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Gnesen
Gnesen,
 
polnisch Gniezno ['gnjɛznɔ],
 
 1) Kreisstadt in der Woiwodschaft Großpolen, Polen, 100 m über dem Meeresspiegel, von drei Seen umgeben, 71 000 Einwohner; katholischer Erzbischofssitz; Staatliches Pferdegestüt; Museum zu den Anfängen Polens, Theater. Zentrum der Leicht- (Schuhe, Lederwaren, Möbel, Textilien, Galanteriewaren; Druckereien) und Lebensmittelindustrie, daneben landwirtschaftlicher Fahrzeug-, Maschinen- und Gerätebau.
 
Stadtbild:
 
Der Dom wurde 1342-1415 als dreischiffiger spätgotischer Backsteinbau mit Chorumgang und Kapellenkranz (15. Jahrhundert) sowie zwei Westtürmen (Bekrönung 18. Jahrhundert) an der Stelle zweier Vorgängerbauten errichtet, von deren letztem eine zweiflügelige romanische Bronzetür (um 1170) erhalten ist; im Innern Grabmäler, u. a. das des heiligen Adalbert und das Oleśnickigrab aus der Werkstatt von V. Stoss; ferner Schatzkammer, Archiv und Kapitelbibliothek. Franziskanerkloster (gegründet 1259) mit Kirche (im 17./18. Jahrhundert und später umgestaltet), einschiffige Johanneskirche (ursprünglich 12. Jahrhundert, im 14./15. Jahrhundert spätgotisch umgebaut; im Chor Fresken des 14. Jahrhunderts); klassizistische Bürgerhäuser.
 
Geschichte:
 
Gnesen, nach Überlieferung und Ausgrabungsbefunden (Burgsiedlung des späten 8. Jahrhunderts) die älteste polnische Stadt, wurde im 10. Jahrhundert Fürstensitz und war - neben Posen - im 10. und 11. Jahrhundert Hauptstadt Polens. 1000 bestätigte Otto III. die Gründung des Erzbistums Gnesen durch König Bolesław I. Chrobry (Akt von Gnesen), die die Unabhängigkeit von der Reichskirche bewirkte. 1243 erhielt Gnesen als erste Stadt Großpolens deutsches Recht. Im Spätmittelalter verlor die Stadt, bis 1320 Krönungsstätte und im 12. und 13. Jahrhundert Hauptort eines Teilfürstentums, ihre Bedeutung. In preußischer Zeit (1793-1806 und 1815-1918) war Gnesen Kreisstadt und Zentrum der polnischen Nationalbewegung.
 
 2) Erzbistum, errichtet im Jahre 1000. Zu der Kirchenprovinz mit dem Erzbistum Gnesen gehörten die Suffragane Kolberg, Breslau, Krakau, bald auch Posen. Auch die jüngeren polnischen Bistümer wurden Gnesen unterstellt: Włocławek, Płock, Lebus, später Kulm und litauische Gebiete, nicht dagegen Cammin. Der Metropolit von Gnesen krönte die polnischen Könige, war ab 1416 Primas von Polen und Litauen und ab 1572 Reichsverweser bei Thronvakanz. Aufgrund der polnischen Teilungen verlor Gnesen seine Bedeutung. Nach dem preußischen Konkordat wurde 1821 Posen zum Erzbistum erhoben und Gnesen ihm in Personalunion verbunden (einziger Suffragan blieb der Bischof von Kulm). Seit dem Konkordat von 1925 untersteht Gnesen auch das Bistum Włocławek. 1948 wurde die Union Gnesen-Posen aufgehoben und das Erzbistum Gnesen in Personalunion mit Warschau verbunden. Diese bestand bis zur Neugliederung der polnischen Bistümer 1992. Erzbischof von Gnesen und Warschau war 1981-92 Kardinal Józef Glemp. Nach der Neuumschreibung umfasst das Erzbistum Gnesen heute mit 5 450 km2 etwa 88 % seines früheren Territoriums. Einziges Suffraganbistum ist Włocławek. - Es bestehen (1995) 322 Pfarreien und Seelsorgbezirke; die rd. 997 000 Katholiken (bei einer Wohnbevölkerung von 1,02 Mio.) werden von 615 Welt- und 93 Ordenspriestern seelsorgerisch betreut. Erzbischof ist seit 1992 Henryk Muszyński (* 1933).
 

Universal-Lexikon. 2012.