Akademik

Lunatscharskij
Lunatschạrskij,
 
Lunačạrskij [-tʃ-], Anatolij Wassiljewitsch, russischer Kultur- und Literaturwissenschaftler, Schriftsteller und Politiker, * Poltawa 23. 11. 1875, ✝ Menton (Frankreich) 26. 12. 1933; trat als Student in Zürich mit G. W. Plechanow in Verbindung, wurde 1897 Mitglied der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Russlands und schloss sich 1903 den Bolschewiki an. Seit 1904 in der Emigration, mit M. Gorkij in Capri befreundet, arbeitete er in der Schweiz eng mit Lenin zusammen. 1917-29 war Lunatscharskij in der RSFSR beziehungsweise der Sowjetunion als »Volkskommissar für das Bildungswesen« für die Kulturpolitik verantwortlich; seit 1929 hatte er nur noch die Aufsicht über die wissenschaftlichen Institute. 1933 wurde er zum Botschafter in Spanien ernannt, starb aber auf dem Weg dorthin; auf dem Roten Platz in Moskau beigesetzt.
 
Als marxistisch Revolutionär und zugleich vielseitiger und produktiver Kunstkritiker (rd. 2 000 Artikel, Kritiken, Rezensionen u. a.) hat Lunatscharskij die sowjetische Kulturpolitik und Kunst der 1920er-Jahre entscheidend geprägt. Ihre im Vergleich zur stalinistischen Reglementierung der 30er-Jahre auffallende Vielfalt fand ihre politisch wichtigste Stütze in der Vielseitigkeit und ästhetischen Toleranz Lunatscharskijs, der eine proletarische Literatur aktiv förderte, ihren Anspruch auf Alleinherrschaft aber scharf ablehnte und die Dichtung der Avantgarde ebenso wie das »nationale Erbe« A. S. Puschkins oder L. N. Tolstojs verteidigte und bewahrte. Seine eigenen künstlerischen Versuche, durchweg Dramen mit starker Revolutionsrhetorik, sind weniger bedeutend.
 
Werke: Osnovy pozitivnoj ėstetiki (1904); Religija i socializm, 2 Bände (1908-11); Pis'ma o proletarskoj literature (1914); Teatr i revoljucija (1924); Socialističeskij realizm (1933).
 
Dramen: Oliver Kromvel' (1922); Osvoboždennyj Don Kichot (1922; deutsch Der befreite Don Quichotte).
 
Ausgaben: Sobranie sočinenij, 8 Bände (1963-67).
 
Vom Proletkult zum sozialistischen Realismus. Aufsatz zur Kunst der Zeit, herausgegeben von A. Jermakowa (1981).
 
Literatur:
 
J.-U. Peters: Kunst als organisierte Erfahrung. Über den Zusammenhang v. Kunsttheorie, Literaturkritik u. Kulturpolitik bei A. V. L. (1980);
 K. Mänicke-Gyöngyösi: »Proletar. Wiss.« u. »sozialist. Menschheitsreligion« als Modelle proletar. Kultur. Zur linksbolschewist. Revolutionstheorie A. A. Bogdanovs u. A. V. L.s (1982);
 T. E. O'Connor: The politics of Soviet culture (Ann Arbor, Mich., 1983).

Universal-Lexikon. 2012.