Akademik

Robbe-Grillet
Robbe-Grillet
 
[rɔbgri'jɛ], Alain, französischer Schriftsteller und Filmregisseur, * Brest 18. 8. 1922; Agraringenieur, arbeitete bis 1955 u. a. in einem biologischen Labor, seit 1955 freischaffender Schriftsteller, 1955-85 literarischer Berater des Verlages Editions de Minuit.
 
Seit seinen ersten Romanen (»Les gommes«, 1953, deutsch »Ein Tag zuviel«; »Le voyeur«, 1955, deutsch »Der Augenzeuge«; »La jalousie«, 1957, deutsch »Die Jalousie oder die Eifersucht«) bestimmte er das Gesamtbild des Nouveau Roman, den er auch in Essays erläuterte (»Pour un nouveau roman«, 1963; deutschsprachige Auswahl unter dem Titel »Argumente für einen neuen Roman«). Robbe-Grillets frühe Romane sind durch die minutiöse, naturwissenschaftlich genaue Beschreibung einer Welt anscheinend bedeutungsloser Dinge geprägt. Der anthropomorphen, a priori sinnfälligen Bildhaftigkeit des realistischen Romans stellt er einen authentischen, dinghaften, neutralen Realismus entgegen, der keine Orientierung und Deutung im herkömmlichen Sinn mehr eröffnet; dem entsprechen die Auflösung traditioneller Erzählkategorien (allwissender Erzähler, klar definierte Handlung, lineare Zeitstruktur u. a.) und der Verzicht auf Metaphern. Die späteren Werke, seit »La maison de rendez-vous« (1965; deutsch »Die blaue Villa in Hongkong«), sind durch eine genau umgekehrte, jedoch die gleiche Absicht spiegelnde Haltung gekennzeichnet: einen ironischen Überfluss und eine Flut von Bildern, die in ihrer stereotypen Form mit Alltagsmythen spielen. Er deutete traditionelle Formen wie Kriminalroman und erotischen Roman radikal um und verlieh ihnen durch Parodie einen neuen Sinn (»Projet pour une révolution à New York«, 1970, deutsch »Projekt für eine Revolution in New York«; »Topologie d'une cité fantôme«, 1976; deutsch »Ansichten einer Geisterstadt«). Seit »Le miroir qui revient« (1984; deutsch »Der wiederkehrende Spiegel«) reflektiert er die eigene Biographie: Scheinbar traditionell erzählend, vermischt er unentwirrbar Fiktion und Erinnerung und durchkreuzt immer wieder die Erwartung der Leser.
 
Robbe-Grillet arbeitete auch für den Film: Für A. Resnais schrieb er das Drehbuch zu »Letztes Jahr in Marienbad« (1961) und drehte dann selbst mehrere Filme (u. a. »Trans-Europ-Express«, 1966; »Das Spiel mit dem Feuer«, 1975; »Die schöne Gefangene«, 1982).
 
Weitere Werke: Romane: Un régicide (1978, entstanden 1949); Souvenirs du triangle d'or (1978); Djinn. Un trou rouge sous les pavés disjoints (1981; deutsch Djinn. Ein rotes Loch im lückenhaften Pflaster); La Reprise (2001).
 
Autobiographische Texte: Angélique ou l'enchantement (1988; deutsch Angélique oder die Verzauberung); Les derniers jours de Corinthe (1994; deutsch Corinthes letzte Tage).
 
Literatur:
 
B. Morrissette: Les romans de R.-G. (Neuausg. Paris 1971);
 
R.-G. Analyse, théorie, hg. v. J. Ricardou, 2 Bde. (ebd. 1976);
 M. Rother: Das Problem des Realismus in den Romanen von A. R.-G. (1980);
 M. Nowak: Die Romane A. R.-G.s (1982);
 A. Gardies: Le cinéma de R.-G. (Paris 1983);
 J.-J. Brochier: R.-G. (Lyon 1985);
 B. Stoltzfus: A. R.-G. Life, work, and criticism (Fredericton 1987);
 R. R. Brock: Lire, enfin, R.-G. (New York 1991).

Universal-Lexikon. 2012.