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Panslawismus
Pan|sla|wịs|mus 〈m.; -; unz.〉 Bestreben, alle slaw. Völker zu vereinigen [<grch. pan „alles, jedes“ + Slawe]

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Pan|sla|wịs|mus, der; - [pan-, Pan-]:
(im 19. Jh.) Streben nach kulturellem u. politischem Zusammenschluss aller slawischen Völker.
Dazu:
pan|sla|wịs|tisch <Adj.>.

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I
Panslawịsmus
 
der, -, der für die Verwandtschaft der slawischen Sprachen 1826 von dem Slowaken Jan Herkel (* 1786, ✝ zwischen 1842 und 1853) geprägte wissenschaftliche Begriff. Er wurde nach 1830 bald zur politischen Parole der westslawischen Intelligenz für eine allslawische Einigungsbewegung, die stark von dem Slawenideal J. G. Herders beeinflusst war. Der Wunsch nach kultureller »slawischer Wechselseitigkeit« (J. Kollár) zur Stärkung der kleinen slawischen Völker im germanisch-romanischen Kulturbereich, das Bekenntnis zur Zusammengehörigkeit der Slawen in der Donaumonarchie (Austroslawismus), der Widerwille gegen die russischen Vormachtansprüche kamen auf dem Prager Slawenkongress 1848 zum Ausdruck.
 
Von anderer Art war der Panslawismus in Russland. Dort spielte die Glaubensgemeinschaft der orthodoxen Kirche eine wesentliche Rolle. Das Zarenreich war schon im 17. Jahrhundert als Schutzmacht der slawischen Balkanvölker angerufen worden (J. Križanić), und der Volkstumsgedanke der Slawophilen führte zur Idee eines Zusammenschlusses aller slawischen Völker unter russischer Führung (M. P. Pogodin). Nach dem polnischen Aufstand 1863 und dessen Niederwerfung war der russisch-polnische Gegensatz so groß, dass die Polen dem Zweiten Slawenkongress 1867 in Moskau fernblieben. Der Kulturphilosoph und Naturforscher N. J. Danilewskij, der für einen »Bund aller Slawen« mit Konstantinopel als Hauptstadt und unter Führung Russlands eintrat (1869/71), fand erst später Beachtung. Unter dem Einfluss v. a. von I. S. Aksakow und dem Publizisten Michail Nikolajewitsch Katkow (* 1818, ✝ 1887) wurde der Panslawismus in Russland vor dem Ausbruch des Russisch-Türkischen Krieges 1876/77 vorübergehend eine bestimmende Macht der öffentlichen Meinung, in den 1880er-Jahren wurde er jedoch vom »Panrussismus« abgelöst.
 
Eine neue, nationaldemokratische Wendung setzte mit der russischen Revolution von 1905 ein (Neopanslawismus, Slawenkongresse 1908-10). Im Ersten Weltkrieg war der Panslawismus besonders wirksam bei Tschechen (K. Kramař) und Serben (großserbischer Gedanke). Infolge der erbitterten Feindschaft der slawischen Völker untereinander (Polen und Ukrainer, Tschechen und Slowaken, Serben und Kroaten) verlor der Panslawismus nach dem Ersten Weltkrieg seine Wirksamkeit. Im Zweiten Weltkrieg lebte er in der »Slawischen Solidarität« gegen A. Hitler, die auch die Slawen in Amerika erfasste, von neuem auf. Das »Slawische Komitee« in Moskau (gegründet 1941) bemühte sich, den Panslawismus wach zu halten, aber die nationalen Gegensätze der slawischen Völker waren zu stark, wie sich auf dem Slawenkongress in Belgrad (1946) zeigte.
 
Literatur:
 
H. Kohn: Die Slawen u. der Westen (a. d. Engl., Wien 1956);
 M. B. Petrovich: The emergence of Russian panslavism (New York 1956, Nachdr. Westport, Conn., 1985);
 O. Heinz: Der Neo-P. (Diss. Wien 1963);
 U. Picht: M. P. Pogodin u. die slaw. Frage (1969).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
 
Imperialismus: Kulturelle Mission oder Platz an der Sonne
 
II
Panslawismus
 
Panslawismus ist die Bezeichnung für die sprachliche Gemeinsamkeit und das Bestreben nach kulturellem und politischem Zusammenschluss aller slawischen Völker. In den 1830er-Jahren erhielt sie im Zusammenhang mit dem sich bildenden nationalen Bewusstsein der Tschechen, Slowaken und Südslawen eine klare politische Ausrichtung.
 
In Russland (Michail P. Pogodin) wurden Theorien entwickelt, die die Überlegenheit der Slawen gegenüber anderen Völkern aus Geschichte und Religion begründeten und dem russischen Volk als dem bedeutendsten die Führungsrolle zuwiesen. Auf dem ersten Slawenkongress in Prag 1848 verkündeten die Westslawen ihre Vorstellungen. Sie strebten die Umwandlung des Habsburgerreiches in einen Bund gleichberechtigter Volksgruppen an. Dieser Austroslawismus bemühte sich um einen friedlichen Ausgleich innerhalb der Donaumonarchie. Eine Verbindung zu Russland wurde wegen dessen Haltung in den Revolutionsjahren 1848/49 und der Niederschlagung des Aufstandes in Polen 1830/31 lange Zeit strikt abgelehnt.
 
Erst der österreichisch-ungarische Ausgleich 1867, der die austroslawischen Interessen völlig außer Acht ließ, bewirkte eine Hinwendung zu Russland. Der russische Panslawismus wurde in der schwierigen innenpolitischen Situation des Landes nach den Reformen der Sechzigerjahre zur Ablenkung genutzt. Als die Großmacht Russland den westslawischen und bulgarischen Aufständischen gegen die türkische Herrschaft zu Hilfe kam, bestimmte jedoch nicht mehr allein der Gedanke des Panslawismus die russische Politik, sondern imperiales Machtstreben.
 
Das Zarenreich wurde in seinem Bestreben, seine Grenzen in Richtung auf die Meerengen vorzuschieben, durch den Einspruch Großbritanniens und Österreich-Ungarns gestoppt und musste auf dem Berliner Kongress seine Ambitionen zurückstecken. Aber der Anspruch, Führungsmacht der slawischen Völkergruppe zu sein, wurde aufrechterhalten. Der Versuch jedoch, eine Föderation aller slawischen Völker unter russischer Ägide zu erreichen, scheiterte. Zu groß war das Misstrauen gegenüber russischem Hegemoniestreben, zu groß waren auch die Gegensätze zwischen der russisch-orthodoxen Kultur und Religion und den von der westlichen, römisch-lateinischen Kultur geprägten West- und Südslawen.
 

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Pan|sla|wịs|mus, der; - [↑pan-, Pan-]: (im 19. Jh.) Streben nach kulturellem u. politischem Zusammenschluss aller slawischen Völker.

Universal-Lexikon. 2012.