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SS 〈Abk. für〉 Schutzstaffel (berüchtigte polit. Kampftruppe der NSDAP)
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SS [ɛs'|ɛs], die; - (nationalsoz.):
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SS,
Abkürzung für Schutzstaffel, Sonderformation der NSDAP mit v. a. Sicherungs- und Überwachungsaufgaben, 1925 hervorgegangen aus der »Stabswache« zum persönlichen Schutz Hitlers. Obwohl dem Stabschef der SA unterstellt (ab 1926), entwickelte sich die SS mit der Ernennung von H. Himmler zum »Reichsführer SS« (RFSS) 1929 zu einer Sonderformation mit eigener Zielsetzung. Nach der Beteiligung der SS an den Mordaktionen im Zusammenhang mit dem Röhm-Putsch 1934 wurde die SS völlig von der SA gelöst und als selbstständige Gliederung innerhalb der NSDAP Hitler unmittelbar unterstellt.
Nach Himmlers Idee bildete die SS auf der Grundlage der biologischen Auslese einen »Orden« mit Führungsanspruch (»Ariernachweis«, Mindestgröße, eigene Symbolik wie schwarze Uniform, Sig-Rune, eigener Ehrenkodex). Ihr Anspruch, als reinste Verkörperung der nationalsozialistischen Weltanschauung die nationalsozialistische Elite zu bilden, machte die SS für die Verwirklichung sozialer Aufstiegswünsche attraktiv (1929: 280 Mitglieder, 1932: rd. 52 000, 1933: rd. 209 000). Die SS vertrat eine extreme Rassenideologie auf der Basis eines Germanenkultes mit scharfer antichristlicher Ausrichtung und verfocht den Gedanken der Rassenauslese beziehungsweise Züchtung zur Festigung des Anspruchs der »germanischen Herrenrasse« (Lebensborn e. V.). Orientiert an Himmlers Leitbild eines »politischen Soldatentums« verstand sich die SS als Instrument des »Führerwillens« und erstrebte eine permanente Ausdehnung ihrer Funktionsbereiche und Einflusssphären.
Bis Ende 1930 gelang es Himmler, die SS über ihre ursprüngliche Funktion als Leibwache und Versammlungsschutz zu einer »Parteipolizei« der NSDAP zu machen. Ab 1933 bestand der Führungsapparat aus dem SS-Amt (ab 1935 SS-Hauptamt) für die allgemeine Führung und Verwaltung, ab 1934 u. a. zuständig für die KZ, aus dem Amt des Sicherheitsdienstes (SD), das, zunächst als parteiinternes Überwachungsorgan eingerichtet, zunehmend die politische Kontrolle des öffentlichen Lebens beanspruchte, und dem Rasse- und Siedlungsamt (ab 1935 Rasse- und Siedlungshauptamt), zuständig für die »rassemäßige Ausrichtung« und die »Planung und Förderung des Siedlungswesens« der SS, sowie der Adjutantur des RFSS (ab 1934 Persönlicher Stab RFSS, ab 1935/36 Hauptamt). Als Unterorganisationen entstanden ab 1933 auch bewaffnete und militärisch ausgebildete Verbände: die aus den Sonderkommandos der »Politischen Bereitschaften« und der »Leibstandarte Adolf Hitler« gebildete SS-Verfügungstruppe (1938: rd. 14 200 Mann) und die aus den SS-Wachmannschaften der KZ hervorgegangenen SS-Totenkopfverbände (1938: rd. 9 200 Mann). Mit der Erhebung des SD, der Verfügungstruppe und der Totenkopfverbände zu quasistaatlichen Funktionsträgern begann das Ausgreifen der SS über den Rahmen der Partei hinaus und die Penetration des Staatsapparates mit dem Ziel, ein umfassendes »Staatsschutzkorps« zu schaffen. Nach Eroberung und Durchdringung der Polizei der Länder (Gestapo) wurden mit der Ernennung des RFSS zum »Chef der Deutschen Polizei« (1936) Partei- und Staatsamt verbunden; die staatliche Sicherheits- und Ordnungspolizei unterstand damit der SS. Unter Beibehaltung ihrer staatlichen Verwaltungsorganisation wurde die Polizei aus der Staatsaufsicht herausgelöst und insbesondere durch den Zusammenschluss von Sicherheitspolizei und SD im Reichssicherheitshauptamt (RSHA) zu einem Instrument der Führergewalt umgeformt. Zur Verklammerung der verschiedenen Funktionen der SS für den Mobilmachungsfall wurden 1937 Höhere SS- und Polizeiführer eingesetzt, die auf mittlerer Ebene Himmlers Kompetenzen spiegelten, im Krieg in den besetzten Gebieten dann auch unter Einschränkung der Befugnisse der Militärbefehlshaber. Zur Ausweitung ihres Anspruchs suchte die SS Einfluss auf die Wissenschaft (Ahnenerbe e. V.), die neuen Eliteschulen (Nationalpolitische Erziehungsanstalten, Adolf-Hitler-Schulen, Ordensburgen) und auf die staatliche Bürokratie bis hin zum Auswärtigen Amt zu gewinnen. Durch »Fördererkreise« stellte Himmler die Verbindung zur Wirtschaft her. Mit Kriegsbeginn entwickelte sich neben der Allgemeinen SS (1938: rd. 215 000 Mitglieder) die Waffen-SS, in der die SS-Verfügungstruppe und die SS-Totenkopfverbände aufgingen. Sie verkörperte den weitestgehenden Anspruch der SS: auf Ausbau und Sicherung des Reiches nach außen. Ab 1939/40 wurden, entsprechend der Vermehrung der Aufgaben, die drei ursprünglichen Hauptämter auf zwölf erweitert. Nach der Ernennung Himmlers zum »Reichskommissar für die Festigung deutschen Volkstums« (7. 10. 1939 war die SS mit entsprechendem Stabshauptamt und dem Hauptamt Volksdeutsche Mittelstelle (ab Juni 1941) maßgeblich an der Umsiedlung und »Germanisierung« in den eroberten Ostgebieten (Generalplan Ost) beteiligt. Dem 1942 gebildeten Wirtschafts- und Verwaltungshauptamt (WVHA) unterstanden neben den zahlreichen Wirtschaftsbetrieben der SS, die u. a. durch Kredite deutscher Banken und durch das Vermögen enteigneter Juden finanziert wurden, die Verwaltung der KZ und die wirtschaftliche Ausbeutung der Häftlinge. Während des Krieges wurde die SS, die v. a. den Osten Europas als ihre Einflusssphäre betrachtete, zudem zum Instrument der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik. Seit dem Polenfeldzug und mit dem Angriff auf die Sowjetunion - in noch größerem Umfang und straffer organisiert - nahmen Einsatzgruppen von Sicherheitspolizei und SD Massenexekutionen vor. Schließlich führte das RSHA vom Spätherbst 1941 bis zum Oktober 1944 in den Vernichtungslagern in Polen den technisch-bürokratischen Massenmord v. a. an den europäischen Juden durch. Ihren Höhepunkt erreichte die Machtstellung der SS im nationalsozialistischen Staat mit der Ernennung Himmlers zum Reichsinnenminister (25. 8. 1943 und zum Oberbefehlshaber des Ersatzheeres (21. 7. 1944; Volkssturm).
Durch ihre personelle und organisatorische Verflechtung mit der Gestapo, die Verwaltung der KZ, durch die Massenexekutionen der Einsatzgruppen und die systematische Ermordung der Juden (Holocaust) war die SS Hauptträgerin von Terror und Vernichtungspolitik im nationalsozialistischen Herrschaftssystem. Vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg 1946 wurde die SS mit allen Untergliederungen (außer Reiter-SS) zur verbrecherischen Organisation erklärt.
R. B. Birn: Die Höheren SS- u. Polizeiführer. Himmlers Vertreter im Reich u. in den besetzten Gebieten (1986);
R. M. Kempner: SS im Kreuzverhör (Neuausg. 21991);
H. Höhne: Der Orden unter dem Totenkopf. Die Gesch. der SS (Neuausg. 1992);
E. Kogon: Der SS-Staat (251993);
M. H. Kater: Das »Ahnenerbe« der SS 1935-1945 (21997);
SS-Wirtschaft u. SS-Verw., hg. v. W. Naasner (1998).
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Universal-Lexikon. 2012.