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thailändische Kunst
thailändische Kunst,
 
früher siamesische Kunst, die Kunst der in den mittleren und südlichen Teilen Thailands siedelnden Völker (Mon, Khmer, Indonesen, Birmanen) und der nach Nordthailand eingewanderten Taistämme, für die v. a. der Hinayana-Buddhismus prägend ist.
 
Die Vorgeschichte Thailands ist reich an Zeugnissen der Steinzeit. Die 1967 entdeckte Keramik von Ban Chiang in Nordostthailand mit ockerroten, kunstvollen Band- und Spiralmotiven auf mattgelbem Untergrund ist der Bronzezeit um 3500 v. Chr. zuzuordnen. Prähistorische Felszeichnungen wurden 1981 an den Felsabhängen von Pha Taem über dem Mekong entdeckt.
 
Indischer Einfluss machte sich im 1. Jahrhundert n. Chr. bemerkbar und wirkte auf das künstlerische Schaffen der den Khmer stammesverwandten Mon, die in Zentralthailand seit etwa dem 6. Jahrhundert (Reich Dvaravati) und im 9.-13. Jahrhundert in Nordthailand ihre Kultur verbreiteten (Reich Haripunjaya).
 
Während des 11.-13. Jahrhunderts wurde die Menamebene Provinz des Khmerreiches, deren Hauptstadt Lop Buri einen Mittelpunkt der Kultur und Kunst bildete.
 
Die Kunst von Sukhothai (13.-15. Jahrhundert) prägte unter Einbeziehung von Stilelementen u. a. der Khmer, Mon und aus Sri Lanka eine eigenständige buddhistische Kunstrichtung. Bei der Buddhadarstellung trat neben traditionelle Körperhaltungen (sitzend, stehend und ruhend) der schreitende Buddha; es sind zum Teil kolossale, mit Stuck überzogene Lateritfiguren und Bronzearbeiten. Charakteristisch für den Sukhothaistil sind die fließende Linienführung und die ovalen Kopfformen. Hervorragend ist auch der feine Stuckdekor der Tempel, z. B. des Wat Mahathat in Sukhothai (14. Jahrhundert). Die auch in Sukhothai und Si Satchanalai (beim heutigen Ort Sawankhalok) auftretenden Turmheiligtümer (Prang) stellen einen kennzeichnenden Bautyp der Kunst von Ayutthaya dar. Als dritte Ruinenstätte ist das um 1360 gegründete Kampheng Phet zu nennen. Die im Bereich von Si Satchanalai gebrannte graue Sawankhalok-Keramik (Seladon, 13.-15. Jahrhundert) mit sandfarbener, blauer oder grüner Tönung war über ganz Südostasien verbreitet.
 
Ein weiteres Kunstzentrum entstand in Lan Na, dem im 13. Jahrhundert gegründeten nördlichen Reich der Thai mit der Hauptstadt Chiang Mai (seit 1296). Die Lan-Na- oder Chiang-Mai-Kunst löste den Haripunjaya-Stil ab, dem der Chedi zu verdanken ist. Bezeichnend für die Lan-Na-Tempelarchitektur sind die fantasievollen Fassaden.
 
Die Kunst im Großreich von Ayutthaya (14. bis 18. Jahrhundert) vereinte in sich in feiner Ausprägung frühere Stilformen. Die vom 16. Jahrhundert an spürbare Tendenz zur Stilisierung und zur ornamentalen Überladenheit der Skulpturen (Buddha im Königsschmuck) leitete den Niedergang der Ayutthaya-Kunst ein. Die Architektur folgte den Vorbildern der Sukhothai-Kunst, verbunden mit einer Rückbesinnung auf den monumentalen Baustil von Angkor: großräumige Tempelanlagen und graziös aufschwingende Prang (z. B. der 82 m hohe Wat Arun in Thon Buri), Grabmäler, terrassierte Säulenhallen und von kleinen Stupas umgebene Zentralstupas. Der Prang lebte auch in der Bangkokperiode (Ende 18. Jahrhundert bis heute) fort, ebenso der Chedi.
 
Typisch für die thailändische Architektur sind die übereinander gelegten Stapeldächer mit glasierten Dachziegeln (rötlich braun, goldgelb, blau, grün). Eine spezifische Ausprägung erhielt auch die seit dem 13. Jahrhundert überlieferte Wandmalerei; die größte bemalte, 2 562 m2 umfassende Fläche im Vihara des Wat Suthat in Bangkok wurde 1982-85 mit deutscher Hilfe restauriert.
 
Kontakten mit China sind die Intarsienarbeiten mit Perlmutter (auf Türen und Fensterläden der Tempel) zuzuschreiben. Muster, Ornamente und Fertigung sind jedoch original thailändisch. Auch die Lackarbeiten in Schwarzgold und die Seidenweberei gehen auf chinesischen Einfluss zurück.
 
Die thailändische Kunst ist religiös bestimmt. Erst ab Mitte des 19. Jahrhunderts bewirkte das Einströmen westlicher Kultur eine allmähliche Abwendung von der Tradition. Die alte Maltechnik und Kosmologie des Buddhismus erleben jedoch seit den 1980er-Jahren ihre Renaissance in gewaltigen Wand- und Deckengemälden, u. a. in der Halle des Regent Hotel in Bangkok.
 
Literatur:
 
K. Döhring: Buddhist. Tempelanlagen in Siam, 2 Bde. (1916);
 J. Boisselier: Plastik in Thailand (a. d. Frz., 1974);
 J. Boisselier: Malerei in Thailand (a. d. Frz., 1976);
 K. Wenk: Wandmalereien in Thailand, 3 Tle. (Zürich 1975);
 
Introduction to the Thai temple, bearb. v. K. I. Matics (Bangkok 1992);
 A. Rolf: Thailand (1993);
 J. Dittmar: Thailand u. Burma. Tempelanlagen u. Königsstädte zw. Mekong u. Ind. Ozean (81996);
 H. Michaelsen: Die Entwicklung u. die Konsequenzen westl. Einflüsse auf die zeitgenöss. Kunst in Thailand (1996).

Universal-Lexikon. 2012.