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Sarraute
Sarraute
 
[sa'roːt], Nathalie, geborene Tschẹrniak, französische Schriftstellerin russischer Herkunft, * Iwanowo 18. 7. 1902, ✝Paris 19. 10. 1999 ; kam 1908 nach Paris und war nach einem Jurastudium ebenda und in Oxford zunächst als Anwältin tätig. Schon in ihrem ersten Werk »Tropismes« (1939, Prosaskizzen; deutsch »Tropismen«) brach sie mit der klassischen Erzählweise und schrieb in der Folge Romane, die sie als Vorläuferin und herausragende Vertreterin des Nouveau Roman ausweisen, zu dem sie mit »L'ère du soupçon« (1956; deutsch »Zeitalter des Argwohns«, auch unter dem Titel »Zeitalter des Misstrauens«) auch einen grundlegenden theoretischen Beitrag lieferte. In Essays wandte sie sich v. a. gegen die psychologisierende Darstellung der Figuren im realistischen Roman und die durch die Psychoanalyse überholte Introspektion, zugleich gegen das Ausblenden des Zufalls in seiner Bedeutung für menschliche Schicksale. In Sarrautes - zum Teil unter dem Einfluss F. M. Dostojewskijs und F. Kafkas stehenden - Romanen werden die Personen nur selten mit Eigennamen vorgestellt und dadurch Austauschbarkeit ermöglicht. Ihr eigentlicher Gegenstand ist das menschliche Bewusstsein jenseits von Sprache und Individualität. In ihrem Alterswerk »Ici« (1995; deutsch »Hier«) setzt sie dies mit letzter Konsequenz um: Sprache dient nur dazu, durch Laute, Floskeln, Gemeinplätze oder Zitate feinste innere Regungen zu assoziieren, ohne sie zu benennen. Ihr künstlerisches Konzept setzte Sarraute auch in Dramen und Hörspielen um.
 
Weitere Werke: Romane: Portrait d'un inconnu (1949; deutsch Porträt eines Unbekannten); Martereau (1953; deutsch); Le planétarium (1959; deutsch Das Planetarium); Les fruits d'or (1963; deutsch Die goldenen Früchte); Entre la vie et la mort (1968; deutsch Zwischen Leben und Tod); Vous les entendez? (1972; deutsch Hören Sie das?); Disent les imbéciles (1976; deutsch Sagen die Dummköpfe); Tu ne t'aimes pas (1989; deutsch Du liebst dich nicht).
 
Stücke: Théâtre (1978); Pour un oui ou pour un non (1982).
 
Hörspiele: Le silence, suivi du mensonge (1967; deutsch Das Schweigen. Die Lüge).
 
Texte: L'usage de la parole (1980; deutsch Der Wortgebrauch).
 
Essays: Paul Valéry et l'enfant d'éléphant: Flaubert le précurseur (1986).
 
Autobiographie: Enfance (1983; deutsch Kindheit).
 
Literatur:
 
M. Tison Braun: N. S. ou la recherche de l'authenticité (Paris 1971);
 A. Rykner: N. S. (Paris 1991);
 F. Asso: N. S. Une écriture de l'effraction (ebd. 1995);
 R. Boué: N. S., la sensation en quête de parole (ebd. 1997).

Universal-Lexikon. 2012.