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Emailkunst
Emailkunst
 
[e'maj-], Schmelzarbeit, Bezeichnung für künstlerische Arbeiten, bei denen auf einen Metalluntergrund (Kupfer, Bronze, Eisen, Silber oder Gold) durch Metalloxide gefärbte (selten auch farblose) Glasflüsse aufgeschmolzen oder zum Bemalen des Metallgrundes verwendet werden.
 
Altertum:
 
Aus der 1. Hälfte des 2. Jahrtausends v. Chr. sind Einlegearbeiten von schon erkaltetem Glasfluss in durch aufgelötete Metallstege gebildete Zellen in Ägypten nachweisbar (Zelleneinlage); sie zierten wie Edelsteine goldene Schmuckstücke. Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. trat in der ägyptischen und ägäischen Kultur der Zellenschmelz (Émail cloisonné) auf, bei dem das Email flüssig aufgebracht wird. Um eine gleichmäßige Farbdichte zu erreichen, erfolgte häufig der Auftrag mehrerer Schichten. Es handelt sich hauptsächlich um Drahtemail, bei dem man auf einen Edelmetallgrund Drähte so auflötete, dass sie dem Umriss des Dekors folgten, während in die Zwischenräume die farbige Glasmasse einsank und die Drähte erhöht stehen blieben. Ein Zentrum der Herstellung war Zypern (um 1000 v. Chr.).
 
Einen ersten Höhepunkt erreichte die Emailtechnik mit den keltischen Arbeiten seit der frühen La-Tène-Zeit. Es entwickelte sich der Furchenschmelz oder Grubenschmelz, bei dem der undurchsichtig rote Glasfluss, das Blutemail, in eingegrabene Furchen oder Gruben geschmolzen wurde. Der Metallgrund war hier zumeist Bronze. Zu den Prachtbeispielen der keltischen Kunst in England zählt der spätlatènezeitliche Schild von Battersea. Die keltische Emailkunst beeinflusste das provinzialrömische Kunsthandwerk; im 2. Jahrhundert n. Chr. entstanden zahlreiche Bügel- und Scheibenfibeln in der Technik des Grubenschmelzes. Als Weiterentwicklung wurden hierbei aus dem Metallgrund (meist Kupfer oder Bronze) Gruben herausgeritzt oder -gehämmert oder im Gussverfahren hergestellt, sodass ein Metallrelief (der Umriss der Figuren) stehen blieb (Émail champlevé). Die darin eingeschmolzenen, farbigen Emails wurden geschliffen, die Metallflächen ziseliert und vergoldet. Außerdem fand die Zellenschmelztechnik Verwendung.
 
Mittelalter:
 
Um die Mitte des 5. Jahrhunderts wurde im byzantinischen Kunstbereich der Zellenschmelz weiterentwickelt. Hochkant aufgelötete Metallstege bildeten die Zellen (Cloisons). Man unterscheidet zwei Arten: Beim »Vollschmelz« bedeckt das Email die gesamte Fläche der Grundplatte, während beim »Senkschmelz« das Emailbild in die Goldplatte versenkt wird. Ein Meisterwerk in dieser Technik ist die Staurothek in Limburg an der Lahn (948-959). In Deutschland lagen die Hauptwerkstätten der Zellenschmelzherstellung, die sich in ottonischer Zeit vom byzantinischen Einfluss unabhängig gemacht hatte, im 10. und 11. Jahrhundert v. a. in Trier, Mainz, Köln und Essen.
 
Im 12. Jahrhundert gewann der Grubenschmelz (Émail champlevé) erneut an Bedeutung und verdrängte den Zellenschmelz. Besonders im Maasgebiet und am Niederrhein entwickelte sich diese Technik zu großer Vollkommenheit. Die Blütezeit der Maasschule lag zwischen 1150 und 1180; jedoch ist es nur selten möglich, ein Kunstwerk einem Meister zuzuordnen. Dagegen können bei den rheinischen Grubenschmelzarbeiten aus Köln genauere Zuschreibungen vorgenommen werden (z. B. Tragaltar des Meisters Eilbertus Coloniensis). Entscheidend für den Stil der Kölner Arbeiten der 2. Hälfte des 12. Jahrhunderts war der Heribertschrein (um 1170). Die bedeutendsten Werke der Emailkunst am Ende des 12. und Anfang des 13. Jahrhunderts stammen von Nikolaus von Verdun. Von gleicher Bedeutung wie das Rhein-Maas-Gebiet für den Grubenschmelz ist in Frankreich Limoges.
 
Eine Abwandlung des Grubenemails kam um 1300 offenbar gleichzeitig und unabhängig in Italien und Frankreich auf, der Silberreliefschmelz oder Tiefschnittschmelz (Émail translucide de basse taille). Statt des Kupfers nahm man nun Silber, in das die Darstellung als flaches Relief eingeschnitten und dann mit transparenten Glasflüssen überzogen wurde. Führend war Siena, seit der Mitte des 14. Jahrhunderts Florenz, in Frankreich Paris, in Deutschland das Ober- und Mittelrheingebiet. Seit etwa 1300 wurde, von Italien ausgehend, das Drahtemail verwendet.
 
Neuzeit:
 
Eine Gruppe von vermutlich in den Niederlanden entstandenen Werken der Emailkunst aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts sind die Vorläufer des Maleremails. Dabei bildet der Metallgrund, meist aus Kupfer, aber auch aus Silber oder Gold, nur noch den Malgrund, der mit einer undurchsichtigen, einfarbigen Emailschicht überzogen wird. Dann erfolgt nacheinander das Aufschmelzen verschiedener undurchsichtiger Glasflüsse. Um das »Werfen« der Platte beim Brennen zu vermeiden, wurde die Rückseite ebenfalls emailliert (Contre-Émail). Ein weiterer Anstoß kam über die Alpen aus Italien, v. a. wohl aus Venedig, wo das Maleremail mit Metalleinlagen verziert war. Frankreich übernahm diese neue Technik, die in den Werkstätten von Limoges zu Weltruhm gelangte (Limosiner Email). Hier malte die früheste, spätgotische Gruppe auf schwarzer Vorzeichnung mit starkfarbigen Emails, die durch feine Goldstrichelung schattiert wurden, Klappaltärchen und Täfelchen. N. Pénicaud und dessen Bruder Jean I. waren die bedeutendsten Meister. Unter Jean II. kam die Grisaille auf. L. Limosin schuf in dieser Technik Porträts, P. Reymond Prunkgeräte aller Art.
 
Für die Prachtentfaltung der deutschen Fürstenhöfe im 16. Jahrhundert spielte die Goldschmiedekunst eine große Rolle, wobei die Emailkunst reiche Anwendung fand, v. a. in München und Nürnberg, später auch in Augsburg sowie in Wien und Prag. Für die Emaillierung wurde neben dem Grubenschmelz der plastische Emaildekor (Émail en ronde bosse) häufig verwendet. Hierbei erhält ein in Gold (seltener in Silber, Kupfer oder Bronze) gegossener oder getriebener Gegenstand von ornamentaler oder figürlicher Gestalt einen Überzug aus undurchsichtigem und transparentem Email. Im 18. Jahrhundert schuf der Goldschmied J. M. Dinglinger in Dresden prunkvolle Emailarbeiten in hervorragender Qualität.
 
Große Verbreitung fand die von Frankreich ausgehende Emailmalerei, bei der (anders als beim Maleremail) die Darstellung mit reinen Metalloxidfarben auf einen weißen Emailgrund aufgeschmolzen wird. Schon um 1632 soll Jean Toutin aus Châteaudun diese Technik verwendet haben. Sie wurde bald in ganz Europa in speziellen Manufakturen für Miniaturen, Dosen und andere Galanteriewaren benutzt. Mit der Entwicklung der Porzellanmalerei trat die Emailkunst im 18. Jahrhundert allmählich zurück. Mit dem Jugendstil um 1900 und später unter der Einwirkung des Expressionismus nahm die Emailkunst noch einmal neuen Aufschwung.
 
In China sind Bronzegeräte mit farbigen Glasflusseinlagen (Protochamplevé) bereits aus Gräbern der späten Shang- und frühen Zhouperiode (um das 11. Jahrhundert v. Chr.) belegt. Erst ab dem 14. Jahrhundert gelangte als Dashi-yao (Ware für Arabien), Guiguo-yao (Ware für die Teufel, d. h. die Europäer) oder Falang (für Byzanz) bezeichnete Handelsware mit Emailkunst wieder zur Blüte, wobei das Cloisonné vorherrschte. Bis zum 16. Jahrhundert sind ein bronzener Metallgrund und gehämmerte, vergoldete Bronzedrähte mit leichten Unebenheiten kennzeichnend. Ab dem 17. Jahrhundert trat an den sichtbaren Stellen vergoldetes Kupfer weitgehend an die Stelle der Bronze. Anstelle der Lötung wurde eine Klebetechnik verwendet. Die Stücke des 15. Jahrhunderts zeichneten sich durch symmetrisch floralen Dekor (v. a. Lotus) aus und waren auf klare Grundfarben beschränkt: Türkis, Lapislazuliblau, Korallenrot, Gelb, Gelbgrün, Schwarz und Weiß. Im 16. und 17. Jahrhundert erweiterte sich die Farbpalette; auch finden sich zunehmend Tiermotive und Figurenszenen im Dekor. Die Stücke aus den Palastwerkstätten des Kaisers Qianlong (18. Jahrhundert) sind durch archaisierenden Dekor gekennzeichnet. Die Emailkunst fand vielfach Verwendung für buddhistisches Altargerät sowie Gefäße und Schmuckgegenstände des kaiserlichen Bedarfs.
 
In Japan sind frühe Einzelfunde (aus der Zeit um 600, und ein einzigartiger Spiegel mit Zellenschmelzdekor im Shōsōin) wohl kontinentale Arbeiten. Emailarbeiten (shippō-yaki) nach chinesischen Vorbildern lebten erst um 1600 wieder auf, zunächst für kleine Formate: Balkenbeschläge, Schwertstichblätter (Tsuba), v. a. in Grubenschmelztechnik (Champlevé) durch Hirata Dōnin (✝ 1646) und seine Nachfolger hergestellt. Seit dem 19. Jahrhundert werden Schmelze auf Metall ebenso wie Zellenschmelz auf Porzellan und Steingut (Émail bisquit) hergestellt.
 
Literatur:
 
H. M. Garner: Chinese and Japanese cloisonné enamels (London 1962);
 K. Wessel: Die byzantin. E. (1967);
 M. M. Gauthier: Émaux du moyen âge occidental (Freiburg im Üechtland 21973);
 U. Stöver: Email (1976);
 G. Gabbert Avitabile: Die Ware aus dem Teufelsland, Ausst.-Kat. (1981);
 H. Brinker u. A. Lutz: Chines. Cloisonné. Die Sammlung Pierre Uldry, Ausst.-Kat. (Zürich 1985).

Universal-Lexikon. 2012.