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Judith
I
Judith,
 
die Heldin des ursprünglich hebräischen, nur in griechischer Übersetzung (und in syrischen, lateinischen, äthiopischen Tochterübersetzungen) erhaltenen apokryphen Buches Judith des Alten Testaments, eines historischen Romans mit national-religiöser Tendenz aus dem 2. Jahrhundert v. Chr. Während einer Belagerung ihrer Vaterstadt Baitylua (bei Luther: Bethulia) ging Judith ins Lager des Feldherrn Holofernes und schlug ihm des Nachts in seinem Zelt den Kopf ab, woraufhin die Belagerer flüchteten. In der Erzählung klingen vielleicht Erinnerungen an Feldzüge des Artaxerxes III. Ochos gegen Phönikien und Ägypten (um 350 v. Chr.) nach, an denen ein General Orophernes teilnahm.
 
In der bildenden Kunst wurden Szenen aus dem Buch Judith v. a. in Renaissance und Barock dargestellt (Gemälde z. B. von S. Botticelli, um 1472-73, Florenz, Uffizien; L. Cranach der Ältere, vor 1537, Wien, Kunsthistorisches Museum; C. Allori, 1613, Florenz, Palazzo Pitti; Plastikgruppe von Donatello, zwischen 1455 und 1460, Florenz, Palazzo Vecchio; G. Klimt, 1902, Venedig, Museo d'Arte Moderna).
 
Literarische
 
und musikalische Behandlung: Auf die dramatische Verwendbarkeit des Judithstoffes hat Luther hingewiesen und damit die Dramatisierungen des 16. Jahrhunderts angeregt (H. Sachs, 1551 und 1554; J. Greff, 1536; Sixt Birk, lateinisch 1536, deutsch 1539). Das 17. Jahrhundert machte den Stoff für die Oper fruchtbar, in der seit der von M. Opitz 1635 bearbeiteten »Giuditta« von A. Salvadori und M. de la Gagliono (1626) die galante Thematik vorherrschte (A. Tscherning, 1646, J. Beccau, 1720); sie beeinflusste auch die Oratorien (Textbuch Metastasios, u. a. von Mozart 1780 vertont). Eine psychologische Erklärung der Bluttat als die einer in ihrer Liebe beleidigten Frau hat zuerst F. Hebbel (1840; Parodie von J. N. Nestroy 1849; Oper von E. N. von Reznicek, 1923) zu geben versucht und dadurch die weiteren Judithdichtungen beeinflusst. Im Drama G. Kaisers »Die jüdische Witwe« (1911) ist parodistisch das Psychologische ins Groteske übersteigert. Die Oper von A. Honegger (1925, Text von R. Morax) enthielt sich einer psychologischen Ausdeutung des biblischen Geschehens.
 
Literatur:
 
E. Haag: Studien zum Buche J. (1963);
 J. Hein: Aktualisierungen des J.-Stoffes von Hebbel bis Brecht, in: Hebbel-Jb. (1971/72);
 H. Lamparter: Die Apokryphen, Bd. 2 (1972);
 A. Straten: Das J.-Thema in Dtl. im 16. Jh. (1983);
 H. Gross: Tobit, Judit (1987);
 M. Hellmann: Judit - eine Frau im Spannungsfeld von Autonomie u. göttl. Führung (1992).
 
II
Judith,
 
fränkische Königin und römische Kaiserin, ✝ Tours 19. 4. 843; seit 819 zweite Gemahlin Ludwigs des Frommen, Mutter Karls des Kahlen, dem sie entgegen der Erbfolgeordnung von 817 - die Ludwigs Söhne aus erster Ehe als alleinige Erben vorsah - einen Reichsteil sicherte. Die dadurch ausgelösten Kämpfe um die Nachfolge Ludwigs wurden erst durch den Vertrag von Verdun (843) beendet.
 

Universal-Lexikon. 2012.