Tenside
[zu lateinisch tendere, tensum »spannen«], Singular Tensid das, -(e)s, Detergẹnti|en, grenzflächen|aktive Stoffe, oberflächen|aktive Stoffe, Stoffe, die die Grenzflächenspannung erniedrigen (grenzflächenaktiv). Durch Tenside kann die Emulgierung nichtmischbarer Flüssigkeiten (z. B. Öl in Wasser), die Benetzung von Feststoffoberflächen mit Wasser und/oder die Stabilität von Schäumen begünstigt werden. Gallensäuren ermöglichen als biologische Tenside die Emulgierung der Fette bei der Verdauung und damit den Fettabbau im Körper. Die ältesten technisch genutzten Tenside sind die Seifen, die bereits im frühen Altertum durch Verkochen von Olivenöl mit Holzasche hergestellt und als Waschmittel verwendet wurden. Viele technische Vorgänge, bei denen Grenzflächen miteinander in Wechselwirkung treten, erfordern die Anwendung von Tensiden. Neben Wasch- und Reinigungsprozessen sind das z. B. Textilveredlung, Lederzurichtung und Flotation sowie die Herstellung von Kosmetika, Kunststoffen und Lacken. Nach anwendungstechnischen Gesichtspunkten lassen sich Tenside in Waschmitteltenside, Emulgatoren, Netzmittel und Dispergatoren unterteilen.
Die Moleküle von Tensiden bestehen aus einer langkettigen Kohlenwasserstoffgruppe mit hydrophoben Eigenschaften und einer hydrophilen Gruppe. Wird ein Tensid in Wasser gelöst, reichern sich die Tensidmoleküle an der Phasengrenze an, und zwar so, dass der hydrophile Teil zur wässrigen Phase und der hydrophobe zur Gas- oder Ölphase ausgerichtet ist. Ist die Grenzfläche mit einer monomolekularen Schicht bedeckt, vereinigen sich neu hinzukommende Tensidmoleküle zu Aggregaten von 100 bis 1 000 Molekülen, den Micellen. Bei wässrigen Phasen befinden sich die hydrophoben Ketten der Tensidmoleküle im Inneren dieser kugelförmigen Micellen, die hydrophilen Gruppen sind nach außen gerichtet und treten mit den Wassermolekülen der Umgebung in Wechselwirkung. Tenside werden nach der Ladung ihres hydrophilen Molekülanteils klassifiziert: Anionische Tenside (Aniontenside) haben negativ geladene Carboxylat- (—COO-), Sulfat- (—OSO3-) oder Sulfonatgruppen (—SO3-). Zu ihnen gehören neben den Seifen die Alkylbenzolsulfonate, Alkansulfonate, Alkylsulfate und Alkyläthersulfate. Für Wasch- und Reinigungsmittel haben sie die größte Bedeutung. Kationische Tenside (Kationtenside, Quats, Invertseifen, Kationenseifen) enthalten meist eine quartäre Ammoniumgruppe (—N(R)+3). Sie haben Bedeutung als Weichspüler, Korrosionsschutzmittel, Desinfektionsmittel oder bei der Herstellung von Bitumenemulsionen. Nichtionische Tenside (Niotenside) tragen als hydrophile Molekülbestandteile Polyäthergruppen der Formel ([ CH2—CH2—O ]nH), die durch Äthoxylierung in Fettalkohole eingeführt werden (Fettalkoholäthoxylate). Die Bedeutung nichtion. Tenside - besonders für Emulsionen und Reinigungsmittel - hat in den letzten Jahren zugenommen. Sie sind wenig empfindlich gegen Wasserhärte und haben geringe Neigung zur Schaumbildung. Mit steigender Temperatur nimmt die Hydratisierung der Polyäthergruppen und damit die Löslichkeit nichtion. Tenside ab. Amphotere Tenside (Amphotenside) enthalten anionische und kationische Gruppen. Wegen ihrer guten Hautverträglichkeit und der antimikrobiellen Wirkung werden sie in Kosmetika verwendet.
Dem Umweltverhalten von Tensiden kommt große Bedeutung zu. Tetrapropylenbenzolsulfonat (TPS), das bis in die 1960er-Jahre das wichtigste Tensid war, spielt heute wegen seiner schlechten biologischen Abbaubarkeit keine Rolle mehr. Nach dem deutschen Waschmittelgesetz dürfen Wasch- und Reinigungsmittel nur Tenside enthalten, die unter bestimmten Testbedingungen zu mindestens 90 % abbaubar sind. Aus ökologischen Gründen wird angestrebt, Tenside möglichst weitgehend aus nachwachsenden Rohstoffen herzustellen. Ein Ergebnis dieser Entwicklung sind die aus Glucose und Fettalkoholen synthetisierbaren Alkylglykoside, die als Niotenside für Handspülmittel und Haarshampoos von großem Interesse sind.
Universal-Lexikon. 2012.