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Nouveau Roman
Nou|veau Ro|man 〈[ nuvo: rɔmã:] m.; - -; unz.〉 in Frankreich entstandene Richtung des modernen Romans, in der völlige Subjektivität des Autors (im Gegensatz zur bisherigen „Allwissenheit“) angestrebt wird u. die Objekte des Geschehens, die Reaktionen auf (unterbewusste) Reize od. auf seelische Vorgänge betont werden [frz., „neuer Roman“]

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Nou|veau Ro|man [nuvorɔ'mã: ], der; - - [frz. = neuer Roman, aus: nouveau = neu (< lat. novellus, Novelle) u. roman, Roman] (Literaturwiss.):
(nach 1945 in Frankreich entstandene) experimentelle Form des Romans, die unter Verzicht auf den allwissenden Erzähler die distanzierte Beschreibung einer eigengesetzlichen Welt in den Vordergrund stellt.

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Nouveau Roman
 
[nu'vo rɔ'mã; französisch »neuer Roman«] der, - -, in den 1950er-Jahren geschaffene Bezeichnung für eine experimentelle Form des französischen Romans. Im Unterschied zur traditionellen Gattung ist der Nouveau Roman - bei rein oberflächenhaft registrierenden Beschreibungsverfahren - durch einen nicht darstellenden Charakter und die Abkehr von realistischen Erzähltechniken gekennzeichnet. Dies zeigt sich im Verzicht auf die individuelle Romanfigur als Handlungsträger mit feststehender Identität und damit auf psychologische Stimmigkeit, auf eine Fabel im Sinne einer linear und logisch ablaufenden Handlung, auf die Darstellung im Rahmen eines raumzeitlichen Kontinuums ebenso wie auf die traditionelle Rolle eines (Ordnungen und Bezüge stiftenden) Erzählers und damit auf eine einheitliche Erzählperspektive. Der Nouveau Roman erscheint aus allen referenziellen Bezügen herausgelöst; er eröffnet auch keine Deutungen im herkömmlichen Sinn, sondern eine Vielzahl möglicher Zugänge und lässt die Wirklichkeit zufällig, undurchsichtig oder chaotisch erscheinen. Statt auf die Bedeutung einer vorhandenen Realität verlagert sich das Interesse auf Form und Funktionsweise des Textes; nicht selten werden im Nouveau Roman der Roman und die Möglichkeiten des Schreibens selbst zum Thema. Durch die Häufung widersprüchlicher Sichtweisen und die Infragestellung vorgegebener Sprachmuster und Bedeutungscodes nimmt der Text häufig die Form einer Recherche an und erhält damit eine kritische, Erkenntnis stiftende Funktion gegenüber der Wirklichkeit; diese erscheint als das Ergebnis der Art und Weise, in der sie - bei beliebigem thematischem Material - im schriftstellerischen Prozess und in der nachschöpferischen Aktivität des Lesers wahrgenommen wird. Mit der zweiten Phase des Nouveau Roman, dem »Nouveau Nouveau Roman«, vollzieht sich seit den 1970er-Jahren eine zunehmende Konzentration auf die Sprachlichkeit der Literatur, wodurch der antirealistische Zug des Nouveau Roman noch deutlicher hervortritt und die traditionelle Erwartungshaltung des Lesers noch stärker demontiert wird. Der »Nouveau Nouveau Roman« ist durch extreme Formalisierung gekennzeichnet: Die Recherche hat die einzelnen sprachlichen Sequenzen des Textes nachzuvollziehen, deren Bedeutung sich erst aus einem jeweiligen Bezugsfeld und im Rückverweis auf die dem Text zugrunde liegende Struktur konstituiert; die Selbstbezüglichkeit des Textes wird dabei durch eine differenzierte Wiederholungs-, Variations- und Spiegelungstechnik evident.
 
Der Nouveau Roman hat eine Veränderung des Literaturbegriffs und der Rezeption von Literatur bewirkt. Seine Vertreter bilden keine einheitliche Gruppe; zu ihnen zählen u. a. A. Robbe-Grillet, M. Butor, Nathalie Sarraute, C. Simon, R. Pinget, M. Blanchot, C. Mauriac, Marguerite Duras, P. Sollers und J. Ricardou. Wesenszüge des Nouveau Roman werden schon in den Werken von G. Flaubert, M. Proust, F. Kafka, J. Joyce, A. Gide und W. Faulkner vorweggenommen. In der deutschsprachigen Literatur sind u. a. die Werke von U. Johnson, T. Bernhard und P. Handke davon beeinflusst.
 
Literatur:
 
G. Zeltner-Neukomm: Die eigenmächtige Sprache. Zur Poetik des N. R. (Olten 1965);
 G. Zeltner-Neukomm: Im Augenblick der Gegenwart. Moderne Formen des frz. Romans (1974);
 G. Zeltner-Neukomm: Ästhetik der Abweichung. Aufsätze zum alternativen Erzählen in Frankreich (1995);
 K. Wilhelm: Der N. R. (1969);
 J. Ricardou: Pour une théorie du n. r. (Paris 1971, Nachdr. ebd.1983);
 J. Ricardou: Le N. R. (ebd. 1990);
 
N. R., hg. v. W. Wehle (1980);
 C. Merkes: Wahrnehmungsstrukturen in Werken des Neuen Realismus. Theorie u. Praxis des Neuen Realismus u. des N. R. (1982);
 C. Britton: The n. r. Fiction, theory and politics (Basingstoke 1992).

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Nou|veau Ro|man [nuvorɔ'mã], der; - - [frz. = neuer Roman, aus: nouveau = neu (<lat. novellus, ↑Novelle) u. roman, ↑Roman] (Literaturw.): (nach 1945 in Frankreich entstandene) experimentelle Form des Romans, die unter Verzicht auf den allwissenden Erzähler die distanzierte Beschreibung einer eigengesetzlichen Welt in den Vordergrund stellt.

Universal-Lexikon. 2012.