündigung einer konsequent laizistischen Politik löste er die Gegnerschaft des Katholizismus gegen seine Regierung aus; seine Finanzpolitik scheiterte am Widerstand der Geschäftswelt. 1925/26 war er Präsident der Deputiertenkammer, 1926-28 Minister für Unterrichtswesen und 1932 (Juni-Dezember) erneut Ministerpräsident. Der Volksfrontkoalition (1936-38) begegnete er mit Vorbehalten. Als Präsidenten der Deputiertenkammer (seit 1936) enthielt er sich am 10. 7. 1940 der Stimme bei dem Votum der Nationalversammlung, das Marschall P. Pétain mit umfassenden verfassunggebenden Vollmachten ausstattete. Wegen seiner Popularität und seiner wachsenden Vorbehalte gegen das Regierungssystem von Vichy stellte ihn dieses ab 1942 unter Polizeiaufsicht; 1944 wurde Herriot nach Deutschland deportiert. Nach seiner Rückkehr (1945) beteiligte er sich am Aufbau der Vierten Republik. 1947-54 war er Präsident der Nationalversammlung (danach Ehrenpräsident) und unterstützte dort die Gegner des EVG-Projekts. - Als entschiedener Republikaner, Verfechter einer laizistischen Kulturpolitik, pragmatischer Parlamentspolitiker und Gegner der Extreme war Herriot die Verkörperung des Radikalsozialismus und eine Schlüsselfigur der französischen Innenpolitik zwischen den Weltkriegen. 1946 wurde Herriot Mitglied der Académie française.
M. Soulié: La vie politique d'É. H. (Paris 1962);
S. Berstein: É. H., ou, La République en personne (ebd. 1985).
2) ['herɪət], James, eigentlich James Alfred Wight [waɪt], britischer Tierarzt und Schriftsteller, * Glasgow 3. 10. 1916, ✝ Thirsk (County North Yorkshire) 23. 2. 1995; wurde bekannt durch humorvolle Geschichten aus seiner Tierarztpraxis und über den Umgang mit der Landbevölkerung von Yorkshire (danach auch Fernsehserie).
Werke: Erzählungen: If only they could talk (1970); It shouldn't happen to a vet (1972); Let sleeping vets lie (1973); Vet in harness (1974); Vets might fly (1976); Vet in a spin (1977); Animals tame and wild (1979); The Lord God made them all (1981); The Christmas Day kitten (1986; deutsch Das Weihnachtskätzchen); Blossom comes home (1988; deutsch Flora findet heim).
Der Doktor und das liebe Vieh (1974, Auswahl); Dr. J. Herriot, Tierarzt (1976, Auswahl); Noch mehr Geschichten vom Tierarzt (1987, Auswahl); Ein jegliches nach seiner Art (1993, Auswahl).
Universal-Lexikon. 2012.