Tétouan
[te'twã, französisch], spanisch Tetuạ́n, arabisch Titawạn, Stadt in Nordwestmarokko, nahe der Mittelmeerküste 100 m über dem Meeresspiegel, auf einem Felsplateau am Fuß des Djebel Dersa (Nordwest-Ausläufer des Rif, 541 m über dem Meeresspiegel) gelegen, 277 500 Einwohner; Provinz-Verwaltung; Kunstakademie, Universität (gegründet 1982), Hochschule für Musik und Tanz (marokkanischer und andalusischer Prägung), Institut für spanisch-arabisches Kunsthandwerk, Sitz der Fakultät für Theologie der Karawijin-Universität von Fès; Archäologisches Museum (u. a. prähistorische Funde aus den Herkuleshöhlen bei Tanger, römische Mosaiken aus Lixus und Tamuda), Kunst- und Folkloremuseum (u. a. Musikinstrumente, Berberschmuck, Waffensammlung); Nahrungsmittel- (besonders Fischkonserven-), Papier-, Tabak-, elektrotechnische, Baustoff-, Textilindustrie; Handelszentrum des marokkanischen Mittelmeergebiets; bedeutender Fremdenverkehr; Straßenknotenpunkt, Flughafen. Hafenort (mit Seebad) ist Martil, 23 100 Einwohner Nördlich von Tétouan haben sich am 40 km langen Sandstrand die ehemalige Fischerorte Cabo Negro, M'Diq und Restinga-Smir zu Touristikkomplexen (Jachthäfen, Golfplätze u. a.) entwickelt und bilden nach Agadir das zweitgrößte Ferienzentrum des Landes.
Tétouan ist gegliedert in die Medina, die nach 1913 entstandene Neustadt im Südwesten (ehemalige Europäerstadt) und in das Neubaugebiet im Norden und Nordosten. In der an drei Seiten von einer zinnenbekrönten Stadtmauer (17. Jahrhundert) mit sieben Toren umgebenen und von Minaretten überragten Medina liegen der Khalifa-Palast (17. Jahrhundert, restauriert, heute als Dar el-Makhzen Wohnpalast des Königs), die Große Moschee (18. Jahrhundert), weitere Moscheen, Zawijas, Medresen und Mausoleen mit maurischem Baudekor (v. a. die Moscheen Sidi Ben Messaoud und Sidi es-Saidi) sowie zahlreiche Suks. Die 1492 von Juden aus Granada mit Schachbrettgrundriss angelegte Mellah mit von Schwibbögen überwölbten Gassen und alten Synagogen ist heute überwiegend von Berbern bewohnt. Die am Nordwestrand der Medina aufragende Kasba (1286 gegründet, im 17. Jahrhundert erweitert) wird heute militärisch genutzt.
Im 11. Jahrhundert bestand an der Stelle des heutigen Tétouan - 4 km nördlich der weit älteren, 420 von den Römern aufgegebenen Siedlung Tamuda - die Berbersiedlung Tinta ouin (»die Quellen«). 1307 kam es zur eigentlichen Gründung als Festungsstadt durch die Meriniden; Tétouan entwickelte sich zum mächtigen Seeräuberhorst, der 1399 von Heinrich III. von Kastilien zerstört wurde. Nach dem Fall Granadas 1492 kam es zur Neugründung durch spanische Mauren. Mit der Ausweisung der Morisken (1609) aus Spanien begann die Blütezeit der Stadt durch die Niederlassung vieler reicher Kaufleute und Gelehrter; städtebauliche Erneuerung unter Sultan Mulai Ismail (1672-1727). 1913-56 war Tétouan Hauptstadt des spanischen Protektorats in Marokko.
Universal-Lexikon. 2012.