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Leopardi
Leopạrdi,
 
1) Alessandro, italienischer Goldschmied, Bildhauer, Erzgießer und Baumeister, * Venedig um 1450, ✝ ebenda 1522 oder 1523. Von seiner umfangreichen Tätigkeit zeugen wenige Werke, v. a. in Venedig: Guss, Ziselierung und Sockel für das Reiterdenkmal des B. Colleoni (1495; nach Entwurf von A. del Verrocchio); Fahnenhalter auf dem Markusplatz (1501-05); Bau der Cappella Zen in San Marco (1503 ff.). Für die Kuppelkirche Santa Giustina in Padua schuf er den Entwurf (ab 1521).
 
 2) Giacomo Graf, italienischer Dichter, * Recanati (bei Macerata) 29. 6. 1798, ✝ Neapel 14. 6. 1837. Leopardi wuchs in einer streng katholischen, konservativen Familie auf. Durch selbstständiges intensives Studium der Antike löste er sich schon früh geistig aus der provinziellen Umwelt. Er lebte 1822-23 in Rom, 1825 in Mailand, wo er für den Verleger Antonio Fortunato Stella (* 1757, ✝ 1833) lateinische und griechische Klassiker übersetzte und die Werke F. Petrarcas herausgab, dann in Bologna, Florenz und Pisa. Obwohl er versuchte, sich durch literarische und wissenschaftliche Arbeiten zu ernähren, blieb er oft auf die Hilfe von Freunden angewiesen. Bereits schwer leidend folgte er 1833 der Einladung seines Freundes Antonio Ranieri (* 1806, ✝ 1888) nach Neapel, wo er bis zu seinem Tod blieb.
 
Leopardi, der als der bedeutendste italienische Lyriker seit Petrarca gilt, wurde bereits 1818 mit patriotischen Gesängen (»Sopra il monumento di Dante«, »All'Italia«) bekannt, löste sich immer mehr von klassizistischen Normen und erreichte v. a. in der zweiten Epoche seines dichterischen Schaffens (nach 1826) höchste Reinheit und Präzision der Form. Der zum Teil enge Kontakt mit großen Vertretern seiner Zeit (u. a. mit A. Manzoni) blieb ohne unmittelbare Einwirkung auf sein Werk. Früh hatte er jeden konfessionellen Glauben sowie den Glauben an das Leben überhaupt verloren. So ist seine Dichtung (zusammengefasst in den »Canti«, entstanden seit 1817, erschienen 1831, erweitert 1835 und 1845, deutsch »Gesänge«, auch unter dem Titel »Canzonen«; 41 Gedichte: vaterländische Gesänge, Hymnen, Elegien, Episteln und Idyllen, darunter die Idylle »L'infinito«) Ausdruck einer pessimistisch-nihilistischen Grundstimmung, erfüllt von Weltschmerz und einer epochenspezifischen romantischen Schwermut, von Zerrissenheit, Hoffnungslosigkeit, Todessehnsucht und schonungsloser Selbstanalyse. Seine Prosa, zum großen Teil ironischen oder satirischen Inhalts, ist stilistisch gefeilt, bleibt aber, nicht zuletzt durch ihren gelehrten Ballast, eher trocken. In den philosophisch-literarischen, meist in Dialogform verfassten Schriften, den »Operette morali« (größtenteils 1824 entstanden, erschienen 1827, erweitert 1834), erweist er sich als großer Moralist von radikalem Pessimismus. Die Aufzeichnungen »Pensieri di varia filosofia e di bella letteratura« (im Allgemeinen als »Zibaldone di pensieri« bezeichnet, entstanden 1817-32, herausgegeben 1898-1907 in 7 Bänden; deutsche Auswahlen unter dem Titel »Gedanken aus dem Zibaldone«, auch unter den Titeln »Theorie des schönen Wahns und Kritik der modernen Zeit« und »Das Gedankenbuch. Aufzeichnungen eines Skeptikers«) sind grundlegend für das Verständnis seiner Lyrik und Prosa.
 
Ausgaben: Epistolario, herausgegeben von F. Moroncini u. a., 7 Bände (1934-41); Operette morali, herausgegeben von M. Fubini (31966); Scritti filologici, 1817-1832, herausgegeben von G. Pacella u. a. (1969); Tutte le opere, herausgegeben von F. Flora, 5 Bände (6-101973-77); Canti, herausgegeben von F. Bandini (91988); Tutte le opere, herausgegeben von W. Binni, 2 Bände (51988).
 
Werke, übersetzt von H. Helbling und anderen, 2 Bände (1978-85); Canti/Gesänge, übersetzt von demselben (1989); Gedichte und Prosa. Ausgewählte Werke, übersetzt und ausgewählt von L. Wolde (21987).
 
Literatur:
 
K. Vossler: L. (21930);
 
Bibliografia leopardiana, 3 Bde. (Florenz 1931-53),
 
fortgef.: Bibliografia analitica leopardiana, 3 Bde. (ebd. 1963-86);
 G. Ferretti: Vita di G. L. (Neuausg. Bologna 1945);
 H. L. Scheel: L. u. die Antike (1959);
 N. Jonard: G. L. Essai de biographie intellectuelle (Paris 1977);
 W. Binni: La nuova poetica leopardiana (Florenz 31979);
 U. Bosco: Titanismo e pietà in G. L. E altri studi leopardiani (Rom 1980);
 V. Terenzio: L'ultimo L. (Bari 1983);
 N. Bonfazi: Lingua mortale. Genesi della poesia leopardiana (Ravenna 1984);
 M. A. Rigoni: Saggi sul pensiero leopardiano (Neapel 21985);
 
Il pensiero storico e politico di G. L. Atti del VI convegno internazionale di studi leopardiani (Florenz 1989);
 
G. L. Rezeption - Interpretation - Perspektiven, hg. v. H. L. Scheel u. M. Lentzen (1992);
 
L. u. der Geist der Moderne, hg. v. F. Janowski (1993).
 
Hier finden Sie in Überblicksartikeln weiterführende Informationen:
 
italienische Literatur: Dichtung und Risorgimento - Foscolo, Manzoni, Leopardi
 

Universal-Lexikon. 2012.