Ra|ke|ten|trieb|werk 〈n. 11〉 Triebwerk, das durch Ausstoß von Masseteilchen in eine Richtung nach dem Rückstoßprinzip einen Vortrieb (Schub) in die andere Richtung erzeugt
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Raketentriebwerk,
wichtigste Komponente einer Rakete, die zusammen mit anderen Elementen (z. B. Ventile mit Reglern und Leitungen) als Antriebsorgan zur Erzeugung des Vortriebs (Schub) dient.
Funktionsprinzip:
Der Schub wird durch Abstoßung von Masse (Arbeitsmedium) mit hoher Geschwindigkeit erzeugt. Dabei gilt: F = ṁ ceff (F = Schub, ṁ = zeitlicher Massendurchsatz und ceff = effektive Ausström- oder Strahlgeschwindigkeit). Statt der Ausströmgeschwindigkeit (in m/s) wird oft der spezifische Impuls Isp verwendet, der als Quotient der Ausströmgeschwindigkeit und der Erdschwerebeschleunigung (g0 = 9,81 m/s2) definiert ist; er hat die Einheit Sekunden. Die Beschleunigung des Arbeitsmediums auf die Strahlgeschwindigkeit erfolgt gasdynamisch in einer konvergent-divergenten Lavaldüse oder durch elektromagnetische Felder. Der Schub kann Werte zwischen einigen mN (Kaltgas- und elektrische Triebwerke) und vielen MN (große Feststoff- und Flüssigkeitsraketentriebwerke) erreichen. Die Strahlgeschwindigkeit liegt zwischen 2 und 5 km/s bei chemischen Triebwerken, bei knapp 10 km/s für Nuklearantriebe, einigen 10 km/s bei elektrischen Antrieben und hat Lichtgeschwindigkeit bei den derzeit noch hypothetischen Photonenantrieben. Die Strahlleistung kann beträchtliche Werte annehmen; sie beträgt beim US-Raumtransporter (Spaceshuttle) etwa 40 GW.
1) Wichtigster Raketentriebwerkstyp ist das chemische Raketentriebwerk. Bei diesem wird die Energie für den Antriebsstrahl durch chemische Reaktionen - in der Regel Verbrennung von Brennstoff und Sauerstoff oder Sauerstoffträger - der Treibstoffe in der Brennkammer freigesetzt. Die Umsetzung der thermischen Energie in die kinetische Energie des Strahls erfolgt in der Düse. Die Druckkräfte auf die Brennkammer- und Düsenwand ergeben den Schub. Die Triebwerkstypen werden nach dem Aggregatzustand und der Zahl der Treibstoffe unterschieden. Feststoffraketentriebwerke enthalten den Treibstoff (eine Mischung von Brennstoff und Sauerstoffträger) als festen Block in der Brennkammer, der als Stange eingeschoben oder in die Brennkammer eingegossen, ausgehärtet und mit der Wand verklebt wird. Nach der »Anzündung« erfolgt der Abbrand, der dann kaum noch beeinflusst werden kann. Die Wände müssen gegen die 2 500 bis 3 500 K heißen Verbrennungsgase und -produkte durch temperaturbeständiges Material geschützt werden. Der Druck liegt in der Regel zwischen 3 und 20 MPa, die Schubkräfte reichen von wenigen 100 N bis zu mehr als 10 MN, und die Brennzeiten betragen wenige 10 ms bis einige Minuten. Bei Flüssigkeitsraketentriebwerken werden die Treibstoffe aus den Tanks durch Pumpen - in der Regel Turbopumpen, die über ein kleines Raketentriebwerk angetrieben werden - oder mittels Druckgas in die Brennkammer eingebracht, zerstäubt und verbrannt. Der Wärmeschutz der Triebwerkswand erfolgt wie bei Feststoffraketentriebwerken oder durch Zwangsumlauf einer Flüssigkeitskomponente. Brennkammertemperaturen und -drücke entsprechen denen der Feststoffraketen, die anderen Werte liegen in ähnlicher Größenordnung. Feststoff- und Flüssigkeitsraketentriebwerke verwendet man als Hauptantrieb für Raketenwaffen und in der Raumfahrt; zusätzlich werden sie zur Steuerung oder Feinkorrektur der Flugbahn eingesetzt. Hybrid- oder Lithergolraketentriebwerke können, mit einem festen und einem flüssigen Treibstoff, als die Kombination eines Feststoff- und eines Flüssigkeitsraketentriebwerks angesehen werden. Dreistoffraketentriebwerke enthalten noch eine dritte Treibstoffkomponente (flüssigen Wasserstoff) oder verwenden nur drei Flüssigtreibstoffe. Hybrid- und Dreistofftriebwerke sind über das Experimentalstadium noch nicht hinausgekommen. Einstoffraketentriebwerke nutzen die Energie, die durch thermische oder katalytische Zersetzung des Treibstoffes (hauptsächlich Hydrazin oder Wasserstoffperoxid) gewonnen wird. Diese Raketentriebwerke werden für Aufgaben der Lage- und Bahnregelung angewendet. 2) Das Kaltgastriebwerk besteht aus einer mit Stickstoff oder Helium gefüllten Druckgasflasche, einem Ventil sowie einer konventionellen Düse und dient für Lageregelungsaufgaben; Schubniveau und Leistung sind sehr niedrig. 3) Beim Heißwasserantrieb bilden Treibstofftank und Brennkammer eine Einheit, die mit Wasser aufgefüllt wird und nach Aufheizung den Schub durch abströmenden Wasserdampf erzeugt. Wegen der Einfachheit wird dieser Typ v. a. als Hilfsantrieb eingesetzt. 4) Elektrische Raketentriebwerke benötigen eine leistungsstarke Energieversorgungsanlage (Kernreaktor) oder benutzen externe Energiequellen (solarelektrische Triebwerke). Diese Triebwerke können hohe Ausströmgeschwindigkeiten, wegen des enormen Energiebedarfs jedoch nur ein geringes Schubniveau erreichen. Man unterscheidet elektrothermische Raketentriebwerke, bei denen der Treibstoff (Ammoniak, Stickstoff, Wasserstoff) durch ein Widerstandselement (Resistojet) oder einen Lichtbogen (Arcjet) aufgeheizt und durch eine Düse entspannt wird. In einem elektrostatischen Antrieb werden elektrisch geladene Teilchen, meist Ionen (Ionenantrieb), in einem elektrischen Feld beschleunigt, sodass Strahlgeschwindigkeiten von vielen 10 km/s entstehen. Treibstoffe sind Caesium und Quecksilber. Dieser Typ ist in der Entwicklung am weitesten fortgeschritten. Bei elektromagnetischen Antrieben wird ein Plasma durch elektromagnetische Felder beschleunigt. 5) Versuche, die Kernenergie zum Antrieb von Raketen nutzbar zu machen (nukleare Raketentriebwerke), wurden wieder eingestellt (Kernenergieantrieb). 6) Der Photonenantrieb soll den Schub durch einen gebündelten Strahl elektromagnetische Wellen erzeugen, die mit Lichtgeschwindigkeit abgestoßen werden. Dieser Vorschlag von E. Sänger ist derzeit noch rein hypothetisch.
H. W. Köhler: Feststoffraketenantriebe, 2 Bde. (1972);
R. H. Schmucker: Hybridraketenantriebe (1972);
W. Wolff: Raketen u. Raketenballistik (Berlin-Ost 41976);
G. P. Sutton: Rocket propulsion elements. An introduction to the engineering of rockets (New York 51986).
Weitere Literatur: Rakete, Raumfahrt.
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Ra|ke|ten|trieb|werk, das (Technik): Triebwerk, das einen Rückstoß erzeugt, der die für den Antrieb benötigte Kraft liefert.
Universal-Lexikon. 2012.