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Dokumentarfilm
Dokumentation; Doku

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Do|ku|men|tar|film 〈m. 1Film, der tatsächliche Begebenheiten dokumentarisch wiedergibt

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Do|ku|men|tar|film, der:
Film mit Dokumentaraufnahmen, der Begebenheiten u. Verhältnisse möglichst genau, den Tatsachen entsprechend zu schildern versucht.

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Dokumentarfilm,
 
früher Kulturfilm, Filmgattung, bei der versucht wird, tatsächliche Geschehen, menschliches Leben, die Welt der Technik oder die Natur wiederzugeben. Der Dokumentarfilm verwendet im Unterschied zum fiktionalen Spielfilm möglichst ausschließlich dokumentarische Aufnahmen und bedient sich dabei auch technischer Hilfsmittel (verdeckte Kamera, Zeitlupe/-raffer, Tele-/Makroobjektiv, Modell/Zeichnung); im Unterschied zur Wochenschau konzentriert er sich auf ein Thema, wobei Anordnung und Kommentierung des Materials oft die Ansicht des Regisseurs widerspiegeln (Kompilationsfilm).
 
Die Welt abzubilden erschien zunächst als Hauptaufgabe des Films, der in seinen Anfängen ohne weitere Gestaltung das Geschehen wiedergab (Brüder Lumière, M. Skladanovsky). Aus dieser Zeit (1895 ff.) hat der Dokumentarfilm bis heute enge Verbindung zum Reise- und Tourismus-, auch zum Naturfilm, der erst neuerdings wieder (auch ökologische) Wertschätzung erfährt.
 
In den 20er-Jahren entwickelten Regisseure wie R. Flaherty (»Nanuk, der Eskimo«, 1922), W. Ruttmann (»Berlin, die Sinfonie der Großstadt«, 1926), A. Cavalcanti (»Rien que les heures«, 1926) musikalisch-rhythmisch, kontrastierende und lyrische Stilmittel für die dokumentarische Wirklichkeitsspiegelung. S. Eisensteins »Generallinie« (1928) demonstrierte, wie stark der Dokumentarfilm zur Ideenpropagierung geeignet ist; D. Wertow entlarvte diese ideologische Nutzung, indem er die geistigen wie filmischen Perspektiven - Unterschiede von Realität, Aufnahme und Kinosituation - veranschaulichte (»Der Mann mit der Kamera«, 1929).
 
In den 30er-Jahren bereicherte die »britische Schule« um J. Grierson den Dokumentarfilm weniger avantgardistisch als didaktisch-informativ um sozialkritische Impulse (»Drifters«, 1929; »Night mail«, 1936; B. Wright/H. Watt). Ähnlich arbeitete der Niederländer J. Ivens (»Regen«, 1929; »Spanish earth«, 1937). Dagegen haben Leni Riefenstahls Filme aus der nationalsozialistischen Zeit in ihrer ästhetisierenden Choreographie durchweg eine beschönigende Wirkung (»Triumph des Willens«, 1934; »Olympiade«, 1938).
 
Der Zweite Weltkrieg brachte im Dokumentarfilm in Großbritannien neben Propaganda auch sachliche Information (»Target for tonight«, 1940, H. Watt; »Fires were started«, 1943, H. Jennings), in Deutschland die Wiederholung der Kriegserfolge (»Sieg im Westen«, 1941, S. Noldan), in der UdSSR Agitation gegen das nationalsozialistische Deutschland (»Leningrad im Kampf«, 1943, R. Karmen). In den USA entstand mit der Serie »Why we fight« (1942-45) unter Leitung von F. Capra (und Mitarbeit von J. Huston, J. Ford, W. Wyler u. a.) ein neuer Typus des Dokumentarfilms mit »harten« Informationen und starkem Engagement.
 
Nach dem Krieg entwickelten sich aus Engagement, subtilerer Montage- und nun direkterer Aufnahmetechnik (dank handliche Kameras und empfindliche Filme) ungeschönte Reportagen politischer Missstände (»Nacht und Nebel«, 1955, A. Resnais) und Entwicklungen (»Dimanche à Pékin«, 1955, C. Marker), v. a. zwischenmenschliche Beziehungen (»Chronique d'un été«, 1961, J. Rouch, Cinéma-vérité; »The chair«, 1963, R. Leacock; »Woodstock«, 1970, M. Wadleigh); gleiche Techniken nutzte die lyrisch-ästhetische Beobachtung der Natur und menschlicher Arbeit (»Holland im Spiegel«, 1950, »Glas«, 1959, B. Haanstra).
 
In den 60er-Jahren schwand die öffentliche Bedeutung des Dokumentarfilms, der sich radikalen individuellen und gesellschaftlichen Problemen widmete. Dagegen gewann seitdem der Fernsehdokumentarfilm (zum Teil mit Elementen des Spielfilms) zunehmende Bedeutung (bei E. Fechner - »Klassenphoto«, 1971 - mit der subjektiven Perspektive der Oral History verknüpft), während die alte Tradition in der Dritten Welt (S. Álvarez, Kuba; F. Solanas, Argentinien) und in Osteuropa oft subversiv fortlebte. In der Bundesrepublik Deutschland beschritt K. Wildenhahn neue Wege, indem er den Dokumentarfilm aus seinem Thema sich entwickeln ließ und nicht nach einem vorgefassten Konzept vorging (»In der Fremde«, 1968); ähnlich entwickelte sich der Dokumentarfilm in der DDR, u. a. bei J. Böttcher in »Wäscherinnen« (1972), Helke Misselwitz (* 1947) in »Winter adé« (1988, den filmischen Langzeitbeobachtungen von V. Koepp (u. a. über die Kleinstadt Wittstock 1974-92) oder bei Y. Yersin (Schweiz) in »Die letzten Heimpostamenter« (1973).
 
Bedeutende Dokumentarfilmfestivals finden jährlich in Mannheim (seit 1952), Oberhausen (1953), Leipzig (seit 1957), Krakau (1964), Nyon (1969) und Paris (seit 1978) statt; inzwischen gibt es auch Dokumentarfilmfestivals für Ethnographie, Medizin, Industrie, Umwelt u. a.
 
Literatur:
 
F. Hardy: Grierson u. der D. (a. d. Engl., 1947);
 P. Rotha: Documentary film (London 31952, Nachdr. ebd. 1970);
 
The documentary tradition, from Nanook to Woodstock, hg. v. L. Jacobs (New York 1971);
 K. Wildenhahn: Über synthet. u. dokumentar. Film (1975);
 
Bilderwelten, Weltbilder. D. u. Fernsehen, hg. v. H.-B. Heller u. P. Zimmermann (1990);
 O. Rubelt: Soziologie des D.s (1994);
 
Fernseh -Dokumentarismus, hg. v. P. Zimmermann (21994);
 
Deutschlandbilder Ost. D.e der DEFA von der Nachkriegszeit bis zur Wiedervereinigung, hg. v. P. Zimmermann (1995);
 
Perspektiven des D.s, hg. v. M. Hattendorf (1995).

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Do|ku|men|tar|film, der: Film mit Dokumentaraufnahmen, der Begebenheiten u. Verhältnisse möglichst genau, den Tatsachen entsprechend zu schildern versucht.

Universal-Lexikon. 2012.