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Abbildtheorie
Abbildtheorie,
 
Philosophie: die erstmals von den griechischen Atomisten Leukipp und Demokrit vertretene Lehre, dass jede Erkenntnis nur eine Abbildung oder Widerspiegelung der als unabhängig vom Subjekt angenommenen Wirklichkeit sei. Erkenntnistheoretisch begründet wurde die Abbildtheorie, die auch in der Ästhetik eine wichtige Rolle spielte, von Aristoteles und, soweit sie an ihm orientiert sind, auch von den Scholastikern. Nach Thomas von Aquino stehen Vorstellung und vorgestellter Gegenstand in einem Abbildungsverhältnis, analog dem von Urbild und Abbild (»adaequatio intellectus et rei«, adäquat). Im neuzeitlichen Empirismus (F. Bacon, G. Berkeley, J. Locke) wie auch im Positivismus und Materialismus (L. Büchner, J. Moleschott, J. O. de Lamettrie, J. J. Wagner) wurde diese Position in naiv-realistischer Weise wieder aufgegriffen: dem objektiv realen Gegenstand soll ein erkennendes Subjekt gegenüberstehen, das diesen ideell (in Vorstellung, Urteil, Theorie) abbildet oder nachbildet. Im Gegensatz zu neueren, besonders sprachphilosophisch ausgerichteten Theorien, die die Abbildtheorie als »Umweg« ablehnen (z. B. W. Stegmüller), hält die marxistische Theorie (Lenin, I. P. Pawlow, S. L. Rubinstein, G. Klaus) an ihrer Gültigkeit fest. Die dialektisch-materialistische Abbildtheorie geht davon aus, dass sich im Bewusstsein des Menschen als Subjekt die materielle Welt (auch die Klassen- und Produktionsverhältnisse) adäquat widerspiegelt. Die Sprache wird hier als ein (abstrahiertes) Abbild der Wirklichkeit im menschlichen Bewusstsein begriffen. Die Abbildtheorie steht damit u. a. im Gegensatz zur Sprachinhaltsforschung.
 
Literatur:
 
P. W. Simonow: Widerspiegelungstheorie u. Psychophysiologie der Emotionen (Berlin-Ost 1975);
 W. Stegmüller: Das Wahrheitsproblem u. die Idee der Semantik (Neudr. 1977);
 F. v. Kutschera: Grundfragen der Erkenntnistheorie (1982).

Universal-Lexikon. 2012.