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Marienbild
Ma|ri|en|bild 〈n. 12Bildnis, Standbild der Muttergottes

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Ma|ri|en|bild, das (bild. Kunst):
bildliche Darstellung Marias.

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Marienbild,
 
die Darstellung Marias, der Mutter Jesu, in Bild (Ikone, Gnadenbild) und Plastik, neben dem Christusbild das häufigste Thema der christlichen Kunst. Unterschieden werden Szenen des Marienlebens, seit dem 12. Jahrhundert von Byzanz ausgehend, in Zyklen und, seit der Gotik, in einzelnen Szenen (Andachtsbild, Beweinung Christi, Darstellung Christi im Tempel, Flucht nach Ägypten, Geburt Christi, Heilige Familie, Heimsuchung Mariä, Himmelfahrt Marias, Kreuzabnahme Christi, Kreuzigung, Krönung Marias, Mater dolorosa, Schutzmantelmadonna, Tempelgang Marias, Verkündigung Mariä) und die selbstständige Darstellung der Gestalt Marias, in der frühchristlichen Kunst (seit dem 2. Jahrhundert) wie in der byzantinischen Kunst (seit dem 6. Jahrhundert). Nach Herkunft oder Bestimmung des Urbildes begegnen hier verschiedene Typen des Marienbilds, v. a. die Blacherniotissa (das Urbild wohl aus der Blachernenkirche in Konstantinopel): Sie zeigt Maria ohne Kind in Orantenstellung, meist in der Apsis (als Hinweis ihrer vermittelnden Stellung zu dem in der Kuppel dargestellten Pantokrator). Beim Typus Platytera erscheint Maria in der gleichen Stellung mit dem Kind als Halbfigur in einer Rundscheibe auf der Brust. Die Hodegetria (das Urbild aus dem Hodegon-Kloster in Konstantinopel) zeigt Maria mit dem Kind auf dem linken Arm, die Glykophilusa (deutsch »die Süß-Küssende«) Maria, das Kind im Arm liebkosend. Das Urbild der Nikopoia (Konstantinopel, Hagia Sophia, Empore, um 1118; Venedig, San Marco, 10. Jahrhundert) soll, wie ihr Name »die Siegbringende« besagt, den byzantinischen Kaiser auf seinen Feldzügen begleitet haben; sie zeigt Maria thronend, das Kind vor sich auf dem Schoß haltend. Besonders dieser Typus nahm Anregungen der vorchristlichen Antike auf und war im Westen (in eigenständiger Darstellung) bis zur Romanik vorherrschend. Als »Thron« des Gottessohnes erscheint Maria in einer dem Diesseits entrückten Strenge in dem ersten vollplastischen Marienbild des Westens, der »Goldenen Madonna« (um 980; Essen, Münsterschatz), und der Madonna des Bischofs Imad (zwischen 1051 und 1076; Paderborn, Diözesanmuseum). Die thronende Hodegetria zeigen Altartafeln des 13./14. Jahrhunderts in Italien (Guido da Siena, Cimabue, Duccio, Giotto), Maria zwischen Heiligen in breitformatigem Altarbild (P. Lorenzetti, 1320; Arezzo, Santa Maria). Von den Altartafeln der Giotto-Schule des 14. Jahrhunderts werden beide Typen in einem einheitlichen Raum zusammengefasst (Vorstufe der späteren Sacra Conversazione). - Mit dem weichen Stil der Gotik wandelte sich die Darstellung Marias: sie wendet sich stärker dem Kind zu, das sich spielend in ihrem Arm bewegt. Doch bleibt die Würde der Madonna selbst als stillende Mutter (Galaktotrophusa, lateinisch Maria lactans) erhalten (J. van Eyck, »Madonna von Lucca«, um 1435; Frankfurt am Main, Städelsches Kunstinstitut). Während die Gotik die stehende Madonna bevorzugt (Kathedralplastik des 13. Jahrhunderts: Marienstatuen am Mittelpfosten der Portale; Schöne Madonnen, um 1400), wendet sich die Renaissance wieder dem Andachtsbild der auch auf den Wolken (Raffael, »Sixtinische Madonna«, 1513/14; Dresden, Staatliche Kunstsammlungen) oder in der Landschaft thronenden Gottesmutter (Giovanni Bellini) oder ihrer Darstellung im Garten (Paradiesgärtlein) zu. Im Barock wird die Verherrlichung Marias thematisch variiert (»Assunta«, »Immaculata«); sie wird in eine mit Wolken und Engelsscharen erfüllte Sphäre erhoben (B. E. Murillo, »Immaculata«, um 1678, Madrid, Prado; E. Q. Asam, »Himmelfahrt Mariä«, 1718-22, Rohr, Klosterkirche), erscheint als »Maria vom Siege« (I. Günther, 1764; Weyarn, Holzskulptur) über der Mondsichel oder auf der Erdkugel, die Schlange des Bösen niedertretend, zuweilen umgeben von den Symbolen ihrer Jungfräulichkeit (Turm, geschlossener Garten, blühender Stab Aarons, »rosa mystica«). Verbreitet sind besonders in dieser Zeit die Ordens- und Bruderschaftsbilder (Caravaggio, »Rosenkranzmadonna«, um 1606/07; Wien, Kunsthistorisches Museum; P. P. Rubens, Ildefonso-Altar, 1630-32, ebenda), Hausmadonnen (H. Krumpper, »Patrona Bavariae«, 1614-16) und Mariensäulen (u. a. auf dem Marienplatz in München mit der Statue von H. Gerhard, 1598-1613).
 
Das 19. Jahrhundert (E. Delacroix, J. A. D. Ingres; Nazarener, Beuroner Kunstschule) folgte im Marienbild v. a. dem Vorbild der Renaissance, das 20. Jahrhundert eher dem des Mittelalters. Der Übernahme einer Gestalt aus der Südsee (P. Gauguin, »La Orana Maria«, 1891; New York, Metropolitan Museum) stehen die ikonenhafte Maria von G. Rouault (in »Misere«, 1927) und die archetypische Auffassung von H. Moore (1944; Northampton, Saint Matthew) gegenüber.
 
Literatur:
 
E. G. Grimme: Unsere liebe Frau. Das Bild Mariens in der Malerei des MA. u. der Frührenaissance (1968);
 R. Lange: Das M. der frühen Jh. (1969);
 E. G. Grimme: Dt. Madonnen (1976);
 G. Schiller: Ikonographie der christl. Kunst, Bd. 4, 2: Maria (1980);
 P. Bloch: Madonnenbilder (21984);
 
Maria - mater fidelium, hg. v. W. Schmitt-Lieb, Ausst.-Kat. (1987);
 R. G. Kecks: Madonna u. Kind. Das häusl. Andachtsbild im Florenz des 15. Jh. (1988);
 
Romanische Madonnen, bearb. v. R. Oursel u. a. (a. d. Frz., 1989);
 H. Hoerni-Jung: Maria. Bild des Weiblichen. Ikonen der Gottesgebärerin (1991);
 G. Kopp-Schmidt: Maria. Das Bild der Gottesmutter in der Buchmalerei (1992);
 I. B. Sirota: Die Ikonographie der Gottesmutter in der Russisch-Orth. Kirche (1992).

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Ma|ri|en|bild, das (bild. Kunst): bildliche Darstellung Marias.

Universal-Lexikon. 2012.