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Atommodell
Atom|mo|dell 〈n. 11aus physikal. Beobachtungen abgeleitete Vorstellung über den Aufbau eines Atoms sowie deren figürl. Darstellung

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Atom|mo|dell:
1) idealisierte, bildhafte Darstellung von räumlichem Aufbau, Energieverhältnissen u. möglichen physikal. u. chem. Verhaltensweisen eines Atoms. Im Bohr-Sommerfeld-A. ist der Atomkern umgeben von Elektronen, die sich auf diskreten, durch 4 versch. Quantenzahlen charakterisierten u. nach bestimmten Besetzungskriterien ( Hund-Regel, Pauli-Prinzip) auffüllbaren kugelsymmetrischen oder elliptischen Bahnen bewegen, d. h. in der Atomhülle oder Elektronenhülle auf sog. K-, L-, M-, N-, O-, P-, Q-Schalen ( Hauptquantenzahl) mit s-, p-, d-, f-Unterschalen ( Nebenquantenzahl). Neuere, auf der Schrödinger-Gleichung basierende quantenchem. A. weisen den Elektronen Räume bes. hoher u. bes. niedriger Aufenthaltswahrscheinlichkeit oder Elektronendichte ( Atomorbitale) zu. Diese A. sind zwar weniger anschaulich, gestatten aber bessere Interpretationen der spektroskopischen u. elektromagnetischen Eigenschaften u. der Reaktivität von Atomen, Ionen, Radikalen u. (einfachen) Molekülen;
2) eine dreidimensionale Darstellung vom räumlichen Aufbau eines Moleküls aus Atomen ( Molekülmodell)
3) Kernmodell.

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Atom|mo|dell, das (Physik):
hypothetisch konstruiertes Bild eines Atoms, mit dessen Hilfe viele seiner Eigenschaften u. Wirkungen gedeutet werden können.

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Atommodell,
 
in Anlehnung an experimentelle Befunde entwickeltes, mehr oder weniger anschauliche Bild (Schema) vom Atom und seinem Aufbau, mit dem sich das Verhalten und die Eigenschaften der Atome - zumindest näherungsweise - beschreiben und physikalisch deuten lassen, und das außerdem mit den Experimenten in Einklang stehende Berechnungen atomarer Größen und Vorgänge ermöglicht. Die verschiedenen Atommodelle sind eng an die Entwicklung der Physik, besonders der Atomphysik, gekoppelt. Das anfänglich in der zur Aufklärung der thermischen Eigenschaften gasförmiger Materie entwickelten kinetischen Gastheorie verwendete Daltonsche Atommodell (Kugelmodell, mechanisches Atommodell) stellt die Atome als kleine, vollkommen elastische, gleichmäßig mit Masse erfüllte, ungeladene Kügelchen (Durchmesser etwa 10-10 m) dar; mit ihm lassen sich u. a. die Gasgesetze sowie Vorgänge wie die Diffusion, Wärmeleitung und Osmose erklären.
 
Der experimentelle Nachweis, dass Elektronen in den Atomen enthalten sind, führten W. Thomson (Lord Kelvin) und J. J. Thomson zur Aufstellung des Thomsonschen Atommodells (1898; 1903), bei dem die als kugelförmig angenommenen Atome aus einer homogenen, positiv elektrischen Ladungsverteilung bestehen, in die die Elektronen eingebettet sind. Beim Lenardschen Atommodell (Dynamidenmodell), das P. Lenard 1903 aufgrund seiner Versuche über den Durchgang von Elektronenstrahlen durch Materie aufstellte, enthalten die Atome erstmals im Zentrum undurchdringliche Gebilde (Dynamiden), deren Ausdehnung sehr viel geringer als die der Atome selbst ist.
 
Das von E. Rutherford 1911 aufgrund seiner Experimente über die Streuung von Alphateilchen beim Durchgang durch dünne Metallfolien entwickelte Rutherfordsche Atommodell stellt den entscheidenden Schritt zur heutigen Auffassung vom Atom und seinem Aufbau dar: Jedes Atom hat einen Kern mit Z positiven elektrischen Elementarladungen (Z die Ordnungszahl seines Elements), in dem nahezu die gesamte Masse des Atoms vereinigt ist, obgleich er nur einen Durchmesser von etwa 10-14 m hat. Diesen Atomkern (Ladung + Ze) umkreisen in Abständen von maximal 10-10 m genau Z Elektronen mit einer solchen Geschwindigkeit, dass die Wirkung der Coulomb-Anziehungskräfte zwischen dem positiven Kern und den Elektronen (Ladung —e) durch die Fliehkräfte der Elektronen auf ihrer Bahn kompensiert wird. In ihrer Gesamtheit bilden die Elektronen die Atomhülle. Nach diesem Atommodell ist der größte Teil eines Atoms leerer Raum.
 
Das Problem der Instabilität eines solchen Gebildes, in dem nach den Gesetzen der Elektrodynamik die umlaufenden und somit beschleunigt bewegten Elektronen eigentlich fortwährend Energie in Form elektromagnetischer Wellen abstrahlen und dadurch auf Spiralbahnen in den Kern stürzen müssten, suchte 1913 N. Bohr durch Einführung besonderer Quantenbedingungen zu beheben, in die das Plancksche Wirkungsquantum h eingeht. Im Bohrschen Atommodell werden von allen nach den Gesetzen der klassischen Mechanik möglichen Kreisbahnen gewisse »erlaubte« Quantenbahnen dadurch ausgesondert, dass das Produkt aus dem Impuls m · v des Elektrons (Masse m, Geschwindigkeit v ) und dem Umfang 2 πr der Kreisbahn (Radius r) ein ganzzahliges Vielfaches von h sein soll: 2 πmvr = nh (Bohrsche Quantenbedingung; n = 1, 2, 3,. ..). Nach dem 1. Bohrschen Postulat ist nur auf diesen Quantenbahnen, auf denen der Bahndrehimpuls mvr des Elektrons ein ganzzahliges Vielfaches der Planck-Konstanten h̅ = h /2 π ist, eine stationäre Elektronenbewegung möglich, bei der es strahlungsfrei umläuft. Bohr erhielt auf diese Weise erstmals theoretisch die durch Energiewerte En = — me4/(n2h̅2) gegebenen Energieterme des Wasserstoffatoms. Nach dem 2. Bohrschen Postulat erfolgt nur dann eine Emission oder Absorption von elektromagnetischer Strahlung, wenn das Elektron aus einer Quantenbahn (Energie En) auf eine andere (Energie Em) übergeht, also einen als Quantensprung bezeichneten Übergang zwischen zwei stationären Bahnen ausführt. Die dabei in Form eines Lichtquants abgegebene oder aufgenommene Energie ist durch die bohrsche Frequenzbedingung festgelegt. Auf diese Weise konnte Bohr das Linienspektrum des Wasserstoffs erklären, wenn man von der Feinstruktur der Spektrallinien absieht.
 
Die Feinstruktur ergibt sich in dem von A. Sommerfeld 1915 durch Einführung weiterer Quantenbedingungen erhaltenen Bohr-Sommerfeld-Atommodell, bei dem sich die Elektronen eines Atoms auf bestimmten Ellipsenbahnen (genauer: Rosettenbahnen) um den Atomkern bewegen. Diese Quantenbahnen werden durch die Hauptquantenzahl n und zusätzlich durch eine Nebenquantenzahl k (mit k = 1, 2,. .., n) sowie bei Richtungsquantelung durch eine magnetische Quantenzahl m gekennzeichnet, zu denen nach Entdeckung des Elektronenspins (Spin) die Spinquantenzahl s hinzukam. Dieses Atommodell bewährte sich v. a. bei der Erklärung der Röntgenspektren und kann auch noch die Spektren der Alkalimetalle erklären, weil diese auf Übergänge eines »Leuchtelektrons« zurückzuführen sind; es versagt jedoch bei der Berechnung der Energieterme von komplizierteren Atomen und kann auch keine Erklärung für den Dia- und Paramagnetismus sowie die chemische Bindung der Atome geben. Allerdings ermöglicht es eine Deutung der Systematik des Periodensystems der chemischen Elemente, die N. Bohr 1921 mithilfe seines Aufbauprinzips vornahm, wobei er durch Zusammenfassung aller Energieniveaus beziehungsweise Quantenbahnen mit der gleichen Hauptquantenzahl zu »Elektronenschalen« ein Schalenmodell der Atomhülle erhielt.
 
Die Unzulänglichkeiten des Bohr-Sommerfeld-Atommodells sowie die Unerklärbarkeit der Quantenbedingungen und der strahlungslosen Quantenbahnen führten dazu, ganz neue Wege zur Erklärung der atomaren Erscheinungen einzuschlagen, bei denen entweder Begriffe wie Teilchenbahn, Bahnort und -geschwindigkeit ganz aufgegeben und nur beobachtbare physikalische Größen miteinander verknüpft werden (W. Heisenberg 1925; führte zur Entwicklung der Matrizenmechanik) oder die Wellennatur der atomaren Teilchen (L. de Broglie, 1924) berücksichtigt wird, aufgrund der einem Elektron mit dem Impuls p = mv eine Materiewelle mit der Wellenlänge λ = h/p zuzuordnen ist. Beim De-Broglie-Atommodell werden die stationären Quantenbahnen der Elektronen im Atom als kreisförmige, in sich geschlossene, stehende Elektronenwellen gedeutet, die sich ausbilden, wenn der Umfang der Quantenbahn ein ganzzahliges Vielfaches der Wellenlänge ist: 2 πr = nλ. Dies entspricht genau der Bohrschen Quantenbedingung, sodass sich die Bohrschen Energiewerte ergeben. Da in derartigen stehenden Wellen kein Ladungstransport erfolgt, kann das Elektron nicht fortwährend elektromagnetische Strahlung emittieren, womit auch die Stabilität der bohrschen Quantenbahnen erklärt ist.
 
Die Weiterentwicklung dieser Vorstellungen führte zur Wellenmechanik (E. Schrödinger, 1926) als andere mögliche Form der Quantenmechanik, in der sich die Wellenfunktionen Ψ, die diese Elektronenwellen in ihren verschiedenen Schwingungs- beziehungsweise Energiezuständen beschreiben, als Lösungen der Schrödinger-Gleichung, die zugehörigen Energiewerte als Eigenwerte dieser Differenzialgleichung ergeben (speziell beim Wasserstoffatom erhält man die Bohrschen Energiewerte). Die Wellenmechanik liefert nun in der von M. Born 1926 gegebenen statistischen Interpretation eine unanschauliche Beschreibung des Atoms, bei der über messbare Größen (Observable) eines Elektrons nur noch Wahrscheinlichkeitsaussagen gemacht werden können (Atom). Die sich in ihr ergebenden, durch die Wellenfunktionen oder deren Absolutquadrat Ψ *Ψ festgelegten Atomorbitale (Orbital) können als räumliche Analogon der Quantenbahnen des Bohr-Sommerfeld-Atommodells aufgefasst werden (quantenmechanische Atommodell, Orbitalmodell des Atoms).
 
Wird die ursprüngliche Schrödingersche Interpretation des (mit der Elementarladung e multiplizierten) Absolutquadrats Ψ *Ψ der Wellenfunktion als Ladungsdichte einer kontinuierlich den Raum erfüllenden, in Form und Struktur mit einem Orbital übereinstimmenden »Ladungswolke« (Elektronenwolke) beibehalten, so erhält man das Schrödingersche Atommodell oder wellenmechanische Atommodell, das in seiner Konzeption (Materiefeld) als Ausgangspunkt für verschiedene quantenmechanische Näherungsverfahren für das Vielteilchenproblem dient, z. B. für die Hartree-Fock-Methode und das statistische Atommodell (Thomas-Fermi-Modell).
 
Literatur:
 
H. Kacher u. Hasso Meyer: Physik der Atomhülle. Klass. u. wellenmechan. A. mit Anwendungen (1975);
 H. R. Christen: A., Periodensystem, chem. Bindung (31977).

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Atom|mo|dell, das (Physik): hypothetisch konstruiertes Bild eines Atoms, mit dessen Hilfe viele seiner Eigenschaften u. Wirkungen gedeutet werden können.

Universal-Lexikon. 2012.