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Landesherrschaft
I
Landesherrschaft
 
Das Bestreben der geistlichen und weltlichen Großen, innerhalb der von ihnen besessenen Herrschaftsgebiete ihre Herrschaftsgewalt zu intensivieren und konkurrierende Herrschaftsrechte anderer auszuschalten, führte im Laufe des Hochmittelalters zur Ausbildung der Landesherrschaft. Zum Wesen der Landesherrschaft gehörte, dass sie sich nicht mehr nur mit Herrschaft über Personen begnügte, sondern dass sie darüber hinaus auf die Beherrschung eines bestimmten geographischen Raumes abzielte (Flächenherrschaft). Da mittelalterliche »Staatlichkeit« sich nicht in einer einheitlichen Staatsgewalt, sondern in einer Vielzahl von einzelnen Herrschaftsrechten äußerte, musste es das Bestreben des Landesherrn sein, möglichst viele Herrschaftsrechte in seiner Hand zu konzentrieren und andere Herrschaftsberechtigte der eigenen (Ober-)Herrschaft zu unterwerfen.
 
Zu den wichtigsten dieser Rechte gehörten die Grafenrechte mit dem Recht zur Ausübung der Hochgerichtsbarkeit sowie polizeilicher und militärischer Befugnisse. Daneben spielten meist aber auch noch andere Herrschaftsrechte, wie z. B. die Rechte als Grundherr über abhängige Bauern, Vogteirechte (Schutz- und Herrschaftsrechte über Kirchengut), das Geleitrecht, das Befestigungsrecht, das Forstrecht und andere nutzbare Herrschaftsrechte (Regalien), eine bedeutsame Rolle.
 
Wenn auch das Königtum in den Fürstengesetzen von 1220 und 1231/32 die entstehende Landesherrschaft der Fürsten legalisiert und zu deren Gunsten auf wichtige, bisher vom Reich in Anspruch genommene Regalien verzichtet hat, so wurde die Landesherrschaft dennoch keineswegs ausschließlich auf Kosten der Reichsgewalt erreicht. Die Landesherren konnten sich auch auf eigene, nicht vom König abhängige (allodiale) Herrschaftsgewalt (z. B. durch Rodung) stützen; dazu kam oft eine langfristig angelegte, systematisch betriebene Erwerbspolitik durch Heirat, Kauf, Tausch, Pfandnahme oder auch im Wege der Gewalt, die ebenfalls in der Regel nicht zulasten des Reiches, sondern der Herrschaftskonkurrenten im eigenen Territorium ging.
 
Gegenüber den Bestrebungen des Landesherrn zur Ausbreitung und Intensivierung seiner Herrschaftsgewalt formierten sich die Untertanen - meist der Landesadel und die Landstädte (Landsassen) - zur »Landschaft« oder zu Landständen, die auf Landtagen gemeinsam mit dem Landesherrn über wichtige Landesangelegenheiten, wie Gesetzgebung und Steuern, beschlossen. Wenn auch die Herrschaftsgewalt der meisten Landesherren bereits im Spätmittelalter ein hohes Maß an Eigenständigkeit erreicht hatte, so galt sie verfassungsrechtlich doch als ein vom König dem Landesherrn nach Lehnsrecht verliehenes Recht zur Herrschaft, das bei schwerer Pflichtverletzung auch entzogen werden konnte.
 
Neben den Kurfürsten waren es im spätmittelalterlichen Reich vor allem die Habsburger in Österreich und Steiermark sowie die Wittelsbacher in Bayern, die ihre Herzogtümer bereits zu relativ geschlossenen Landesherrschaften ausgebaut hatten.
II
Landesherrschaft,
 
Bezeichnung für die seit dem Mittelalter im Heiligen Römischen Reich sich entwickelnde höchste Herrschergewalt unterhalb der des Kaisers. Die Landesherrschaft (lateinisch dominium terrae) erwuchs anfänglich der adligen Hausherrschaft, weiterhin trugen (zunächst begrenzt) überlassene Reichs- und Kirchenämter, verliehene Regalien sowie die Übertragung der Sorge um den Erhalt des Landfriedens zur weiteren Ausdifferenzierung bei. Die »Fürstengesetze« Kaiser Friedrichs II. (1220 und 1232) markierten mit der Festschreibung der von den Landesherren erworbenen Privilegien den Anfang der weiteren Entwicklung der Landesherrschaft im Heiligen Römischen Reich. Die Steigerung der landesherrlichen Macht der Kurfürsten durch die Goldene Bulle (1356) ließ die übrigen Reichsstände einschließlich der Reichsstädte die hohe Gerichtsbarkeit, die Wehrhoheit sowie v. a. das Gesetzgebungsrecht (unter Mitwirkung von Landständen) erstreben. Der Übergang der ursprünglich als reichslehnbares Recht in der Person des Herrschers gebundenen Landesherrschaft auf diese Kreise führte zur Ausbildung der Landeshoheit in den seit dem Spätmittelalter sich herausbildenden deutschen Territorialstaaten.
 
Literatur:
 
W. Schlesinger: Die Entstehung der L. (1941, Nachdr. 1983);
 W. Schlesinger: Herrschaft u. Gefolgschaft in der german.-dt. Verfassungsgesch., in: W. Schlesinger: Beitr. zur dt. Verfassungsgesch. des MA., Bd. 1 (1963);
 O. Brunner: Land u. Herrschaft (Wien 51965, Nachdr. 1984);
 H. Mitteis: Der Staat des hohen MA. (101980).

Universal-Lexikon. 2012.